Wie der Boom zeitgenössischer Kunst der Bilanz schadet

Die Amerikaner lieben ihre Museen, ganz besonders in den Sommermonaten. Tatsächlich belaufen sich Museumsbesuche auf etwa 850 Millionen pro Jahr, was sogar mehr ist als die Besucherzahlen von Sportveranstaltungen der ersten Liga und Themenparks zusammen (etwa 483 Millionen im Jahr 2011). Zum Teil liegt dies daran, dass es eine sehr große Auswahl gibt. Schließt man Zoos, historische Vereine, botanische Gärten und ähnliche historische oder kulturelle Stätten mit ein, überstieg die Anzahl der Museen in den USA im Jahr 2014 mehr als 35.000 Stätten – doppelt so viel wie in den 1990ern.

Die Anzahl der Kunstmuseen, die – wie ich behaupten würde – einige der wichtigsten Beiträge zur zeitgenössischen Kultur leisten, beziffert sich auf 1.575 und sind ebenfalls sehr beliebt. Eines der berühmtesten, das New Yorker Metropolitan Museum of Art (kurz: Met), wurde 2015 von rekordverdächtigen 6,5 Millionen Menschen besucht und ist damit auf Platz drei der beliebtesten Museen der Welt.

Doch Rekord-Besucherzahlen sind nicht unbedingt gleichbedeutend mit Rekord-Einnahmen. Gerade im letzten Monat verkündete das Met die Entlassung von mehr als 100 seiner Mitarbeiter, um ein Budget-Defizit von zehn Millionen US-Dollar auszugleichen. Und das nur wenige Monate, nachdem es einen Einstellungsstopp und freiwillige Abfindungen angekündigt hatte. Währenddessen wird einer seiner Konkurrenten in der Nachbarschaft, das Museum of Modern Art (MoMA) mit Geld überschwemmt und erhielt gerade erst weitere 100 Millionen US-Dollar für eine Expansion und Renovierung. Doch nur etwa drei Millionen Leute kamen im Jahr 2015 vorbei, um sich die ausgestellte Kunst anzusehen, sodass das MoMA weltweit auf Platz 15 geführt wird.

Wie lassen sich diese unterschiedlichen Verlaufskurven erklären? Warum florieren einige Museen, während andere straucheln? Vor kurzem habe ich im Rahmen der Recherche für ein Buch, das 2017 erscheinen und „Die Ökonomie der amerikanischen Kunst: Kunst, Künstler und Marktinstitutionen“ heißen wird, die Ökonomie des Kultur- und Kunstmarkts erkundet. Meine Recherche bringt mich zu der Annahme, dass es drei Gründe gibt, warum Museen unterschiedliche Schicksale haben: Mode, Demografie und Milliardäre.

New York - Metropolitan Museum of Art (Image by Alonso Javier Torres (CC BY 2.0) via Flickr)
Image (adapted) „New York – Metropolitan Museum of Art“ by Alonso Javier Torres (CC BY 2.0)

Die Geschichte zweier Museen

Das MoMA und das Met sind zwei der berühmtesten Museen der USA, was sie zu einer exzellenten Illustration der Finanzprobleme, mit denen Museen sich heutzutage herumschlagen müssen, macht. Das Met ist, bis auf einen Mangel an moderner, zeitgenössischer Kunst, eines der umfangreichsten Museen der Welt und kommt auf ein jährliches Budget von schätzungsweise 300 Millionen US-Dollar. Nichtsdestotrotz ist das Museum zurzeit mit einem Defizit von ca. zehn Millionen US-Dollar konfrontiert, das bis auf 40 Millionen US-Dollar gestiegen wäre, wenn man nicht angefangen hätte, Mitarbeiter zu entlassen. Außerdem verzögerte man seine Erweiterung der Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst.

Der Kampf um Schirmherren, die bereit sind, große Mengen an Geld herüberzuschaufeln, ist im Feld der zeitgenössischen Kunst zu einer ernsten Angelegenheit geworden. Neben dem MoMA muss das Met auch noch lokal mit dem Whitney (das gerade erst in der City einen neuen Ableger eröffnet hat) und dem Guggenheim-Museum sowie einem Dutzend anderer Museen in anderen großen Städten der USA konkurrieren, wie mit The Broad, einem neuen Museum für zeitgenössische Kunst in Los Angeles. Sie müssen außerdem um den Besitz von Meisterwerken und anderen Ausstellungsstücken, die die meisten Besucher anziehen und so zu entsprechend mehr Spenden führen, kämpfen.

Zur selben Zeit hat das MoMA mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen, die die Vor- und Nachteile seines Erfolgs illustrieren. Der 400 Millionen US-Dollar schwere Expansionsplan, unterstützt durch eine 100 Millionen US-Dollar schwere Spende des Milliardärs David Geffen, bringt mit sich, dass bestimmte Bereiche des Museums während des Projekts geschlossen werden müssen, was wiederum zu weniger Besuchern und so auch zu weniger Einnahmen führt. Das MoMA hat Mitarbeitern, die nicht gebraucht werden, freiwillige Abfindungspläne angeboten. Dennoch ist es mit einer Dotierung von fast einer Milliarde US-Dollar in ziemlich guter Verfassung.

Die aktuellen Herausforderungen dieser beiden großen Museen werden sich mit der Zeit lösen, jedoch unterstreichen die aufgekommenen grundlegenden Fragen einige entscheidende ökonomische Faktoren, mit denen viele Kunstmuseen in den USA heute umgehen müssen.

Sich verändernden Geschmäckern nachjagen

Zunächst einmal unterliegen die finanziellen Herausforderungen des Met, die oben beschrieben wurden, einem Dauerproblem, das alle Museen haben: die Akquisitionspolitik. Die Direktoren des Met haben echte Schätze angesammelt, die das Met tatsächlich zu einem Museum mit enormer internationaler Reichweite machen – mit einer bedeutenden Ausnahme: Moderne und zeitgenössische Kunst. Thomas Hoving setzte den Fokus auf das Aufkaufen von Meistern der Renaissance und alten Kunst, wie beispielsweise Velázquez’ „Portrait von Juan de Pareja” und des ägyptischen Tempels von Dendur. Er entwickelte außerdem das neue, beliebte Konzept der „Blockbuster“-Wanderausstellung, für die die Besucher extra zahlen müssen.

Sein Nachfolger, Phillipe de Montebello, hat ebenfalls nicht viel getan, um die moderne Kollektion des Museums zu erweitern. Das Argument war, so scheint es, dass Museen wie das MoMA solche Arbeiten bereits in ihren Kollektionen hatten und dass die Anschaffung von zeitgenössischer Kunst von lebenden Künstlern – viele von ihnen befinden sich noch inmitten ihrer künstlerischen Entwicklung – problematisch und riskant war. Während die Sammlung zeitgenössischer Kunst des Met in den letzten Jahren zwar ein wenig gewachsen ist, hat das Museum es dennoch verpasst, sich den sich verändernden Geschmäckern der Besucher anzupassen, die zunehmend moderne und zeitgenössische Kunst favorisieren. So ist ein Wettbewerbsnachteil entstanden.

Der wirtschaftliche Punkt hier ist, dass, wenn ein Museum wie das Met nicht mit den wandelnden Geschmäckern seiner Besucher auf der Höhe bleibt, die Einnahmen schnell sinken können. Und an dem Punkt, wo sich das Haus dessen bewusst wird, ist es oft bereits zu spät, um etwas ändern zu können, denn die Kosten für die Anschaffung der nachgefragten Kunst sind bereits ins Unermessliche gestiegen. Da Museen Werke entweder als Spende oder als Kauf anschaffen, ist in Ermangelung eines großzügigen Geschenks die einzige Alternative, eine „ausgezeichnete“ Sammlung von Werken von einer anderen Institution oder einem privaten Sammler zu erstehen.

Diese Alternative steht einigen Museen in den USA offen. Dies führt jedoch zu einem weiteren kritischen Faktor – die sich verändernde Verteilung von nordamerikanischem und weltweitem Einkommen und seine Auswirkungen auf die Finanzen und den Betrieb der Museen. Gerhard Richters ‚Abstraktes Bild’ (1986) wurde im vergangenen Jahr für 46 Millionen US-Dollar verkauft und wurde damit zum zweithöchsten Verkauf eines lebenden Künstlers.

