Künstler-PR im Social Web – Zwischen Gratis-Download und DIY

Angesagte Bands wie Linkin Park haben es vor Jahren vorgemacht: Als musikalische Vorreiter im Internetzeitalter waren sie mit die ersten, denen aufgegangen ist, welche ungeahnten Möglichkeiten das Web nicht nur für Unternehmen, sondern eben auch für Künstler und ungesignte Bands bieten kann. Via Internet gelang es der inzwischen massenhaft Preise einheimsenden US-Band noch ohne Major Deal, zunächst zahllose Besucher auf ihre Internetseiten zu locken und so eine rasant wachsende Fanschar um sich zu versammeln. Häufig ist der Wunsch, überhaupt bei einem großen Musikkonzern unterzukommen, zur Rückbesinnung auf die Do-it-yourself-Mentalität gewichen. Mit ein wenig technischem Know-how ist heute alles selbst für Laien realisierbar. Was als Forscherdrang und Pioniergeist begann, hat längst Schule gemacht. Heute verzichtet keine Band, die etwas auf sich hält, auf einen eigenen Internetauftritt und rege Präsenz in Portalen wie Myspace. Im Wettstreit hat schon so manche Band auf diesem Wege den ersehnten ersten Plattenvertrag ergattert. Die Bands mit den meisten Freunden werden zügig weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus bekannt. Frei nach dem Motto „dein Freund ist auch mein Freund“ wachsen die Netzwerke stetig, Kooperationen über die Landesgrenzen hinaus sind inzwischen eher die Regel als die Ausnahme. So rückt die Welt nach und nach ein Stück zusammen und lässt berechtigt die Hoffnung aufkommen, auch ohne Signing die Absatzzahlen zu erhöhen. Myspace.com myspacemusic.jpg Nicht nur ganz normale User können sich ein Profil erstellen, um alte und neue Freunde zum Netzwerk hinzuzufügen. Bei der Registrierung können Einzelkünstler und Bands ein spezielles Künstlerprofil auswählen. Wie auf einer richtigen Homepage besteht bei Myspace die Gelegenheit, mit endlos vielen Designvorlagen eine individuelle Vorstellung der Band umzusetzen. Fotoalben mit Bandfotos, Schnappschüssen der letzten Konzerte oder der Studioaufnahmen gewähren interessierten Besuchern der Seite Einblick ins Leben einer echten Band. Über den Musicplayer können die Künstler Songs zum Anhören und sogar zum Download freigeben. Im Profil können in verschiedenen Rubriken Infos über die einzelnen Mitglieder und ihre musikalischen Interessen, Hobby und zahlreiche andere Bereiche veröffentlicht werden. Durch die Bekanntgabe von anstehenden Konzertterminen bietet sich die Chance, den Besucherzahlen auf die Sprünge zu helfen. Die Produktion von digitalen Aufnahmen ist seit Jahren problemlos selbst im kleinsten Probenraum möglich, verkauft werden können die eigenfinanzierten Songs und Produktionen. Neben besagter Myspace-Plattform bieten auch Sites wie mp3.de ihren Mitgliedern die Chance, in Sachen Eigenwerbung die Trommel zu rühren. Fast überall können Hörproben hochgeladen werden, um Interessierten einen Vorgeschmack auf das zu bieten, was sie sich keinesfalls live entgehen lassen sollten. Die Kategorisierungen nach Stil sowie die Auswahlmöglichkeit, sich Künstler ähnlicher Richtungen präsentieren zu lassen, eröffnet Konsumenten und Musiker zugleich neue Vertriebswege. Mp3.de mp3home.jpg Anders als Myspace ist Mp3.de eher darauf ausgelegt, wie ein Presseforum zu arbeiten. Hier laden Künstler Textinformationen und Fotos in wenigen Schritten aufs neu erstellte Profil und stellen zusätzlich Songs zum kostenlosen Download ein. Durch die Einteilung in Musikstile können die Nutzer der Seite – ihrem Musikgeschmack entsprechend – immer wieder neue interessante Bands entdecken, die ihren Lieblingskünstlern ähnlich sind oder die dieselben Einflüsse angeben. Bands, die potenzielle Fans ihrer Musik nicht nur mit ihren musikalischen Ergüssen „anfixen“ wollen, sondern zusätzlich dem schnöden Mammon (schließlich regiert Geld auch und gerade das Leben der ewig abgebrannten künstlerischen Boheme) hinterherjagen, sind bei Angeboten wie Musicload und ähnlichen richtigen, um Interessenten erste Hörproben für kleines Geld anbieten zu können. Musicload.de musicload.jpg Der Trend bei Musikhörern geht weg vom Kauf ganzer Alben – bzw. Musikfans stellen sich lieber zu einem niedrigeren Preis als im Laden eigene Platten zum Download und Brennen zusammen als vermeintlich überteuerte Alben im Handel zu erwerben. Musicload bietet Künstlern hier die Chance, die Kunden dennoch von sich zu überzeugen. Zu Preisen ab in der Regel etwa 99 Cent können Nutzer der Seite einzelne Lieder von bekannten, aber eben auch bisher weniger bekannten Bands und Musikern erstehen. Die Chance, dass unbekannte Künstler gleich komplette Silberlinge an den Mann und die Frau bringen werden, stehen schlecht. Einzelne Ohrwürmer können für Bands, die bislang nur wenig in Eigenregie produzieren konnten, so die Kosten für Studiotermine reinholen und Kosten für aufwendige Covergestaltung zunächst sparen und trotzdem neue Fans finden. Spannende neue Ansätze für Newcomer im Music Business kommen wieder einmal aus dem Heimatland der Beatles, genauer gesagt aus der Fashion- und Trendmetropole. Während sich die internationalen Börsen sich im Sinkflug befinden, kommt mit Bandstocks.com ein neues innovatives Konzept auf den Markt, das einzelne Künstler bereits ausprobiert. Künstler als Aktien und Investitionsmodell, dahinter steckt ein Gedanke, dem jeder Fan wohl schon mal anhing. Beim Hören denkt man sich oft „aus dem wird mal ein ganz Großer“. bandstocks.com bandstocks.jpg Dank Bandstocks gibt es nun die Möglichkeit, sich als Nutzer von den Qualitäten verschiedener Bands und Künstler überzeugen zu lassen, die sich auf der Webseite von ihrer Schokoladenseite zeigen. Bei Gefallen können sich Interessenten durch ihr eigenes Geld die Produktion von Alben und die Entwicklung des betreffenden Künstlers vorantreiben. Ab zehn Pfund aufwärts kann man so rasch Anteilseigner der eigenen Lieblingsmusiker werden und später am Erfolg mitverdienen. Nicht zu unterschätzen sind die regionalen Portale, über die in zunehmendem Maße Termine für Konzerte und Veranstaltungen publik gemacht werden. Mit geringem zeitlichen und finanziellen Aufwand haben Bands im Web die Chance, mit etwas Geschick und cleveren Ideen der eigenen Musik deutlich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen als auf herkömmliche Art und Weise. Guerilla-Marketing hat mittlerweile in der klassischen Musikmarketing-Arbeit Einzug gehalten. Die Industrie entdeckt das Mitmachweb als Alternative, um Konsumenten direkt im Netz abzufangen. Allerdings waren viele Künstler wieder einmal wesentlich schneller als die Plattenfirmen. Und während die Companys weiter (selbstgemachte) drastische Rückgänge bei Plattenverkäufen beklagt, erfreuen sich die Musikerportale steigender Beliebtheit, die Bands und Solokünstlern nicht nur mehr Fans verschaffen, sondern auch dazu geführt haben, dass Konzerte wieder besser besucht werden. PR ist eben doch alles, vor allem wenn sie mit Herzblut im Eigeninteresse in die Tat umgesetzt wird …

