Die Zeppelin Universität in Friedrichhafen am Bodensee liegt geographisch zwar eher abgelegen aus der Sicht der digitalen Hotspots wie Berlin, Hamburg, Köln und München, aber von dort machen immer wieder erfolgreiche Start-ups von sich reden. Jetzt hat die Präsidentin, Prof. Dr. Insa Sjurts, das Gründerzentrum PioneerPort geschaffen. Es soll jungen Gründern mit frischen Ideen auf den Markt helfen. Unser Gastautor Andreas Wrede hat mit ihr gesprochen über das neue interdisziplinäre Start-up Gründerzentrum zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik.
Bevor es zur Gründung des PioneerPort kam, Frau Sjurts, welche erfolgreichen Start-ups sind aus der Zeppelin Universität (ZU) hervorgegangen?
Die ZU ist seit jeher Gründeruniversität. So gab es schon vor der institutionellen Einrichtung des PioneerPort an unserer Universität immer wieder Gründungsvorhaben, die weit über Friedrichshafen hinaus Beachtung erfahren haben. Und das alles lange vor der Zeit, als Hochschulen breitflächig das Thema Gründung für sich entdeckt haben. Nennen könnte ich hier – und das ist wirklich nur beispielhaft –„DeinBus.de“, „blogfoster“, „Parkpocket“, „knusperreich“ oder aber auch „GoodJobs“.
Bei GoodJobs handelt es sich um eine Plattform, auf der Interessierte Jobs mit gesellschaftlicher Wirkung finden – egal ob es um die Themen Nachhaltigkeit, Bildung, Innovation oder Soziales geht.
blogfoster ist eine Softwarelösung zur individuellen Monetarisierung und Analyse von Blogs weltweit. Alle Bereiche der Webseitenvermarktung, die vormals von Vermarktern und Agenturen für Webseitenbetreiber abgewickelt wurden, können nun über das einfach zu bedienende Drag & Drop-Interface von blogfoster gesteuert werden – auch via Tablet oder Smartphone. Die Einbindung von blogfoster funktioniert innerhalb einer Minute und in jede Webseite.
Das Ziel von Parkpocket ist es, über ein innovatives Parkplatz-Sharing-Konzept Vermieter von Parkplätzen und potentielle Mieter zusammen zu bringen. Dieses Start-up ist inzwischen eine eigenständige Abteilung bei der Continental AG.
knusperreich war der erste Online-Anbieter ofenfrischer Bio-Cookies in Deutschland. Die 14 exklusiven Kreationen werden in Handarbeit und mit Bio-Zutaten gebacken und anschließend versendet. Dabei stand die Ofenfrische besonders im Vordergrund: Gebacken wurde nur auf Bestellung, nicht auf Lager. Eine schnelle Abwicklung sorgte zusätzlich dafür, dass innerhalb von 24 Stunden nach Herstellung die Bestellung beim Kunden ankommen. Unsere Gründer haben das Start-up inzwischen an mymuesli veräußert.
Zuletzt sei noch der Pionier im deutschen Busmarkt DeinBus.de zu nennen. DeinBus.de hat die Liberalisierung des Bus-Fernreise-Verkehrs vor Gericht erstritten und als erstes Unternehmen jenseits der Bahn ein eigenes Streckennetz durch Deutschland angeboten.
Seit 2017 finden unsere Studierenden in der Co-Working-Fläche des PioneerPort und mit dem dortigen Coaching und den Workshop-Angeboten erstmals einen Hafen für ihre außergewöhnlichen Gründungsideen. So wollen wir den Gründer-Spirit weiter befördern und sichtbar machen.
Wie kam es zur Idee bzw. zur Gründung des ZU PioneerPort, wie lange hat es gebraucht bis das Konzept entwickelt war?
Die Idee war leicht gefunden, denn die ZU versteht sich seit ihrer Gründung im Jahr 2003 als Gründeruniversität. Sie war damals selbst Start-up. Und sie trägt den Namen eines der bedeutendsten Pioniere schlechthin, nämlich Ferdinand Graf von Zeppelin. Deshalb lag es in der Natur der Sache, Gründungsaktivitäten unserer Studierenden aktiv zu unterstützen. Dies geschah zwar schon immer, allerdings auf vielfältige Weise und mit sich weiter entwickelnden Konzepten.
Mit der Einrichtung des PioneerPort in Form eines Co-Working-Spaces an unserem SeeCampus haben wir dem Gründertum nun auch institutionell ein Gesicht gegeben. Das Beratungs- und Workshop-Angebot zu gründungsrelevanten Themen, das den Gründerteams nach einem zweistufigen Auswahlverfahren zur Verfügung steht, ist professionell und erfolgsorientiert. Wir wollen unsere Teams nach vorne bringen.
Von der Konzeption bis zum Start des PioneerPort verging dabei nur knapp ein halbes Jahr. Seither steht die Entwicklung aber nicht still. Wir sammeln laufend Erfahrungen, verbessern hier und optimieren da. Es ist ein laufender Prozess. Vor allem unser Netzwerk entwickelt sich hochdynamisch, der Kranz der Partner wächst schnell. Und so soll es weitergehen. Sich selbst als Start-up begreifen und mit immer neuen Ideen dem Thema Gründertum an unserer Universität Raum und Sichtbarkeit geben.
Haben Köpfe außerhalb der ZU an der Konzeption mitgewirkt?
Aber ja! Allen voran ist hier unser Gründercoach und Mitglied im Leitungsteam des PioneerPort Thomas Brandt zu nennen. Er war zuvor Geschäftsführer der Luftschiffbau Zeppelin GmbH und hat in seiner Vita weitere spannende Stationen, wie CFO bei Greenpeace oder auch Mitglied in der Geschäftsführung bei Dornier aufzuweisen. Mit seinem einzigartigen Kompetenz- und Erfahrungshintergrund ist er der ideale Gründercoach für unsere studentischen Start-ups und steht ihnen gerade in der von uns geförderten Seed-Phase als Mentor, Coach und Freund zur Seite.
Auch mit Corporates, die sich auf der Fläche mit Ausgründungen niedergelassen haben, stehen wir in Austausch. Dabei handelt es sich vorwiegend um die Innovationsabteilungen, welche beispielsweise neue Geschäftsmodelle entwickeln. Der Dialog von studentischen Gründerteams und Corporates ist eine Win-win-Situation für beide Seiten.
Und schließlich haben wir gebündelte Expertise in unserem Beirat des PioneerPort. Hier kommen regelmäßig gründungsinteressierte und gründungsaffine Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammen und bringen mit ihren Ideen und Kontakten die Entwicklung des noch jungen Gründerzentrums voran.
Wie viele Teams haben im ersten Jahr den PioneerPort durchlaufen, welche Teams würden Sie dabei besonders hervorheben wollen bzw. welche Teams werden in 2019 weitergefördert?
Die Förderung bezieht sich immer auf sechs Monate mit der Möglichkeit, sich danach nochmals für eine Anschlusszeit von weiteren sechs Monaten zu bewerben. In der ersten Kohorte konnten wir vier, in der zweiten Kohorte schon zwölf Gründerteams im PioneerPort begrüßen.
Teams, die sich schon Sichtbarkeit erarbeitet haben, sind beispielsweise „bewelo“ und „laketyre“. „bewelo“ ist eine Plattform zum Gesundheitsmanagement, die eine Incentivierung des Fahrradfahrens anstrebt. Die Idee von„laketyre“ ist der B2B-Handel mit Reifen und Felgen; das Team konnte bereits im ersten Jahr einen hohen sechsstelligen Umsatz generieren.
Zu Beginn des Jahres 2019 wachsen wir nochmals: es werden dann insgesamt 15 Gründerteams auf der Fläche des PioneerPort beheimatet sein. Fünf der Teams befinden sich dabei in der zweiten Förderphase.
Inwieweit würden Sie sagen, dass der PioneerPort für andere Universitäten Vorbild-Charakter hat und wohin soll der weitere Weg des PioneerPort noch führen – gibt es eine Vision?
Der PioneerPort hat ganz viel zu tun mit der Region. Er befindet sich am Bodensee und er liegt in Baden-Württemberg – also in dem Bundesland, das gerade als die EU-Region mit dem höchsten Innovationspotential identifiziert wurde. Ausgehend vom universitären Hintergrund will unser Gründerzentrum Impulsgeber und Moderator sein der Gründerszene am Bodensee. Wir wollen einen aktiven Beitrag leisten, dass diese Region auch über ihre Grenzen hinaus so erkannt wird wie sie ist: nämlich als eine hochdynamische und ideenstarke, genuin internationale Community mit einer langen Historie großer Vordenker und einer Dichte von kreativen Potentialträgern, die so ihresgleichen sucht.
Und vielleicht noch ein Aspekt, der den PioneerPort besonders macht: Bei uns hat auch das mehrwertige Unternehmertum seinen Platz. Für uns ist Unternehmertum mehr, als nur die Bereitstellung von preiswerteren, innovativeren oder einfach zusätzlichen Gütern und Dienstleistungen.
Uns ist daran gelegen, Lösungen für gesellschaftliche Problemstellungen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bereitzustellen. Dabei muss nicht zwingend die ökonomische, sondern kann auch beispielsweise die soziale, kulturelle oder ökologische Wertschöpfung im Vordergrund stehen. In diesem Sinne „mehrwertige“ Unternehmensgründungen von Studierenden und weiteren Partnern, werden damit zu einem gesellschaftlich verantwortlichen Transfer zwischen Universität und Gesellschaft.
Auffallend ist, dass in Deutschland in den meisten Start-ups Frauen noch deutlich unterrepräsentiert sind. Woran liegt das, braucht es eine Start-up-Quote?
Dieses Phänomen beobachten wir auch bei uns im PioneerPort. In unseren Gründerteams sind nur zehn Prozent der Gründer Frauen. Das soll anders werden, auch hier wollen wir Impulse setzen. Aber wir wollen bestimmt keine Quote installieren. Wir wollen vielmehr Female Founder ermutigen, sich zu zeigen. Wir wollen sie in ihren Gründungsideen begleiten. Die Universität ist dafür ein idealer Raum. Und wir gehen auch wissenschaftlich dem Thema nach, wie wir weibliche Gründer noch besser ermutigen und fördern können: Ein Mitglied unseres Leitungsteams arbeitet hier an einer entsprechenden Studie. Es gibt in Wissenschaft und Praxis noch viel zu tun.
Wo steht der PioneerPort in zehn Jahren, Frau Sjurts?
In zehn Jahren steht der PioneerPort für ein dynamisches und verantwortungsbewusstes Gründerzentrum am Bodensee, in dem junge Gründerinnen und Gründer – begleitet durch erfahrene Praktiker und je nach Wunsch auch durch Wissenschaftler unterstützt – mutig Gründerideen entwickeln und zur Marktreife bringen können. Das alles in einem geschützten Raum, wie ihn nur eine Universität bieten kann, die selbst durch ihre eigene Geschichte noch ganz nah ist an der Start-up Idee. Der Mut, Neues nicht nur zu denken, sondern auch umzusetzen, liegt in unserer Universitäts-DNA. Das geben wir unseren Gründerinnen und Gründern mit. Und wir geben ihnen mit, dass Scheitern kein Manko ist, sondern von unschätzbarem Wert, wenn man damit richtig umgeht.
Und was ich mir auch in 10 Jahren erhoffe: Eine noch intensivere Verbindung mit den Corporates der Region in allen Fragen rund um Gründung. In der Bodenseeregion liegt so viel Potential. Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir es heben und sichtbar machen.
Und schließlich wollen wir unsere jungen Gründer auch hier in Friedrichshafen und in der Region halten. In einer Region, die ihresgleichen sucht: Quasi eingebaut international, mit Weltmarktführern aus unterschiedlichen Branchen, Hidden Champions bei den kleinen und mittleren Unternehmen. Wenn das zusammen kommt mit mutigen Querdenkern – wer braucht dann noch Berlin?
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Schlagwörter: gründer, Gründertum, Insa Sjurts, mehrwertiges Unternehmertum, PioneerPort, Start-ups, Zeppelin Universität