Jugend hackt: Programmiernachwuchs in Nord, Süd, Ost und West

Die Veranstaltung „Jugend hackt“ möchte Jugendlichen einen Raum geben, in dem sie Programmieren lernen und so ihre Ideen gemeinsam verwirklichen können. Ich mochte Computer von klein an. Hackte MS-DOS-Befehle in den Rechner meines Vaters, suchte nach Cheats für die Games, die ich von meinen Cousins bekam und besuchte später ein Gymnasium mit Informatikschwerpunkt. Über ein paar Grundlagen in Turbo Pascal, HTML und fortgeschrittene Office-Anwendung kamen wir aber leider nicht hinaus. Ich hätte gerne mehr gelernt – aber wäre niemals auf die Idee gekommen, Informatik zu studieren. Weil: Ich wollte später nicht tagelang alleine vor einem Computer sitzend arbeiten. Ich wollte Teamarbeit und Kreativität – und hatte einfach keine Ahnung, dass das auch als Informatikerin möglich ist. Alles was ich über diesen Beruf wusste, entstammte seltsamen Kinoklischees.

Zehn Jahre später hat sich zwar in der öffentlichen Wahrnehmung einiges verändert – aber junge Talente, die sich für IT und Software-Entwicklung interessieren, werden in Deutschland immer noch zu wenig gefördert. Was sie können, bringen sie sich meistens selbst bei, und auf Gleichgesinnte treffen sie meist nur online. Welche Möglichkeiten sie mit ihren Fähigkeiten haben, das dürfen sie selbst herausfinden. Wie viele Talente der Branche so vielleicht für immer verloren gehen, lässt sich schwer abschätzen.

Teil einer Jugendbewegung

Die Open Knowledge Foundation, die sich für offenes Wissen, offene Daten, Transparenz und Beteiligung einsetzt, möchte das ändern – und hat 2013 gemeinsam mit mediale pfade die Veranstaltung Jugend hackt ins Leben gerufen: 63 programmierbegeisterte Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren kamen an einem Wochenende zusammen und setzten gemeinsam 15 Softwarte- und Hardwareprojekte um. Im Jahr 2014 stieg die Zahl der Teilnehmenden bereits auf 120. Begleitet werden die Veranstaltungen von ehrenamtlichen MentorInnen. Am wichtigsten für die Jugendlichen ist aber wohl der Austausch mit Gleichgesinnten, wie auch dieses Video mit Eindrücken von Jugend hackt Berlin zeigt:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Ein Wochenende mit Wirkung

Jugend hackt dauert zwar nur zwei Tage lang – hinterlässt aber einen bleibenden Eindruck, wie die Masterarbeit von Paula Glaser zeigt, die untersucht, ob Jugend hackt seine selbst gesteckten Ziele tatsächlich erreicht. Glaser studierte Medien in der Bildung an der PH Freiburg/FH Offenburg und ist mittlerweile Projektmanagerin bei Jugend hackt. Nach den Ergebnissen ihrer Arbeit gefragt erzählt sie:

Die Jugendlichen konnten sich nach der Veranstaltung beispielsweise signifikant besser mit ihrer Vorstellung einer typischen Programmiererin oder eines typischen Programmierers identifizieren. Außerdem hatten sie signifikant mehr Lust darauf gemeinsam mit anderen an Programmierprojekten zu arbeiten. Ich konnte somit belegen, dass Jugend hackt die Jugendlichen in ihrem Selbstverständnis als Programmierer/innen stärkt und sie zu kooperativer Arbeit anregt.

Ein tolles Ergebnis – aber Glaser sieht auch Verbesserungsbedarf: “Wir haben zwar durchschnittlich etwa 25 Prozent Mädchen bei Jugend hackt, das ist schon ziemlich gut für gemischte Technikveranstaltungen, aber natürlich gibt es da Luft nach oben. Auch beim Bildungs- und Migrationshintergrund würden wir gerne noch etwas diverser werden.

Die Ausweitung der Hackerzone

Eine erste Reaktion auf die Ergebnisse von Glasers Masterarbeit gibt es bereits. Da sich die Jugendlichen am häufigsten eine zeitliche Ausdehnung sowie häufigere regionale Treffen wünschten, findet Jugend hackt 2015 erstmals an vier Standorten statt und eine durchgängigere Vernetzung der Jugendlichen ist geplant.

