“Wir telefonieren Sonntag um 12 Uhr, einverstanden?”, schreibt ein Bekannter von mir, den ich über einige Insights aus der Hotelbranche ausfragen will. Früher hätte ein schneller Blick in den Kalender gereicht, um die Frage mit ja (oder nein) zu beantworten und einfach den Termin einzutragen. Seit dem ich als digitaler Nomade unterwegs bin, leuchten bei solchen Anfragen rote Alarmzeichen auf und die Konzentration wird hochgefahren. Willkommen in der Zeitmatrix.
Die Welt ist längst vernetzt, Standorte werden immer weniger wichtig. Doch die Sonne geht weiterhin nicht an jedem Ort der Welt gleichzeitig auf. Wer als digitaler Nomade mobil und international arbeitet ist, hat oft komplizierte Verabredungen vor sich. Und den meisten von uns fehlt der goldene Engel eines Assistenten (m/w – Bewerbungen gerne per Mail an mich), der uns das alles abnimmt. Wenn, wie in diesem Moment, die Verabredung auf Hawaii arbeitet, ich mich im östlichen Australien befinde und einen Flug nach Südostasien vor mir habe, dann droht das klassische Zeitzonenchaos.
Einfach andere Zeiten.
Von Deutschland aus gesehen und solange ich nur einfache Hin- und Rückreisen vor mir hatte, war die Sache mit den Zeitzonen einfach. Nach nach Westen reisend geht die Zeit “weg”, nach Osten reisend kommt die Zeit “obendrauf”. Bangkok liegt östlich von Deutschland, also rechnete ich immer sechs Stunden obendrauf. Easy.
Diese Regel gilt natürlich grundsätzlich überall auf der Welt, also auch zwischen Bangkok, Brisbane und Nassau. Allerdings muss man immer bedenken, dass man sich nicht mehr bei GMT+0 befindet, sondern irgendwo anders. Am Anfang passierte es mir daher sehr schnell, dass ich auf die Stunden Zeitunterschied zurückgriff, die ich mir von Deutschland aus gemerkt hatte. In Bangkok sitzend sind es nach Brisbane aber natürlich “nur” drei Stunden Zeitunterschied, nicht neun oder zehn (je nach Sommer- oder Winterzeit) nach Deutschland. Jaja, genau, und man muss sich merken, ob das jeweilige Land eine Zeitumstellung hat.
Samstag oder Sonntag? Hauptsache Wochenende. Fast!
Ein weiteres Problem ist die Datumsgrenze. Denn die Zeit nimmt nur von Zentraleuropa aus zu oder ab und das maximal 12 Stunden (GMT+13 gibt es bekanntlich nicht). Der Zeitunterschied von Brisbane nach Hawaii mag also “nur” vier Stunden betragen, was den Sonnenstand und die “reale” Zeit angeht. Tatsächlich ist Brisbane (GMT+10) aber bereits einen Kalendertag weiter als Hawaii (GMT-10). Die einfach Westen-weg-Osten-obendrauf-Regel scheitert.
Mein Telefonat sollte also auf Hawaii am Sonntag um 12 Uhr morgens stattfinden, was in Brisbane 8 Uhr morgens seien sollte – aber an einem Samstag – und wiederum 5 Uhr nachts (!) in Bangkok, also schon fast noch Freitag. Wie trage ich mir das jetzt in den Kalender ein, wenn ich noch in der Zeitzone von Brisbane bin, zur Zeit des Telefonats aber in der von Bangkok? Leider hilft die Technik nur bedingt weiter. Sie verursacht sogar noch weitere Probleme in der Zeitmatrix.
Flüchtigkeitsfehler verhindern
Es hat ein bisschen gedauert bis ich mich zum einen an die viele Variablen gewöhnt hatte und bis ich auch technisch eine Lösung gefunden hatte, die einigermaßen resistent gegen Flüchtigkeitsfehler ist. Denn natürlich ist das alles kein Problem, wenn man Zeit hat und Ruhe. Aber im Eifer des Gefechts bin ich über jeder potentielle Fehler weniger froh. Was mir hilft ist der Kalender von Google, bestimmte Einstellungen dort und ein kleiner weiterer Trick, der schon fast analog ist.
