Künstliche Intelligenz zerstört die Kreativität nicht

Aktuell machen gerade auch KI-generierte Bilder starke Fortschritte. Vor einem Jahr hatte sie noch große Probleme mit menschlichen Gesichtern, Händen oder dem Verständnis komplexerer Anfragen. Mittlerweile ist es fast schon erschreckend, wie präzise die Prompts in Bilder umgesetzt werden. Viele Kreative fühlen sich darum von der Technologie in die Ecke gedrängt. Künstliche Intelligenz zerstört die Kreativität wie es scheint.

Auch Artikel oder ganze Bücher werden mittlerweile komplett oder mit starker Unterstützung von KI geschrieben. Künstliche Intelligenz erstellt innerhalb kurzer Zeit detailreiche Räume für künftige Videospiele. Hollywood streikte zudem nicht nur für höhere Gehälter und Streaming-Anteile, sondern auch für transparente Regeln im Umgang mit KI.

Umso seltsamer wenn dieser Artikel in der Überschrift diese These verneint. Und ja, es ist zum Teil auch eine bewusste Provokation. KI ist derzeit sehr wohl im Begriff kreative Existenzen zu vernichten. Künstliche Intelligenz ist sehr wohl eine Gefahr für Urheberrecht und auch Glaubwürdigkeit. Zugleich ist sie aber auch der Beginn ganz neuer kreativer Prozesse und eher ein ganz neues Kapitel in der Kunst.

Die industrielle Revolution der Kunst

Nur weil ihr bislang immer auf eine bestimmte Art gearbeitet habt, muss das nicht so bleiben. Einer der größten Einschnitte in der Arbeitswelt war die industrielle Revolution. Plötzlich waren da die Maschinen, die viele Arbeitsschritte in der Produktion automatisierten. Fabriken waren für die klassischen Handwerker sicher kein Segen, doch hat es die Gesellschaft als ganzes vorangebracht. Und das klassische Handwerk ist trotzdem noch nicht ganz verschwunden. Es gibt noch die alte Kunst und auch wenn deutlich teurer, wird sie noch immer für ihre Qualität und Invididualität geschätzt.

Auch in der Kunst gab es bereits große Umbrüche, gerade auch durch die digitale Ebene. Heute arbeiten viele Grafiker am PC. Dieser hat sogar ganz neue Kunstformen ermöglicht. Zum handgemachten Zeichentrick sind etwa die Animationsfilme wie von Pixar oder Dreamworks dazugekommen. In Filmen nimmt die Technik längst einen großen Teil der Credit Rolls ein – etwas das auch sicherlich nicht jeden begeistert, der noch mit dem handgemachteren aufgewachsen ist.

Auch geschrieben wird kaum mehr auf der Schreibmaschine. Der Computer ist einfach schneller und bequemer. Schon längst sind für uns die blauen und roten Markierungen in Texten Gewohnheit geworden. Die Rechtschreibprüfung ist kein Zaubermittel mehr, die Tatsache dass unsere Texte beim Computerabsturz auch ohne explizites Speichern meist noch topaktuell sind ist ebenso Alltag geworden.

Neu sind jetzt die KI-Tools, die einen aus fast jeder Anwendung entgegenspringen. Bestimmt braucht es sie nicht überall, wo sie eingebaut werden, aber auch die Software versucht relevant zu bleiben, wenn sich unsere Arbeitsumgebung erneut ändert. Am Ende kann ich mir vorstellen, dass wir statt Word und andere Office-Programme etwa nur noch mit ChatGPT arbeiten, dass eine nahtlose Oberfläche für verschiedenste Anwendungsbereiche aufbaut. Manchmal ändern sich die Dinge einfach.

Viele unbequeme Tätigkeiten werden abgenommen

Bleiben wir bei der Revolution. Mussten zunächst viele in Fabriken noch am Fließband arbeiten, sind heute viele kleine und sich wiederholende Schritte komplett automatisiert. Arbeitsschritte die sicherlich nicht sonderlich erfüllend sind, wenn man einen einzigen Handgriff den ganzen Tag macht.