Jugend hackt Ost in Dresden und Jugend hackt Süd in Ulm sind bereits erfolgreich über die Bühne gegangen, nun stehen noch Jugend hackt West und Jugend hackt Nord in den Startlöchern. Um die Ausweitung des Förderprogramms zu finanzieren sowie den Jugendlichen die Reisekosten erstatten zu können, bittet die Initiative auf betterplace.org um Unterstützung.

In Hamburg wird Jugend hackt von Theresa Grotendorst und Stephanie Weber in ihrer Freizeit organsiert. Sie planen die erste Ausgabe in der Hansestadt mit circa 50 Teilnehmern im September. Ich habe ihnen ein paar Fragen gestellt:

Wie kam es dazu, dass ihr Jugend hackt Nord organisiert?

Theresa: Ich habe selber einen IT-Background und war hier in Hamburg bereits ehrenamtlich als Coach tätig, um Jugendliche im Bereich IT zu fördern. Als ich letztes Jahr das Jugend hackt Camp in Berlin verfolgt habe, war ich sofort begeistert. Ich dachte, so etwas muss es auch in Hamburg geben!

Stephanie: Ich habe letztes Jahr an Coding da Vinci teilgenommen, einem Kulturhackathon in Berlin. Dort wurde ich von einer OKFN Mitarbeiterin überzeugt, als Mentorin bei Jugend hackt 2014 mitzumachen. Die Jugendlichen dort haben mich total geflasht, die Projekte, die diese in kürzester Zeit umgesetzt haben und die Begeisterung, mit denen sie an diesen gearbeitet haben, haben mich selber viel gelehrt und motiviert. Ungefähr ein halbes Jahr später habe ich Theresa auf einem Event kennengelernt und als sie mich fragte, ob ich mit ihr Jugend hackt dieses Jahr in Hamburg organisieren möchte, musste ich nicht lange überlegen!

Hättet ihr selbst vielleicht einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen, wenn es in eurer Jugend ähnliche Initiativen gegeben hätte?

Theresa: Definitiv! Mein Faible für IT/Tech hat sich erst im Laufe meines Studiums herauskristallisiert. Hätte mich jemand früher in diesem Bereich bestärkt, hätte ich sicher direkt Informatik studiert.

Stephanie: Auf jeden Fall. Ich war technologisch schon immer sehr affin, aber wusste als Jugendliche einfach nicht, dass man außer Computerspiele spielen noch so viel mehr machen kann. Erst in meinem Master habe ich mich an Processing und Arduino rangetraut. Wäre ich schon früher mit diesen Dingen in Berührung gekommen hätte ich mich sicher viel mehr damit beschäftigt und mein Kommunikationsdesigns-Studium mit Informatik ergänzt.

Was motiviert euch, eure Freizeit in dieses Projekt zu stecken?

Theresa: Die Ideen, die die Jugendlichen entwickeln und in die Realität umsetzen, lassen einen immer wieder Staunen, denn Innovation und Kreativität kennen hier noch keine Grenzen! Außerdem macht es natürlich großen Spaß mit einem tollen Team ein solches Event auf die Beine zu stellen!

Stephanie: Ich finde dass es viel mehr solch toller Initiativen geben müsste. Diese Jugendlichen sind unsere Zukunft und zu sehen, wie diese ein ganzes Wochenende lang hochmotiviert an tollen, teilweise sehr gesellschaftskritischen und hoch politischen, technologischen Projekten arbeiten und wie stolz sie am Ende auf diese sind, entschädigt für alles.

Wie kann man euch – außer durch Spenden auf betterplace.org – noch unterstützen?

Stephanie: Zur Zeit suchen wir noch MentorInnen, die Lust haben, die Jugendlichen vor Ort bei Ihren Projekten zu unterstützen. Außerdem natürlich Leute und Institutionen, die Hardware zur Verfügung stellen können (3D Drucker, Laser Cutter, Arduinos, Raspberry Pis etc.), sowie Kontakte zu Schulen und Bildungsträgern, Multiplikatoren und Presse.

Weiterführende Links:


Image (adapted) „DSC_7200“ by Open Knowledge Foundation Deutschland (CC BY-SA 2.0)


 

arbeitete einige Jahre als Kultur-Journalistin, bevor es sie in eine Digitalagentur verschlug, wo sie Kommunikationsstrategien mit Schwerpunkt Social Media entwickelt. Wenn sie nicht arbeitet, leitet sie das Hamburger Quartier der Digital Media Women, hängt auf Konferenzen oder Konzerten ab und bloggt über urbanes Leben, Gesellschaft und Kultur. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert