Japans neues Zeitalter: Tradition und Moderne kombiniert

Viele Menschen sind von Japan fasziniert. Man stellt sich ein Land vor, das zwischen zwei Sphären existiert. Einerseits gibt es dort die traditionelle „alte Welt“ mit Tempeln, Teezeremonien und kalligraphischen Kirschblüten. Andererseits leuchtet hier auch eine futuristische „neue“ Welt voller Hochgeschwindigkeitszüge, KI-Hunden und trendigen Spielekonsolen.

In Form von Mangas und Animes, Spielen wie Pokemon Go!, Filmen und sogar Snacks (möchte jemand ein Maccha-KitKat?) hat die japanische Popkultur dies alles zu einem süchtigmachenden, spaßigen Potpourri für den Westen zusammengemixt.

Egal ob es futuristische Mecha-Roboter sind, die auf den alten Hängen des Mount Fuji herumstapfen oder J-Pop-Stars, die wie Plastikpuppen in Seidenkimonos glänzen – wir sind süchtig nach einem Genuss, den es nur in Japan gibt. Müsste man etwas erfinden, was dieses Gefühl fassbar macht, wäre es wohl eine Art elektronisches Sushi: etwas Traditionelles, das mit einer Innovation gepaart wird, woraus ein perfekter Snack aus dem Alten und dem Neuen entsteht. Aber was wissen wir wirklich über das heutige Japan – abgesehen von ‚Kawaii‚ (Niedlichkeit), Ninjas und dieser mysteriösen Geschmackssensation Umami?

2D- und 3D-Welten bewohnen

Ganz im typischen japanischen Stil, in dem man das Zwischenleben (alt und neu, Ost und West, salzig und süß) liebt, ist das 2,5-dimensionale Theater eine digital-technologische Kunstform, die zwischen 2D- und 3D-Welten existiert. Es begann ursprünglich als fanbasierte Idee und entwickelte sich innerhalb der letzten zehn Jahre zu einer gefestigten Industrie und Institution mit ihren eigenen Rechten. Produktionen der 2,5 Dimension machte die 2D-Welt von Manga, Anime und Videospielen auf einer 3D-Ebene lebendig und nutzen die neuesten digitalen Entwicklungen und Kommunikationsplattformen.

Die Nutzung von sozialen Netzwerken, Smartphones und anderen Technikspielereien (wie etwa Brillen, die Untertitel einblenden) bereichern die Erfahrung des Publikums, indem man sich noch mehr und intensiver beteiligen soll. Das 2,5-dimensionale Theater kommt aus einem Land mit einer langen Geschichte von künstlerischen Bühnenproduktionen – von Noh und Bunraku bis zu Kabuki – und ist damit ein perfektes Beispiel für zahlreiche japanische Kreativindustrien, alte und neue, die durch die digitale Technologie zusammenkommen, um vollkommen neue Erfahrungen zu schaffen.

Solche digitalen Phänomene zeigen, dass die Gesellschaft immer öfter auch Augmented Reality nutzen möchte. Produkte und Leistungen motivieren die Nutzer, immer wieder neue Wege zu suchen, um Realitäten durch digitale Technologien noch echter darzustellen. Es gehört zur Norm, uns zu digitalisieren (wie diejenigen, die ihre Fitnessdaten durch Fitbits generieren) und unsere Leben sind dauerhafte, personalisierte, winzige 2D-Dimensionen.

Beispielsweise handelt es sich bei der Ricoh THETA SC um eine virtuelle Kamera, die 360-Grad-Bilder aufnimmt und Nutzern hilft, ihre eigene “Zwischenrealität” zu erschaffen. Vor wenigen Wochen wurde eine limitierte Edition „Hatsune Miku“ veröffentlicht. Die Nutzer können nun neben dem beliebten virtuellen Sänger in jeder Umgebung ihrer Wahl „existieren“.

Roboter und digitale Währungen

Shinzo Abe, der japanische Premierminister, untersucht eine Anzahl von Ressourcen „um Roboter als Grundpfeiler für unsere wirtschaftliche Wachstumsstrategie zu machen“, die während der Olympiade im Jahr 2020 in Tokio zur Schau gestellt werden sollen. Gefeiert als der „vierte Pfeiler“ von Abenomics, scheint Tokio 2020 tatsächlich Anreize für die Regierung geboten zu haben, um Japans „weiche“ Macht anzukurbeln (unvergessen bleibt Abe als Super Mario während der Abschlusszeremonie in Rio 2016) und die Position des Landes als Weltmacht zu stärken. Auch hier gestaltet die digitale Technologie den Weg.

Japanische Banken haben Pläne für die Einführug digitaler Währungen angekündigt. Ihr Ziel ist es den J-Coin in Japan bis 2020 in Umlauf zu haben – auch soll Tokio wieder als finanzielles Zentrum etabliert werden.

Gleichzeitig arbeitet Toyota, einer der größten Sponsoren für Tokio 2020, an selbstständig fahrenden Autos, die in der Nähe der Veranstaltungsorte während der Olympiade genutzt werden. Die japanische Regierung plant außerdem das Straßennetzwerk des Landes, um eine digitale Infrastruktur zu bieten.

Neben all dem Hi-Tech ist es auch faszinierend, wie große digitale Plattformen wie Uber und AirBnB tatsächlich in Japan scheitern – und zwar Dank rechtlicher, sozialer und kultureller Gründe. In gewisser Hinsicht zeigt dies den Druck Japans auf, das westliche und selbstprojizierte Bild eines Landes zwischen den Welten beizubehalten. Ist es für Japan möglich, zugleich alt als auch neu zu sein und dabei in seinen eigenen gegensätzlichen Spannungen gefangen zu sein?

Japan ist wahrscheinlich an der Spitze einer digitalen Revolution. Aber wenn eine dieser Innovationen global wird, werden sie trotzdem den Stempel des japanischen, eben etwas eigenen Charakters haben, der das Land so einzigartig macht.


Image (adapted) „Japan“ by Andre Benz (CC0 Public Domain)


ist eine interdisziplinäre Wissenschaftlerin, die sich auf kritische Analysen von Gender, Race / Queerness und Technologie spezialisiert hat. Momentan ist sie Dozentin der Abteilung für Sprachen, Information und Kommunikation an der Manchester Metropolitan University.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert