Infotainment wird zur Wissenschaft – der Galileo-Shitstorm

Gilt es als pädagogisch wertvoll zu wissen, wie schwer das größte Steak der Welt ist… und wo man es kaufen kann? Gilt es als intellektuell anspruchsvoll zu erfahren, mit welcher Holzkohle man den besten Geschmack seiner Bratwurst beim Grillen erzeugen kann? Und vor allem sind das Themen, worüber ein Wissensmagazin berichten sollte? Derzeit erleben wir wieder einen Shitstorm, der auch mich bewegt. Denn die Message spricht mir aus der Seele: es geht um die Verdummung einer ganzen Generation. Ziel der rasenden Meute: das „Wissensmagazin“ Galileo.

Die Sendung „Galileo“ mit dem hoffnungsvollen Untertitel „sehen – staunen – verstehen“ ist zum Evergreen neben Stefan Raabs „TV-Total“ und den „Simpsons“ auf ProSieben geworden. Bereits seit 1998 läuft die Sendung, deren eigener Anspruch es ist, Wissen zu vermitteln. Da geht es neben saisonalem Allerweltswissen, wie dem Braten einer Bratwurst oder dem größten China-Restaurant der Welt u.a. auch mal um die Probleme der industriellen Hochseefischerei, der globalen Überbevölkerung oder sogar um komplexe Themen wie den Klimawandel. Was dabei als wissenswert eingestuft werden kann, liegt selbstverständlich im Auge des Betrachters. Was jedoch als wissenschaftliche und fachliche Qualität bezeichnet werden darf, ist wenig verhandelbar.

Der Atlantik… ähm Pazifik… ach was, Patlantik…

Galileo steht schon seit einiger Zeit in der Kritik über gerade zuletzt genannte Themenbereiche nur sehr halbgar und fachlich oft lückenhaft bis fehlerhaft zu berichten. So wurde in anderen Beiträgen bereits der Mond zum Planeten erklärt, die Farbe von Hühnereiern, die der Federn zugeordnet und die Ausrichtung einer Kompassnadel gen Norden mit einem magnetischen Eisenvorkommen am Nordpol begründet. Nicht nur fachlich falsch, sondern defacto ganz einfach Blödsinn, den bisweilen selbst ein Grundschulkind zu enttarnen wüsste. Während die Kritik dahingehend in der Regel überwiegend aus akademischen Lagern kam, entlädt sich der Frust dieses hanebüchenen Unsinns derzeit auf Facebook in Form eines Shitstorms, der binnen weniger Tage für einiges an Aufsehen in der Community gesorgt hat.

Auslöser der Kritik, war die angebliche Verwechslung des Pazifiks mit dem Atlantik. Urheber des Shitstorms: der Facebook-Nutzer Max M. In seinem Nutzerkommentar, der energisch das Format aufgrund seiner mangelhaften Qualität angreift, haben sich viele Gleichgesinnte gefunden. Innerhalb eines Tages haben sich so 45.000 Nutzer mit einem „Like“ solidarisiert und in ungefähr 5.000 Kommentaren überwiegend deren Zustimmung ausgesprochen. Derzeit (in etwa eineinhalb Tage später – 07.08. um 08:15) sind die Interaktionen sogar auf über 75.000 Likes und 7.700 Kommentare angestiegen. Eine Entwicklung die beeindruckt.

Mit Aussagen wie: „Wie kann man sich erdreisten, sich selber ein Wissenschaftsmagazin zu schimpfen und dann den Pazifik mit dem Atlantik zu verwechseln? Man sollte euch wegen organisierter Verdummung einlochen und zwar in den tiefsten Kerker dieser Erde!“, scheint der Hamburger Gymnasiast Max M. einen Nerv getroffen zu haben. Außerdem hagelt es neben der Kritik für das Magazin auch direkte Beschwerden an die Manier des Senders in Sachen Werbung: „Ich weiß nicht ob Sie es wussten, aber bei einem Film der eigentlich 1,5 Stunden dauert, so viel Werbung zu zeigen, dass er am Ende doppelt so lang ist, ist einfach dreist“. Höhepunkt der Wutrede ist dann die Assoziation mit einem Verbrechen an die Gesellschaft, das sich auf die Beeinflussung (und vllt. sogar Zerstörung?) des empfindlichen Gehirns richtet: „Verbrecher seid ihr! Mit der Führung dieses Senders betreibt Ihr eine ganz neue Art von Verbrechen: Vom Staat legalisiertes und vor allem organisiertes Verbrechen“. Große Worte für diesen „kleinen“ Mann.

Wenn Infotainment zur Wissenschaft wird…

Doch mein Verständnis trifft er trotzdem. Denn wie sicher jedem anderen deutschen TV-Konsument, dem das Magazin nicht fremd ist, ist auch mir in der Vergangenheit schon des Öfteren aufgefallen mit welch seichter Thematik und mangelnder Qualität dieses Format berichtet. Auch ich habe mich schon mehr als einmal darüber geärgert, dass so ein Programm als „Wissenschaftsendung“ gehandelt wird und erinnere mich an Bekannte, die das dort Gesagte für bare Münze hielten – zu meinem großen Bedauern, muss ich sagen. Die Ausstrahlung dieser Sendung mal hintenan gestellt (man muss Galileo ja nicht schauen), ist es mir ein großes Bedürfnis hier mal die Frage in den Raum zu stellen, wer eigentlich diesen Prädikatsstempel „Wissensmagazin“ verleiht und wer sich darum bemüht, die Integrität dieses Formates zu überwachen? Ist es nicht ein Verrat an der Sache, aus allenfalls Infotainment, ein Wissensmagazin, wenn nicht sogar Wissenschaftsmagazin zu machen? Ist die Bild-Zeitung inzwischen zum Qualitätsmedium geworden und die Markus-Lanz-Show zum Polit-Talk avanciert?

Viele Shitstorms mögen übertrieben wirken. Für viele fehlt mir selbst das Verständnis, welches aber auch auf lückenhafte Informationen beruhen kann, aber dieser Shitstorm, spricht mir tatsächlich wortwörtlich aus der Seele. Und ich hoffe, dass diese Kritik aus dem Facebook-Kosmos ausbricht, um es auf die Titel der reichweitenstarken Medien zu schaffen. Denn die vorsätzliche Verdummung von vielen Millionen Zuschauern, die es offenbar nicht besser wissen und somit den vermittelten Informationen Glaube schenken, stößt bisweilen an seine Grenzen. Grenzen die man benötigt und zwingen sollte einzuhalten. Der echte Galileo würde sich jedenfalls im Grab rumdrehen, wenn er wüsste was man dieser Tage noch mit seinem Namen verbindet.

 

Update: Galileo hat den Kommentar gelöscht… ja ja… sie machen alle den gleichen Fehler.

Update: Galileo hat Stellung bezogen.

Update: Max M. möchte lieber nicht mit vollständigen Namen genannt werden. Schade Max.

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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16 comments

  1. Ich verstehe die ganze Aufregung überhaupt nicht. Es geht doch nur darum dass die Zeit zwischen zwei Werbeblöcken irgendwie überwunden werden muss. Was da geliefert wird ist doch eigentlich egal. Das ist doch das gleiche wie bei den Printmedien. Auch da müssen nur die weißen Flecken zwischen der Werbung beschriftet werden. Womit ist egal und wenn es dann noch als Propaganda für die herrschenden Verhältnisse verstanden werden kann um so besser.

    Es ist doch wirklich egal ob Atlantik oder Pazifik. Das sind doch beides mit Salzwasser gefüllte Becken, die zu wenig Fisch produzieren. Also ruhig bleiben und die Nachrichten in ZDF und ARD genießen. Dann weiß man jeden Abend genau was die herrschende Klasse will. Ach ja Wahrheit, oder gar Wissenschaft kommt auch da nicht vor. Aber wer braucht schon Wahrheit?

  2. Klasse Beitrag! Ich persönlich helfe mir in dieser Sache mit einem kleinen Trick: kein Fernseher. Ansonsten gibt es auch noch das klassische Steckerziehen. Aber mal Spass bei Seite. Da jeder selbst bestimmen kann (zumindest teilweise) was er sich anschauen will und was nicht, stellt sich bei mir nur die Frage, wer sich so etwas freiwillig antut. Denn, und so viel ist klar, wenn niemand diese Sendung schauen würde, dann würde es sie auch nicht geben.
    Auf der anderen Seite ist es natürlich auch so, dass sich die Anzahl an guten Fernsehprogrammen an einer Hand ablesen lässt. Wenn überhaupt. Zumindest wenn es kostenlos ist. Ich bin deswegen ein Verfechter von On-Demand-Programmen. Da bezahle ich direkt für den Mist den ich schaue. ;)

  3. Ich finde das ganze so unnötig wie Fußpilz. Da tut sich ein kleiner Schüler wichtig, meint dem Volk die Augen öffnen zu können, durch sein unfassbar universales Wissen über die Zusammenhängen zwischen Unternehmen, Medien, Sendeinhalt, Konsum und der Schuld des gemeinen Zuschauers.Ich kann dem, der erst JETZT anfängt Medien und TV-Programm kritisch zu hinterfragen, nur gratulieren. „Willkommen in der realen, kapitalistischen Welt des 21. Jahrunderts. Wir haben dich bereits vermisst!“ Mein Gott. Ich bin der Meinung es geht in diesem Falle gar nicht mehr darum, seine tiefe Empörung über einen Sachverhalt zu äußern, sonder nur darum, sich einem pöbelnden Mob anzuschließen und sich in der großen Gruppe an der gemeinsamen (vermeidlichen) Demontage eines Fernsehformates zu ergötzen. Die plötzliche und quasi nach Aufmerksamkeit und Like-geilheit stinkenden Gründungen von Anti-Galileo-Gruppen hat mit Bildung ebenso wenig zu tun wie der größte Döner der Welt. Die Verantwortung, die mit einer so öffentlichen Kritik einhergeht hat auch der kleine Maxi nicht verstanden: Mit seiner radikalen und niveaulosen Äußerung zu Pro7 hat er auch (wahrscheinlich ohne es zu wissen) seine Freundin an den Pranger gestellt.. Sie verwendet momentan ein Bild von Barney Stinson (How I met your mother) als Profil-Banner. Barney Stinson ist bei welchem Sender überwiegend zu sehen? Richtig! Pro7! Eine weitere interessante Situation war folgende.. jemand hatte sich dem shitstorm wiedermal einfach angeschlossen.. und sagte „Wer Pro7 guckt frisst auch bei Mc Donalds!“ ..auf einem seiner Fotos war er selbst leider mit fast food Produkten zu sehen. Es sind nicht Pro7 oder Galileo, die die Menschen verarschen. Es sind die Menschen selber, die sich für ein bisschen Sensation selber verarschen und das eigenständige Denken mehr und mehr aufgeben.

  4. Lieber J.P. Maron…. Nee tut mir Leid. Deine Auffassung teile ich nicht. Es ist legitim sich zumindest zu äußern, wenn man bemerkt, da wird Mumpitz geredet. Das hat auch nichts mit Geltungsbedürfnis zu tun, wie du es vorwirfst, sondern ganz klar mit Verantwortungsbewusstsein. Man kann nicht erwarten, dass ein Schüler zum Medienprofi wird oder ein Ass in der Selbstdarstellung seiner selbst im Web ist. Dass seine Freundin angeblich ein Bild von der fiktiven Person „Barney Stinson“ auf dem Profil hat macht Max noch lange nicht unglaubhaft oder ähnliches. Und damit stellt er auch nicht seine Freundin ins Abseits. Denn, er greift nicht die Zuschauer an, sondern den Sender und DAS FORMAT GALILEO. Damit hat ein jemand der „How I Meet Your Mother“ schaut nichts zu tun. Wenn ich seine Meinung teile, mir aber am Sonntagabend den „Spiderman“-Blockbuster auf ProSieben anschaue, mach ich mich dann auch angreifbar? Das wäre doch ein wenig wirr, oder?

  5. Ääähm, im Ernst? Galileo hat den Kommentar gelöscht?
    Wie unnötig! Man könnte natürlich auch einfach mal dazu stehen, dass z.B. der Atlantik mit dem Pazifik verwechselt wurde etc. Definitiv ein Kandidat für den „Oops-Award“!

    Und mal ehrlich, wenn ich an diese ersten Jahre des „Wissensmagazins“ denke, waren die Beiträge tatsächlich informativer und besser recherchiert. Nur vermutlich sanken die Einschaltquoten, so dass stupide Beiträge wie „Schafft Jumbo Schreiner heute ein 5kg Schnitzel?!“ her mussten. Traurig aber wahr, TV spiegelt unsere Gesellschaft wieder, wie man ja auch an den RTL, RTL2 Formaten sehen kann. Nur dann sollte „Galileo“ eher über eine Umbennung nachdenken wie beispielsweise „Galileo – alles was Sie noch nie wissen wollten“ oder „Galileo – Unnützes Wissen“. Denn ja, ich gebe Andreas Recht: „Der echte Galileo würde sich jedenfalls im Grab rumdrehen, wenn er wüsste was man dieser Tage noch mit seinem Namen verbindet.“

  6. Hallo Andreas Weck! Nee vollkommen richtig. Ich habe mich da, „mea culpa“, wahrscheinlich auch nicht klar genug ausgedrückt. Was ich damit nur zeigen wollte ist, wie widersprüchlich und bescheuert das Verhalten während eines solchen shitstorms ist. Wenn man eine Meinung so krass und wirklich radikal kundtut, sollte man eigentlich auch als Person zu seinem Denken und zu seinen Ansichten stehen. Und ich finde es kratzt schon ein bisschen an der Glaubwürdigkeit, zumindest wenn man die innere Einstellung betrachtet. Ich weiß nicht, aber wäre es nicht vergleichbar damit, wenn ich sage „Ich bin voll gegen Rechts“, aber die Person mit der ich mich die meiste Zeit meines Lebens zusammentue, ist eben Anhänger dieser Szene? Deswegen hat es ein bisschen was von (und ich will jetzt ECHT nicht unfair klingen) „Wasser predigen und Wein saufen“, wenn man einerseits die Meinung vertritt, Pro7 ist der letzte Mist, sich dann aber doch die Produktionen, bzw. den Sender allgemein, reinzieht.

    Trotzdem habe ich das Statement von Max nicht als reine Galileo-Kritik angesehen, sonder auch als massiver Wind gegen Pro7 die sich dann bis hin zu einer wirklich unsachlichen „Drohung“ (ich denke man kann das so nennen) aufgeschaukelt hat. Ich weiß nicht, ob man so pauschal sagen kann, dass der Sender oder das Format das Volk verdummt und organisiertes Verbrechen begeht. Denn es gibt auch gebildete „Konsumenten“, die sich Galileo gerne reinziehen und trotzdem den Unterschied zwischen ernstem Bildungsauftrag und Entertainment verstanden haben. Ob man darin für sich jetzt eine tiefgründige Bildung erwarten darf, sollte man selber einschätzen können. Und Medienprofi hin oder her… Wenn ich mir meiner Sache nicht sicher bin, ziehe ich es anders auf. Man kann zumindest mal diplomatisch und „gebildet“ ;) der Sache auf den Grund gehen, a la „Moin Galileo.. sagt mal, könnt ihr nicht mal weniger über die größten Burger der Welt berichten? Und dafür mehr über die Ursachen der aktuellen Euro-Krise und die Möglichkeiten da raus zu kommen? Beste Grüße, eure Maxi“

    Was mir am wichtigsten mitzuteilen war, waren folgende Sätze „Ich bin der Meinung es geht in diesem Falle gar nicht mehr darum, seine tiefe Empörung über einen Sachverhalt zu äußern, sonder nur darum, sich einem pöbelnden Mob anzuschließen und sich in der großen Gruppe an der gemeinsamen (vermeidlichen) Demontage eines Fernsehformates zu ergötzen. Die plötzliche und quasi nach Aufmerksamkeit und Like-geilheit stinkenden Gründungen von Anti-Galileo-Gruppen hat mit Bildung ebenso wenig zu tun wie der größte Döner der Welt.“ und „Es sind nicht Pro7 oder Galileo, die die Menschen verarschen. Es sind die Menschen selber, die sich für ein bisschen Sensation selber verarschen und das eigenständige Denken mehr und mehr aufgeben.“ ABER: Ehrlich „Danke“ für die Antwort! :)

  7. „How I met your mother“ ist doch keine Pro7-Produktion, Gott bewahre…
    Wer schaut sich die Serie denn bitte auf Deutsch mit 100 Stunden Werbung pro Folge auf Pro7 an?

    Dieser Wink mit „Wasser predigen, Wein saufen“ ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Ganz davon abgesehen, dass Pro7 hier wohl eher das Wasser und alles andere der Wein wäre, aber nun ja…

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