Der AdTech-Markt, in dem sich Traffective bewegt, ist – wie alle Technologie- und Softwaremärkte – klassisch strukturiert. Neben wenigen großen und global agierenden Unternehmen gibt es einige sehr innovative und leistungsstarke Mid-Market-Plattformen und eine unüberschaubare Anzahl kleiner und kleinster Anbieter, die unterschiedliche Nischen – technologisch, lokal oder branchenbezogen – bedienen. Der Einzug der Künstlichen Intelligenz in die Entwicklung und die Auswirkungen, die wir in unserer Branche beobachten, dürften daher branchenübergreifend sein und sowohl den Arbeitsmarkt als auch den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Unternehmensformen verändern.
Einfluss von KI auf den Arbeitsmarkt
Während KI bereits heute in der Softwareentwicklung eingesetzt wird, um Aufgaben wie Codegenerierung, Fehlererkennung und die Automatisierung von Routineaufgaben zu erleichtern, ist davon auszugehen, dass sich diese Technologie in den kommenden Jahren stark weiterentwickeln wird. Bis zum Jahr 2040 könnten Maschinen den Großteil des Codes allein auf der Grundlage eines konkreten Prompts selbst schreiben, was viele Softwareentwickler beunruhigt. Zu Recht? Ja und nein!
Sicher ist, dass KI mehr und mehr dazu führen wird, dass das Anforderungsprofil für Entwickler neu definiert werden muss. Grundlegende Codierungsaufgaben –wie sie vor allem in sehr großen Unternehmen anfallen, wo sehr viele kleine Anpassungen auf der täglichen Agenda stehen – können zunehmend automatisiert werden, wodurch sich der Fokus auf Fähigkeiten wie komplexe Problemlösungen, kritisches Denken und die Integration von KI-gestützten Werkzeugen in bestehende Workflows verschiebt.
Zukünftige Softwareentwickler werden mehr konzeptionell und beschreibend arbeiten: Sie werden komplexe Systeme und deren Schnittstellen beschreiben und weniger kleinteilige Programmierarbeiten durchführen. Um ein komplexes oder großes System durch Prompts richtig beschreiben zu können, ist viel Erfahrung notwendig. Als erfahrener Softwareentwickler hat man einfach schon viel gesehen und kann, wenn man offen für das Thema KI ist und über entsprechende Promptkenntnisse verfügt, natürlich auch bessere Prompts schreiben als ein Anfänger.
Die Kluft zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Entwicklern wächst
Die Folge: Die Kluft zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Entwicklern wird sich entsprechend vergrößern. Denn um potenzielle Code-Halluzinationen der KI – also fehlerhafte, erfundene und nicht funktionale Antworten, die bei wahrscheinlichkeitsbasierten Systemen momentan weiterhin auftreten – zu erkennen bzw. der KI überhaupt erst den entsprechenden Prompt zu liefern, bedarf es eines entsprechenden Know-how und langjähriger Erfahrung. Die Nachfrage nach Nachwuchsprogrammierern, Ein- und Quereinsteigern sowie wenig spezialisierten Arbeitskräften wird deutlich zurückgehen.
Auf der anderen Seite sind sich fast alle Experten einig, dass trotz Automatisierung die Kreativität und Problemlösungskompetenz von Programmierern weiterhin benötigt wird.
Was können Berufseinsteiger jetzt tun?
Die Devise lautet: Back to the Basics. Um saubere Prompts zu schreiben, muss man der jeweiligen KI eine möglichst genaue Einordnung geben sowie präzisen und fachlich sauberen Kontext. Dazu müssen zum Beispiel Webentwickler nicht nur eine Programmiersprache beherrschen, sondern auch die Funktionsweise des Internets mit der gesamten Internetprotokollfamilie verstehen. Generative KI kann Code schreiben, ist aber darauf angewiesen, dass der Anwender die Anforderungen korrekt spezifiziert und Fehler oder Missverständnisse erkennt. Ohne ein grundlegendes Verständnis physikalischer oder technischer Modelle kann ein Programmierer fehlerhafte Codevorschläge nicht erkennen oder unrealistische Anforderungen formulieren. KI-generierter Code kann „funktionieren“, aber ineffizient sein, wenn der Entwickler nicht in der Lage ist, Optimierungsmaßnahmen (z. B. algorithmische Verbesserungen, Protokoll-Tuning, Architektur usw.) zu ergreifen. Das ist auch heute schon nicht neu und wird im Alltag gebraucht, nur wird der Druck für Einsteiger viel höher sein, weil in der Zukunft erfahrene Entwickler in Kombination mit KI ein Vielfaches an Produktivität gewinnen werden. Um hier konkurrenzfähig zu sein, muss ein Programmierer weiterhin die technischen und theoretischen Grundlagen lernen und verstehen, da die Ausprogrammierung zukünftig größtenteils die Maschine übernehmen wird.
Der Einfluss auf den Wettbewerb
Insbesondere für mittelständische Unternehmen und Start-ups mit hochspezialisierten Fachkräften bietet diese Entwicklung eine Chance, dem aktuellen Fachkräftemangel zu begegnen. Durch KI erhalten sie Zugang zu fortschrittlichen Programmierfähigkeiten und Ressourcen, die bisher nur Großunternehmen zur Verfügung standen. Dies könnte zu mehr Wettbewerb und Innovation führen, da kleine Teams in der Lage sind, komplexe Softwarelösungen zu entwickeln, also gar kein großes Entwicklerteam beschäftigt werden muss. Größere Unternehmen hingegen könnten mittelfristig gezwungen sein, ihre Entwicklerteams deutlich zu verkleinern, weil sie sehr viel mehr Routineaufgaben haben, die in Zukunft automatisiert werden können.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Einzug der KI in die Softwareentwicklung den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb grundlegend verändern könnte. Die Nachfrage nach Routineaufgaben wird zurückgehen, während die nach erfahrenen Entwicklern mit tiefen Grundlagenwissen und spezialisierten Fähigkeiten steigen wird. Nicht zu unterschätzen sind auch Kreativität und Kommunikationsfähigkeit – diese beiden Skills werden gerade in der Ausbildung an technischen Universitäten leider zu oft vernachlässigt. KI wirkt als Kompetenz-Katalysator und könnte die Kluft zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Entwicklern erheblich vergrößern.
Über den Autor
Frederick Himperich führt zusammen mit Matthias Greiner die Geschäfte der Traffective GmbH, einer der führenden Programmatic Advertising-Plattformen in Deutschland. In seiner weiteren Funktion als CTO ist Himperich für die technologische Weiterentwicklung der Plattform sowie der technischen und organisatorischen Infrastruktur zuständig.
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