Kommen wir daher auch zurück zum Zeichentrick. Der 1937 von Disney veröffentlichte Zeichentrick-Film Schneewittchen bestand aus unglaublichen 250.000 einzelnen, handgemalten und kolorierten Bildern. Mindestens 24 Bilder pro Sekunde braucht so ein Film. Die 750 beteiligten Künstler hatten sicherlich einige Arbeit und bestimmt war dabei nicht jedes einzelne Bild ein Genuss, sondern vor allem das Resultat der Animation.

Künstliche Intelligenz bietet dagegen ganz neue Möglichkeiten diese klassische Kunst wieder zu beleben, weil es die Wiederholung stark rausnimmt. Man muss nicht zwingend alles per KI erzeugen, sondern könnte auch vereinzelte Bilder per Hand zeichnen und die dazwischenliegenden per KI generieren lassen. Kleine kreative Teams können damit selbst große Visionen verwirklichen.

Künstliche Intelligenz als Sparringspartner

In der Kunst kann die KI außerdem auch ein hervorragender Sparringspartner sein. Die Kunst zerstört die Kreativität nicht, sondern hilft dabei sie zu entfalten. Für Buchautoren ist sie eine wundervolle Quelle der Inspiration. Sie kann dabei helfen Charaktere auszuarbeiten oder verschiedene Szenarien durchzuspielen. Auch für kleine Details lässt sie sich nutzen. Ihr braucht Ideen für die Beschreibung einer futuristischen Bar als Kulisse eurer Geschichte? Lasst die KI euch 20 Details für eine solche Bar nennen. KI-Tools sind am effektivsten, wenn es einen Austausch auf beiden Seiten gibt. Das hilft auch schon bei Prozessen der groben Strukturierung der Geschichte. Die KI kann Vorschläge für die Gestaltung eines Plots geben, der Autor verwendet sie auf seine eigene Vision und geht Stück für Stück mit der KI tiefer ins Detail.

Ähnlicht sieht es auch bei Bildern aus. Dafür muss man aktuell noch ein gutes Handwerkliches Verständnis haben um bei den „Prompts“, den Bildanfragen, die richtigen Details mitzugeben. Mittlerweile kann DALL-E 3 zwar auch sehr gut weniger technische Anfragen interpretieren, aber für hochwertige Bilder werden Hybrid-Tools eine spannende Aussicht sein. So verbindet Adobe immer mehr seine bekannten Bildbearbeitungstools mit KI und hat mit Firefly auch ein KI-Tool, dass Bildbearbeitungswerkzeuge nutzt. So könnt ihr etwa nur bestimmte Teile bearbeiten oder von KI neu generieren lassen und mit ebenen Arbeiten. Die KI ist ein weiteres Werkzeug.

Ein Segen für die Hobbyszene

Ich selbst spiele leidenschaftlich gern Pen & Paper-Rollenspiele wie Dungeons & Dragons. Schon seit jeher versuchen wir für unsere Charaktere auch passende Bilder zu finden. Wenn wir online spielen, nutzen wir sie auch für die Token, mit denen wir unsere Charaktere über das virtuelle Spielfeld bewegen. Doch das Problem: Steht die Charakterbeschreibung zuerst, ist es unglaublich schwierig ein Bild zu finden, dass den eigenen Vorstellungen entspricht.

Ab und an nimmt man eventuell mal Geld in die Hand und beauftragt jemanden der Hobbymäßig Charakter-Artworks erstellt. Das ist halbwegs günstig, aber die Ergebnisse sehen eben auch eher „hobbymäßig“ aus. Umso mehr habe ich aktuell riesigen Spaß daran, meine Charaktere über Bild-KIs zu beleben. Die Ergebnisse sehen teils beeindruckend gut aus, auch wenn es meist noch ein paar kleine Details gibt – wie etwa einen sechsten Finger – die stören. Trotzdem macht es riesigen Spaß und ich habe das Gefühl, ich kann selbst direkteren Einfluss auf das Endresultat ausüben.

Für Spielleiter solcher Runden gibt es sogar noch mehr Möglichkeiten. Im Handumdrehen sind Umgebungen wie Dörfer als begehbare Draufsicht erstellt oder man kann ansehnliche Landkarten erstellen. Man ist weniger auf statische Vorlagen angewiesen, sondern kann situativ schneller visualisieren. Ich freu mich jetzt schon auf die KI-Tools, die speziell für diese Hobbynische entstehen.