In den Kalendereinstellungen kann man sich eine Primär- und Sekundärzone anzeigen lassen. Anfangs hoffte ich noch mehr Zonen anzeigen lassen zu können, aber die UX Designer von Google haben das schon richtig gemacht, wie ich finde. Mehr Zonen würden unübersichtlich werden.
Für mehr Zeitzonen auf einen Blick kann man sich nämlich im Google Kalender eine Weltzeituhr anzeigen lassen, die alle Uhrzeiten umfasst, die man vorher ausgewählt hat. Beide Einstellungen sind leider bei Kalender von Apple nicht vorhanden. Falls doch, freue ich mich über Hinweise!
Bug in der Zeitmatrix
All das hilft jedoch nur bedingt, wenn man in eine andere Zeitzone reist. Hier lauert die wahrscheinlich größte potentielle Fehlerquelle, der Mega-Bug für die Zeitmatrix. Denn wenn zum Beispiel der Computer oder das Smartphone erst recht spät “merkt”, dass es die Zeitzone gewechselt hat, droht wieder Verwechslungsgefahr. Deshalb lohnt es sich, mal die Datums- und Uhrzeiteinstellungen des Smartphones, Rechners (Mac, Windows 10) und ggf. Cloudservices zu prüfen und hier den automatischen Wechseln in die Zonen entweder überall ein- oder auszuschalten.
Ich bevorzuge inzwischen Letzteres. Denn viel besser wird die Gesamtlage nicht, wenn nur ein Gerät die neue Zeitzone erkennt und dann versucht die anderen Geräte zu aktualisieren, die dann wiederum erst später den Wechsel bemerken und wieder den Termin um ein paar Stunden verschieben. Oder was, wenn ich Flieger einen Termin eintrage, aber schon die Zeit des Ankunftsorts auswähle? Weil ich meine innere Uhr (=meine analoge Uhr am Handgelenk) wegen des Jetlags gerne schon bei Abflug auf den Ankunftsort einstelle, passiert auch das gerne mal.
Hilfe naht und sie ist (fast) analog
Wegen all diesen möglichen Fehlerquellen gehe ich auf Nummer sicher und trage mir in den Google Kalender alle Termine so ein, dass die lokalen Zeit vorangestellt ist, auf die es am meisten ankommt. Wenn ich in Bangkok auf meinen Termin schaue, der mit “12 Uhr Hawaii-Zeit” beginnt, dann weiß ich immer, dass ich besser noch einmal genau checke, wie viel Uhr das bei mir ist. Dann ist nämlich sowohl die Zeitzone, in der ich mir den Termin eingetragen habe, herzlich egal, wie auch ein eventueller Wechsel der Zeitzone. Hauptsache, auf Hawaii klingelt Sonntag um 12 Uhr das Telefon. Von automatisch eingetragenen Terminen lasse ich übrigens so weit es geht die Finger. Vor allem von denen, die mit den nächsten Flugtickets kommen. Das kann doch nur schiefgehen!
Eine Alternative möchte ich jetzt natürlich nicht verschweigen. Sie ist ziemlich oldschool und gänzlich analog: Das spontane, persönliche Treffen. Schon immer war mir das auch das Liebste, insbesondere, wenn es zu meiner Lieblingsuhrzeit stattfindet.
PS: Das Arbeiten aus und für unterschiedliche Zeitzonen, hat aus meiner Erfahrung viele Vor- und Nachteile. Was das genau ist, erfahren sie in meinem nächsten Artikel.
PPS: Der Versuchung bin ich bisher widerstanden, einen Termin für die gleiche Uhrzeit ausmachen, die gerade herrscht, dann einfach über die Datumsgrenze zu fliegen und einige Stunden später – aber zur gleichen Uhrzeit – den Termin wahrzunehmen. Solche Späße überlasse ich dann doch Marty McFly. Und denjenigen, die gar kein Gewissen mehr haben, was ihre CO2-Bilanz angeht. Oh: Auch ein gutes Thema!
Image by Katsche Platz
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Schlagwörter: Digital Nomad, Kalender, Zeitzone