Internet der Dinge: Die Black Box in unserem Zuhause

Unser vernetzter Alltag basiert auf Technologie, die wir nicht durchschauen und der wir nicht vertrauen (können) – besonders beim Internet der Dinge. Vor ein paar Tagen kamen meine Kollegin und ich gut gelaunt zurück aus der Mittagspause, als unsere Unterhaltung durch ein entsetztes „oh nein“ ihrerseits unterbrochen wurde. Sie hatte in gewohnter Nach-Pausen-Routine den Laptop aufgeweckt und auf das Handy geschaut. Dieses hatte unbemerkt ein Update installiert. Resultat: Eine Handvoll neuer Apps – natürlich ohne dass vorher gefragt worden wäre. Abgesehen davon, dass hier Unternehmen ihre zumeist nervigen Eigenentwicklungen pushen, ist die Geschichte zwar ärgerlich, aber nicht richtig tragisch. Immerhin kann man die ungewollte Software wieder löschen.

Mein Telefon fragt mich einfach nicht

Der Fall zeigt aber: Unsere Endgeräte werden immer mehr zu Black Boxes. Wenn Adobe den Ask-Toolbar mitinstallieren will, dann ist zwar auch der Haken direkt bei „Ja“ gesetzt, ich muss aber zumindest noch auf „OK“ klicken. Mein Telefon fragt mich gar nicht erst.

Gerne wird das mit der erhöhten Nutzerfreundlichkeit erklärt: Man müsse das iPad nur anschalten und es funktioniere. Gerade Menschen, die wenig Technik-Expertise mitbrächten, würden so davon verschont, sich mit Installationen und Einstellungen auseinandersetzten zu müssen.

Natürlich verstehe ich den Reiz dieser Einfachheit und es scheint sogar ein natürlicher Prozess zu sein: Je weiter sich eine Technologie entwickelt, desto mehr Menschen nutzen sie, aber desto kleiner wird die Zahl derer, die die nötige Expertise mitbringen, um die Technologie wirklich zu durchschauen. In diesem grandiosen Blogbeitrag wird das am Beispiel des Autos illsutriert: Fast jeder kann es fahren, aber kaum jemand weiß noch wirklich, wie Motor & Co. funktionieren und repariert werden können.

Fehlplatziertes Vertrauen

Leider heißt das aber auch: Wir müssen Herstellern und Reparateuren vertrauen. Wenn ich nicht verstehe, warum mein A4 wie funktioniert, bin ich darauf angewiesen, dass Audi das Auto so gebaut hat, dass es vernünftig fährt. Ich kann nur hoffen, dass die Mechaniker in der Werkstatt eventuelle Fehler beheben. Leider hat sich gezeigt: Wenn es um IT geht, wird unser Vertrauen gnadenlos ausgenutzt. Hersteller bauen Hintertüren in Software. Sie sammeln unsere Daten und geben sie weiter. Es ist völlig absurd, welche Berechtigungen Facebook oder Whatsapp vom Nutzer haben wollen: SMS lesen? Ohne Nachzufragen Tonaufzeichnungen anfertigen?

Und wieso hat eigentlich mein mobiler Browser nicht die Einstellungen, auf die ich am Laptop so viel Wert lege? Cookies und Chronik nach jeder Sitzung löschen? Fehlanzeige! Per Design bin ich ständig überall eingeloggt und mein Surfverhalten ist ein offenes Buch. Wie kann es sein, dass sich ein Großteil unserer Online-Zeit vom Laptop auf das Telefon verschiebt und wir trotzdem alle Sicherheit und Privatheit in den Wind schießen. Verschlüsselte Verbindungen, Virenscanner? Eher selten. Dafür aber vollautomatisierte Daten-Uploads und Konten-Synchronisierung.

Zu bequem für Kontrolle?

Jedes Mal regt mich das auf – und trotzdem bin ich ständig über mein Telefon im Internet. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass nicht nur das Design ein Problem ist. Zwar wird es zunehmend schwerer, in die Innereien von Windows, Android oder iOS vorzudringen – das zeigt sich auch schon daran, dass mich mein Telefon bestimmte integrierte Apps einfach nicht entfernen lässt. Genauso tragisch aber ist: Wir wollen oft auch gar nicht.

Wir klicken so schnell auf „akzeptieren“, wenn Whatsapp mal wieder neue Berechtigungen braucht nach einem Update, dass zur Reflexion keine Zeit bleibt. Aus irgendeinem Grund haben wir uns mit dem Kontrollverlust wunderbar arrangiert. Das gilt auch für Hardware. Selbst aufschrauben? Nicht vorgesehen! Und wenn mal was nicht funktioniert wie es soll, ist es eh meist an der Zeit, sich ein neues Endgerät zuzulegen. (Sarcasm? Yes! Die Alternative: z.B. Phoneblocs)

Der Kontrollverlust betrifft aber längst nicht mehr nur unsere Telefone und Laptops. Im hochtechnologisierten Wohnzimmer von heute lässt sich die Anlage übers WLAN vom Smartphone aus steuern, über Apple TV wird über Watchever Big Bang Theory geguckt und das SODOKU kann man direkt auf den großen Bildschirm streamen.

Datenkrake Kühlschrank

Natürlich ist das genial. Wenn aber mein Fernseher meine Serien-Gewohnheiten direkt an den Hersteller weitergibt, schwindet meine Begeisterung. Natürlich kann man das in vielen Fällen abstellen. Aber selbst wenn wir das können, wer von uns kommt überhaupt auf die Idee dass das notwendig ist? Wer weiß überhaupt, was der neue Fernseher da im Hintergrund treibt? Und wie glücklich bin ich, wenn mein Kühlschrank meine Essgewohnheiten aufzeichnet und diese dann zufällig bei meiner Krankenkasse landen, die mir wegen überhöhtem Schokoladenkonsum einen Beitragszuschlag verpasst? Und will ich wirklich, dass Google bei meiner nächsten Suche nach warmen Pullis automatisch meine Raumtemperatur erhöht? Was wir dagegen machen können? Gar nichts, denn wir haben keine Ahnung, was da in unseren Technologie-Black-Boxes passiert.

Die Black Box muss transparent werden

Nicht falsch verstehen, ich möchte unbedingt ein voll vernetztes Wohnzimmer, einen intelligenten Kühlschrank und smarte Stromversorgung. Ich möchte aber wissen, wer wann welche Daten sammelt und weitergibt – und ich möchte nein sagen können. Ich möchte gefragt werden, bevor Software auf meinen Endgeräten installiert wird und ich will all das runterschmeißen, was mir nicht in den Kram passt. Und am liebsten – am liebsten möchte ich Internet-Unternehmen, die das genauso sehen.


 


(Tinka) arbeitet und forscht am Lehrstuhl für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik an der Zeppelin Universität (ZU) in Friedrichshafen. Nach ihrem Bachelorstudium an der International Business School in Groningen in den Niederlanden absolvierte sie an der ZU einen Master in Politik- und Verwaltungswissenschaften. Tinkas Forschung konzentriert sich auf die Rolle des Bürgers in der digitalen Demokratie. Außerhalb von Deutschland hat Tinka schon in Frankreich, den Niederlanden, Kanada und Spanien gelebt und spricht die jeweiligen Sprachen. Momentan arbeitet sie daran, der Liste noch Arabisch hinzuzufügen. Tinka reitet, rudert, fährt Snowboard und ist überzeugter Werder-Fan.


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