Die Zensurfalle der Künstlichen Intelligenz

Zu Beginn des großen KI-Hypes hatte man Angst vor einer KI, die durch unausgewogenen Trainingsdaten etwa Vorurteile oder bestimmte politische Strömungen begünstigen könnte. Man hatte auch Angst vor Fakes oder dass Markenrechte in Mitleidenschaft gezogen werden. Midjourney oder DALL-E 3 haben mittlerweile eine Content Policy, die bestimmte Anfragen ablehnt. Besonders hart ist dabei OpenAI bei DALL-E.

Es ist schade, dass ich nicht mehr einfach Ronald McDonald in einen Burger King setzen kann, aber gewissermaßen noch verständlich. Die Zensur geht aber so weit, dass man Teilweise Probleme hat nicht-diverse Menschengruppen und Details zum Körper oder der Kleidung von Personen vom Filter abgelehnt werden. Im Bild soll jemand einen Bikini tragen? Katastrophe! Man verwendet unverfänglich das Wort „Body“? Auch schon kritisch. Man verwendet das Wort „riding“? Nicht ungefährlich. Auch Leichen oder Skelette sind ein Problem und man muss die KI allenfalls mit Beschreibungen wie „Menschen, die bauchlings auf den Boden liegen“ austricksen.

Plötzlich sind es die gutgedachten Filter, die eine Zensur dieser neuen Kunst etablieren, die durchaus an historische Buchverbrennungen erinnert, auch wenn sie eher die Unverfänglichkeit zum Ziel hat. Und es nervt, wenn man als zahlender Premium-User immer wieder gesperrt ist, weil man mehrfach gegen die Content Policy verstoßen hat, dies aber nur sehr selten kommuniziert wird und einen nicht einmal Feedback gibt, woran es denn genau lag. Allerdings ist jeder Nutzer aktuell auch ein Betatester und es ist gut möglich, dass die Filter nochmal stark überarbeitet werden.

Fazit: Künstliche Intelligenz zerstört die Kreativität nicht – sie verändert aber den Prozess

Wie eingangs erwähnt möchte ich der KI keine negativen Folgen absprechen. Die neuen Möglichkeiten werden Jobs kosten und vielen Kreativen noch mehr Probleme bereiten ihre (berechtigten) Preise gegenüber potentiellen Kunden zu verteidigen.

Künstliche Intelligenz zerstört die Kreativität selbst aber nicht. Hinter Literatur, Design oder auch Musik steckt Handwerk und dieses Handwerk hat ein neues und sehr potentes Werkzeug erhalten. Ein Werkzeug das ebenso kreativ wie auch zerstörerisch eingesetzt werden kann. Und ein Werkzeug, dass selbst noch erst in Entwicklung ist, während sich bereits eine mächtige neue Industrie drum herum aufbaut.

Ich komme trotzdem nicht umhin, mich auf die neuen Möglichkeiten durch die KI zu freuen. Die Tools erlauben es auch kleinen Teams mit wenig finanziellen Mitteln kreative Visionen zu verwirklich. Auch wer zwar eine ganze Menge Ideen hat, aber sie handwerklich selbst nicht umsetzen kann, profitiert stark von den neuen Möglichkeiten. Sogar im Hobbybereich lassen sich damit schnell professionelle Assets erstellen.

Den Menschen macht es aber hoffentlich noch nicht obsolet. Wer das Handwerk beherrscht und die KI als Ideengeber, Zuarbeiter und Sparringspartner nutzt, kann aus den Tools deutlich mehr herausholen als ein reiner Laie. Zugleich lassen KI-Generatoren auch immer professionellere Bearbeitungsmöglichkeiten zu.

Auch ich weiß, dass KI viele Probleme nach sich ziehen kann und garantiert auch wird. Auch mir bereitet die KI-Entwicklung Angst. Zugleich ist sie aber ein so spannender kreativer Spielplatz, dass ich kaum erwarten kann die nächste Fortschritte zu erleben. Ich kann mich an keine technische Entwicklung erinnern, die sich für mich so magisch angefühlt hat. Und ich habe so eine leise Ahnung, dass mit ihr auch bald das Metaverse plötzlich Gestalt annimmt.


Image via DALL-E

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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