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Kann Innovation eine disruptive und gerechte Zukunft erschaffen?

Zum 30. Geburtstag des Media Lab am MIT ein paar Gedanken über die Wirkung von Innovation auf unser aller Zukunft. Im Media Lab nimmt man die Idee, dass wir eine bessere Zukunft erfinden und diese über den gesamten Globus verbreiten können, sehr ernst. Mit Hilfe dieses Ortes wurden viele sehr ernsthafte Dinge erfunden, wie beispielsweise Hugh Herrs Arbeit an künstlichen Gliedern, aber dort wird auch vielen verspielten Ideen auf die Welt geholfen – Guitar Hero wurde im Labor von Tod Machover im Zuge seiner Arbeit an der Zukunft der Musik entwickelt.

Es ist ebenso ein Ort, an dem Technologien entwickelt wurden, bei denen man sich noch nicht über ihre Nützlichkeit einig ist, wie tragbare Technologien. Die Vorläufer von Google Glass wurden im Media Lab entwickelt.

In meiner Arbeit im Media Lab geht es um Civic Media, die Idee dahinter ist, dass Medien von Bürgern geschaffen und geteilt werden, um diese selbstgeschaffenen Medien für Veränderungen in der Welt einzusetzen.

Wir arbeiten an Projekten wie Media Cloud, die Onlineaktivisten hilft herauszufinden, ob ihre Arbeit Auswirkungen hat, in dem wir Bewegungen wie Black Lives Matter untersuchen. Wir bauen Werkzeuge mit deren Hilfe Gemeinden Mobiltelefon-basierte Informationen sammeln und die Infrastruktur, also Gehwege, Straßen und Sanitäranlagen, in ihrem Viertel beobachten können, um daraus informationsstarke „Crowdmaps“ zu erstellen, mit deren Hilfe sie die Sanitäranlagen verbessern und neue Plätze zum Spielen in einkommensschwachen Vierteln finden können.

Und wir bauen Plattformen, mit denen die Leute mithilfe von Videos, Audio und Animationen erweiterte Medien erstellen und teilen können, darauf fokussiert die Stimmen derjenigen zu verstärken, die normalerweise nicht gehört werden. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit Projekten wie der internationalen Bürgermedien-Nachrichtenseiten Global Voice, FOLD, einer Plattform auf der komplexe, vielfach medienverstärkte Inhalte veröffentlicht werden können, und Deepstream, einem neuen Werkzeug, das Nutzern erlaubt Livestream-Videos zu kuratieren und Inhalte hinzuzufügen.

Mit anderen Worten, ich bin davon überzeugt, mit der Kraft von Innovationen die Welt zu verbessern. Aber ich möchte auch ein paar Warnungen aussprechen und ich vermute, dass diese Warnung Innovatoren in den USA, genauso wie im Rest der Welt, ansprechen.

Technologie und Entwicklung: Vergesst nicht die Menschen

Ich arbeitete seit den späten 1990ern an technologischer und ökonomischer Entwicklung im sub-saharischen Afrika, als ich dabei half ein Netzwerk von Freiwilligen für technologische Projekte aufzubauen, das mit Unternehmen auf dem gesamten Kontinent zusammen arbeitete. Es nannte sich Geekcorps. Seitdem ich vor 15 Jahren an dem Projekt gearbeitet habe, konnte ich viele Trends in der Entwicklung kommen und gehen sehen.

Bevor ich in der internationalen Entwicklung tätig war, war es üblich, massive Infrastruktur-Projekte zu fördern und Regierungen große Kredite dafür anzubieten. Die heiße Diskussion, als ich mit Geekcorps begann, war Korruptionsbekämpfung. Daraufhin folgte eine Betonung der demokratischen Werte und anschließend Mikrofinanzierung.

Jetzt liegt der Fokus auf der Innovation.

Ich hatte das Vergnügen, mehrere Jahre mit dem kenianischen non-profit Crowdmapping-Unternehmen Ushahidi zusammen zu arbeiten. Es begründete den iHub, den führenden Coworking und Innovations Space in Nairobi, der das Model für viele auf dem Kontinent gegründeter Spaces dieser Art ist.

Aber so sehr mich das “hacken und machen” auch erfreut, ich glaube, dass es wichtig ist, auch einen kritischen Blick in die anderen Kapitel der Geschichte internationaler Entwicklung zu werfen.

Keine dieser Ideen – Infrastruktur bauen, Korruption bekämpfen, korrekte Wahlen sicherstellen, das Aufbauen von kleinen Unternehmen – war schlecht. Aber keine hat die perfekte Lösung geliefert. Sie sind alle wichtig, aber sie werden noch wichtiger, wenn wir gemeinsam an ihnen arbeiten. Und das ist ebenso richtig bei technologischen Innovationen.

Trotz der großartigen Arbeit, die im Media Lab mit dem “One Laptop per Child”-Projekt, einem ambitioniertem Projekt, das jedem Kind in einem Entwicklungsland Zugang zu einem eigenen Computer verschaffen will, geschaffen wurde, sind die Probleme der Bildungssysteme auf dem afrikanischem Kontinent kompliziert.

Selbst wenn wir Laptops in jeder Schule hätten, gäbe es immer noch Probleme sicher zu stellen, dass die Schulen ausgebildete Lehrer hätten, die genug bezahlt bekommen, dass sie auch zur Arbeit gehen, dass die Schulgebäude sicher und mit eigenen Toiletten für Mädchen ausgestattet sind, was erwiesenermaßen essentiell dafür ist, dass die Mädchen Zugang zu Bildung haben, dass die Kinder gut ernährt sind, so dass sie lernen können und, dass Absolventen den Zugang zu guten Jobs haben.

Das bedeutet nicht, dass wir aufhören sollten zu versuchen soziale Probleme mit Technologie zu lösen. Aber es bedeutet, dass bei sozialen Problemen, die wir mit der Hilfe von Technologien lösen wollen, „soziotechnologische“ Lösungen von Nöten sind, die sich die Interaktionen von Menschen und Technologie näher anschauen.

Es ist kein verantwortungsvolles Handeln für Menschen, die die Welt mit der Hilfe von Technologie verändern wollen, wenn sie nur über die Technologie, die sie bauen, nachdenken.

Das bringt mich zu meinem zweiten Punkt, der mich zu einem Ausdruck bringt, den wir in den US-amerikanischen Tech Communities momentan viel hören: Disruption.

Aber wer steckt hinter der Disruption?

Uber zerrüttet das Taxigeschäft; Airbnb das Hotelgeschäft.

Es gibt einige System in der heutigen Welt, die zerbrochen sind und denen Disruption gut täte. Aber es ist wichtig nachzufragen, wer davon profitiert und wer verliert, wenn Systeme zerrüttet werden.

In den USA ist das Taxi-Lizenzen-System extrem ungerecht und die meisten Fahrer sind extrem unterbezahlte, kürzlich eingewanderte Immigranten, die diese manchmal auch gefährliche Arbeit übernehmen, da sie wenige andere Möglichkeiten haben. Das ist ein System, in dem Disruption sinnvoll erscheint.

Aber wenn das System mit dem wir es ersetzen dem Fahrer weniger Geld gibt als das aktuelle System und mehr Geld in die Hände der abgesicherten Venture-Capital-Investoren, dann haben wir ein ungerechtes System mit einem noch schlechteren zerrüttet.

Disrupteure sehen sich gerne als Revolutionäre. Aber sie können schnell selber zur festgefahrenen Macht werden.

In den späten 1990ern war niemand in West-Afrika traurig, als das staatliche Monopol der Telefonunternehmen von Mobiltelefonanbietern zerstört wurde. Aber nun, mehr als 15 Jahre später, gehören diese Unternehmen zu den mächtigsten ökonomischen Akteuren in vielen Entwicklungsländern und es wird viel diskutiert, ob ihre Preise und der Service fair sind oder ob eine Disruption des Systems eine sinnvolle Alternative wäre.

Jetzt spricht Facebook davon die Datenpläne der Mobilfunkanbieter mit Internet.org zu zerstören und den Zugang zu einigen Teilen des Internets frei über das Mobiltelefon verfügbar zu machen. Es erscheint sinnvoll nachzufragen, ob die Disruption Facebook nicht zu einem neuen Hegemon machen würde, zum designierten Weg ins Internet und ob das eine Disruption ist, die man unterstützen sollte.

Wer darf zerstören? In diesem Moment sind es vor allem Technologen zusammen mit Unternehmern, ein Team, das sowohl einen neuen Weg ein bestimmtes Problem zu finden mitbringt als auch das Kapital um die neue Methode im großen Rahmen umzusetzen.

Aber was wäre, wenn verschiedene Gruppen von Leuten die Industrie kippen und das ungerechte System mit dem sie konfrontiert werden zerstören könnten?

Mein MIT-Kollege Sasha Costanza-Chock arbeitet in diesem Frühjahr mit Genossenschaften, die sich in Besitz der Arbeiter befinden, um zu sehen welche Art von disruptiven Innovationen diese erschaffen können, die dazu genutzt werden können die Waagschale in Richtung der Arbeiter zu neigen.

Ich beobachte die #FeesMustFall-Proteste in Südafrika sehr genau und frage mich, ob es einen Weg gibt, dass diese Studenten, die für bezahlbare Gebühren für alle Studenten auf die Straße gehen, eine Bewegung werden könnten, die disruptiv auf die gesamte höhere Bildung einwirkt und die ein System aufbaut, das zugänglich, bezahlbar und dazu geschaffen wurde, die bleibende Ungleichheit der Bildung in Südafrika zu zerstören.

Die Motivation ist wichtig

Mit anderen Worten: Technologie ist wichtig, aber ebenso wichtig ist die Motivation der Menschen, welche die Technologie in die Welt bringen.

Eines meiner Lieblingsunternehmen in Kenia ist M-Kopa Solar, welches ein Solar-System anbietet, das nur bei Nutzung bezahlt wird, das LED-Licht sowie Steckdosen an denen das Mobiltelefon geladen werden kann und die ein Radio betreiben können, mit einschließt.

Anstatt mehrere Hundert US-Dollar zu bezahlen. um ein eigenes Solar System anzubauen, kostet es ungefähr 35 US-Dollar und im Anschluss wöchentliche Zahlungen von weniger als 0,50 US-Dollar pro Tag. Das System wird aktuell von über 150.000 Haushalten in Kenia und Tansania genutzt.

Das Model des Mietens, um etwas zu besitzen (rent-to-own), bei dem die Zahlungen über das Mobiltelefon getätigt werden, ist eines der Schlüssel zum Erfolg von M-Kopa. Sie können sich vorstellen, dass es genutzt wird, um weitere Unternehmen zu versorgen, die wichtige Infrastrukturen für die Kunden mit mittlerem Einkommen bezahlbar machen.

Aber rent-to-own, durch Technologie möglich gemacht, kann auch zu einem negativen, räuberischen Geschäft werden, wie wir aus Erfahrungen in den USA gelernt haben.

Es ist weder eine gute Idee eine Technologie nur als positiv und transformativ anzusehen ohne darüber nachzudenken, wie sie genutzt wird, noch ist es sinnvoll sie ausschließlich negativ zu sehen. Die Kombination aus neuen Technologien und der Art wie wir sie nutzen, ist entscheidend in unserem Verstehen, wie Innovation uns zu sozialem Wohl bringen.

Was macht Technologie transformativ? Betrachten wir das Fahrrad.

Manche Technologien verändern mehr als andere. Im Besonderen führen Technologien auf denen Menschen aufbauen können zu Veränderung.

Betrachten wir noch einmal M-Kopa Solar. Es ist aufgebaut auf M-Pesa, dem mobilen Geldsystem Kenias. Das wiederum ist aufgebaut auf dem Mobiltelefonnetzwerk – nicht nur auf dem technischen System der Türme und Empfänger, sondern dem soziotechnologischem System der Verkäufer von Mobilfunkkarten. Viele dieser Verkäufer wurden zu Mikrobanken, die Bargeld in M-Pesa-Kredit umtauschen, sowie Geld von Telefonen abbuchen und in Bargeld ausgeben.

Es gibt einen sehr guten Grund, warum wir eine hohe Welle von Gründungen rund ums Internet sehen. Das Internet erlaubt eine nahezu unendliche Anzahl von neuen Geschäftsideen. Aber die High-Tech-Natur des Ganzen verdeckt häufig, was das Besondere des Internets als Plattform für Innovation ist: Es ist allgegenwärtig, günstig genug um es zu durchdringen und offen genug, dass wir darauf aufbauen können.

Nun möchte ich Sie einladen, über eine andere Technologie nachzudenken: Das Fahrrad.

In den afrikanischen Ländern, in denen ich gelebt und gearbeitet habe, ist ein Fahrrad günstig genug, dass die Leute es verändern können. Man sieht Menschen die Fahrräder als Antrieb für Messerschleifer nutzen, um Mobiltelefone zu laden, schwere Lasten zu tragen oder sie mit Tragen auf Rädern auszustatten um sie als Krankenwagen auf schlechten Straßen zu nutzen.

In der heutigen Zeit wird das Mobiltelefon zum Fahrrad.

Zwei Drittel der sub-saharischen Haushalte besitzen ein Mobiltelefon. Manche haben Systeme, die Patienten daran erinnern, ihre HIV-Medikamente zu nehmen. Andere helfen Kunden die Medizin, die sie einnehmen, zu verifizieren und sortieren dabei Fälschungen aus.

Lassen Sie uns auf jeden Fall nach Wegen suchen, um existierende zerbrochene Systeme zu zerstören, aber wir dürfen nicht aufhören zu fragen, wem diese Disruption hilft und wem sie schadet. Und während es spannend ist die Welt durch Technologie und Innovationen zu verändern, ist es noch wirkungsvoller durch Innovationen zu verändern, wie Menschen und Technologie zusammen arbeiten.

Mehr Fahrräder, bitte!

Dieser Artikel ist eine editierte Version eines Vortrags vom 22.Oktober zu einer Zusammenkunft von Innovatoren aus Südafrika und Massachusetts, veranstaltet von South Africa Partners, einer non-profit Organisation die Entwicklungspartnerschaften zwischen Südafrika und den USA baut.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


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The Conversation

ist Direktor des Center for Civic Media am MIT und erster Forschungswissenschaftler am MIT Media Lab. Seine Forschung bezieht sich auf die Verteilung der Aufmerksamkeit von neuen Medien, die Nutzung von Technologie für die internationale Entwicklung und die Nutzung neuer Medientechnologien von Aktivisten.


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