Abstraktes Bild - Gerhard Richter (Image by Pedro Ribeiro Simões (CC BY 2.0) via Flickr)
Image (adapted) „Abstraktes Bild (Nº 635) (1987) – Gerhard Richter (1932)“ by Pedro Ribeiro Simões (CC BY 2.0)

Milliardärsblase

Wir leben in einer Boom-Zeit der zeitgenössischen Kunst, manche würden es wohl tatsächlich als eine Kunstblase beschreiben. Die Anzahl der Auktionen, Kunstmessen und Galerien ist extrem gestiegen, um den aufkeimenden Markt zu bedienen. Arbeiten des unbestrittenen Meisters der zeitgenössischen Kunst, des deutschen Künstlers Gerhard Richter, generierten in den vergangenen Jahren Umsätze von 1,2 Milliarden US-Dollar. In einer Welt mit etwa 1.800 Milliardären braucht es nur wenige, um hoch angesiedelte Preise für Kunst in astronomische Höhen zu befördern. Rezessionen, Aktienmarkt-Rückgänge und Tumulte in internationalen Angelegenheiten vermögen den Kampf dieser Sammler um das Beste vom Besten kaum zu bändigen – insbesondere nicht in der zeitgenössischen Kunst.

Neben so berühmten Namen wie Jackson Pollock, Mark Rothko und Barnett Newman räumen nun „heiße” Jungkünstler, die nach 1955 geboren sind, die Top-Preise bei den Auktionen ab. Zwischen Juli 2014 und Juni 2015 erreichten die Zuschlagspreise für einzelne Kunstwerke von Jean-Michel Basquiat, Christopher Wool und Jeff Koons jeweils 33 Millionen, 26,5 Millionen und 23 Millionen US-Dollar. Mit diesen explodierenden Preisen können die Museen ganz einfach nicht mithalten, so dass sie für gewöhnlich auf Spenden angewiesen sind, um Sammlungen der besten Werke anzuschaffen – oder sie werden aus dem Markt gedrängt. Die Milliardäre bauen sich mehr und mehr ihre eigenen, privaten Sammlungen, auf und nehmen öffentlichen Museen dadurch um so mehr die Möglichkeit, an die angesagten Werke zu gelangen.

Demografie und Rezession

Ein drittes Problem ist, dass die demografische Entwicklung die Probleme der Museumsfinanzen und des Museumsbetriebs noch verschärft hat, indem sie Druck auf die Einkommensseite der Gleichung ausübt.

Arbeitslosigkeit, frühe Verrentung und die Vergreisung der Bevölkerung in den USA haben zu mehr Besuchen von Museen aller Art geführt. Man könnte meinen, dies sei eine gute Sache – und in vielerlei Hinsicht ist es das auch. Doch mehr Besucher bedeuten auch mehr Kosten, und wenn die zusätzlichen Besucher keine höheren Einnahmen bewirken, dann sinkt die Rentabilität. Dies liegt an dem jahrelangen Trend, Museumsbesuche „kostenfrei“ anzubieten, indem Einzelpersonen, die Regierung oder „Sponsoren“ die Kosten übernehmen. Doch wenn diese Unterstützung durch Plankosten oder durch andere Gründe reduziert wird, müssen die Museen entweder dafür die Rechnung bezahlen, oder die Gefahr eingehen, ihre Schirmherren zu verlieren, indem sie plötzlich Eintrittsgelder verlangen.

Es gibt eine empirische Evidenz dafür, dass Museumsbesuche antizyklisch sind. Das bedeutet, dass sie ansteigen, wenn das ökonomische Wachstum sich verlangsamt. Das passiert aber auch dann, wenn die „Sponsoren“ allmählich verschwinden. Anders gesagt, die Rekord-Besucherzahlen des Met klingen oberflächlich toll, doch sie könnten zum Haushaltsdefizit beigetragen haben, indem sich durch sie die Ausgaben erhöhten.

Wert der Kunst

Museen werden sicherlich weiterhin existieren und Millionen von uns Einblicke unschätzbaren Werts in unsere vergangene und aktuelle Kultur gewähren – doch sie müssen unter dem Imperativ der ökonomischen Prinzipien existieren. Die Geschmäcker werden sich ändern, die Einkommensverteilung wird die Verfügbarkeit von Kunst verändern und die Demografie wird sich verschieben. Während keiner dieser Faktoren die Bedeutung von Kunstmuseen negiert, wäre es klug, wenn die Verwalter diese ökonomischen Faktoren zukünftig in ihre Kalkulationen einbezögen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „Metropolitan Museum of Art“ by Phil Roeder (CC BY 2.0)


 

ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Auburn Universität. Darüber hinaus schrieb er - zusammen mit seinem Kollegen Robert Hebert - eine sechste Auflage der Geschichte der ökonomischen Theorie und Methoden.


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