Der Spiegel berichtet in einem aktuellen Artikel über ein Frauenhaus in Masar-i Sharif (Nord-Afghanistan) und gibt einen düsteren Einblick in die Situation afghanischer Frauen knapp neun Jahre nach Einmarsch der US-amerikanischen Truppen im Oktober 2001. Der so genannte “Krieg gegen den Terror” und die im Rahmen dieses Krieges durchgeführte Operation Enduring Freedom (“Operation andauernde Freiheit”) hat so einige ihrer hoch angepriesenen Ziele nicht erreicht. Die unter dem Deckmantel von Menschen- und ja, insbesondere Frauenrechten! – eingesetzte Strategie hat den Afghanerinnen, wenn überhaupt, nur theoretisch genutzt. Der systematischen Entrechtung der Frauen durch das Taliban-Regime (1996 – 2001) wurde zwar mit der neuen Verfassung von 2004 entgegengesteuert (sogar eine Frauenquote gibt es im Parlament), aber “es sind vor allem die Frauen in den Städten, die von den Entwicklungen profitieren”, so Reinhard Erös, Gründer der Entwicklungshilfe-Organisation “Kinderhilfe Afghanistan”, in einem Artikel der Sueddeutsche. Mehr als 85 Prozent der afghanischen Bevölkerung lebt allerdings in ländlichen Gebieten…
In unzähligen Interviews aus der Dokumentation Rethink Afghanistan (Teil 5: The Women of Afghanistan) wird deutlich, wie es um die Mehrzahl der afghanischen Frauen im Jahre 2010 steht: Die Frauenquote im Parlament von 25% ist zwar von der Verfassung vorgeschrieben, verhindert allerdings nicht, dass Kandidatinnen, die sich um ein politisches Amt bemühen, mit teils gewalttätigem Widerstand rechnen müssen. Unter dem Taliban-Regime wurden Afghaninnen bekanntlich zu Menschen zweiter Klasse. Eine Verbesserung ist aber auch heute und insbesondere in ländlichen Gebieten nicht festzustellen. Im Gegenteil: Hinzugekommen ist ein Krieg, der neben einer ungeheuerlichen Armut eine Vielzahl an neuen sozialen Problemen hervorbrachte. Selbstmordattentate waren noch vor der amerikanischen Invasion gänzlich unbekannt. Die Mehrzahl der Ehen wird erzwungen; Vergewaltigungen bleiben ungeahndet oder enden mit der Bestrafung des Opfers; häusliche Gewalt hat zugenommen und die Kindersterblichkeit ist unverändert hoch. Einige, wie Reinhard Erös, sprechen von einer Verschlechterung der humanitären Situation seit 2001. Der Human Rights Watch Bericht (2009) zum Thema Frauenrechte in Afghanistan skizziert ein trauriges Bild in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere in Bildung und Rechtssprechung.
Die Situation der afghanischen Bevölkerung in dem nun offiziell teuersten und längsten Krieg in der Geschichte der USA findet weltweit Aufmerksamkeit: Auf dem August-Titel des US-Magazins Time prangte das Bild einer afghanischen Frau ohne Nase. Daneben war zu lesen: “Was passiert, wenn wir abziehen.” Die 19jährige Bibi Aisha, die vor ihrem gewalttätigen Ehemann floh und der zur Strafe Nase und Ohren abgeschnitten wurden, gab diesem Krieg ein erschreckendes Gesicht. Die Überschrift ist angesichts der Realitäten in Afghanistan der reinste Hohn. Aishas Geschichte ereignete sich zu einer Zeit, in der amerikanische und auch deutsche Truppen schon jahrelang in Afghanistan stationiert waren. Weder die Militärpräsenz noch die unzähligen Hilfsorganisationen konnten die Lage der afghanischen Bevölkerung radikal verändern. Operation Enduring Freedom? Die Tatsachen sprechen dagegen.
Autorin: Magda Albrecht, Crosspost von maedchenmannschaft.net
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Schlagwörter: afghanistan, Frau, frauen
2 comments
Was ist denn das Fazit des Artikels?
Man hätte gar nicht einmarschieren dürfen, den Frauen dort war eh nicht zu helfen und jetzt sind die Taliban noch aufgestachelter?
Oder man muss noch mehr machen, damit auch die Frauen auf dem land erreicht werden können? (wohl nicht möglich, da dann ein ungeheuerlicher Aufwand an Soldaten betrieben werden müßte).
Bei den Taliban war damit zu rechnen, dass es erst schlechter wird, bevor es evt. besser wird. Schließlich haben sie eine Machtposition und eine Kultur gegen ein neues Regime zu verteidigen und müssen sich gegen diees natürlich mehr wehren als bei unangegriffener Herrschaft in ihrem Land.
Es gibt eine Menge Schlußfolgerungen, die man aus neun Jahren Afghanistan ziehen kann. Mein erstes und auch im Text klar beschriebenes Fazit ist: Der Krieg hat die humanitäre Situation nicht verbessert, teils verschlechtert. Da dieser Krieg aber u.a. mit gerade diesen Zielen gerechtfertigt wurde (und wird), lässt es die Schlußfolgerung nahe, dass die Anstrengungen mehr als gescheitert sind.
Es gibt kein „hätte“, „wäre“, „was wenn“. Denn die amerikanischen und auch deutschen Truppen befinden sich nun einmal im Land und kämpfen mit völliger Überforderung, insbesondere weil die ländlichen Gebiete schier „unbeherrschbar“ sind.
Wie lange soll die afghanische Bevölkerung auf Verbesserungen warten?
Geantwortet hatte ich dir aber übrigens schon auf Drop the Thought.