ist als freier Journalist, Texter und Blogger unterwegs, u.a. für http://sleaze.twoday.net/. Als aktiver Musiker in verschiedenen Projekten zwischen Rock, Jazz und Funk ist das Web mit seinen musikalischen Facetten sein Interessenschwerpunkt.


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5 comments

  1. Dass Künstler immer für sich selbst die beste Werbung machen, wusste auch schon Joseph Beuys, soll er doch Afri Cola Ikone Charles Wilp kurz vor seinem Ende gebeichtet haben: Ach weisst Du Charles, im Grunde habe ich nie was anderes gemacht als Du: Ich habe einfach immer nur Werbung für mich selbst gemacht. Im Guerilla Stil geht ja gerade die Kölner Band ANGELIKA EXPRESS straight nach vorne, kann man doch jetzt Anteile von Ihrem Album kaufen, sozusagen eine Aktie. Die TAZ-Online berichtet schon von einer Indie Wallstreet Defensive und wie man munkelt, ist schon die Hälfte der Anteile verkauft, obwohl es erst gestern losging. Ein Anteil kostet 50 Euro, man kann auch mehrere erwerben und bei Erfolg dementsprechend mitverdienen. Unfassbar cooles Modell, das zeigt, dass nicht nur schläfrige Majorlabel das Musikkarussel in Schwung halten können und es sich lohnt, nicht über vorgegebene Portale, sondern doch gleich über die eigene Homepage die Fanbase zu erreichen. (www.angelika-express.de)

  2. Eigen-PR für Fanbetreuung und Aufbau/Entwicklung der eigenen „Kundengruppe“, keine Frage, ist das das Ding des Künstlers.

    Wenn es sich jedoch so entwickelt, dass der Künstler die Konzertbewerbung für den Veranstalter übernimmt/übernehmen muss, finde ich es eine nachteilige und bedenkliche Entwicklung. Dies ist leider oftmals noch so.

    Für Konzerte sollten in der Regel die Veranstalter selbst die ersten Handlungsaktivisten sein, die die Dates der Künstler promoten.

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