Laos ist weniger entwickelt als die meisten seiner Nachbarn. Da es keinen Meereszugang besitzt, wie Thailand, Kambodscha oder Vietnam, ist es bei Touristen noch wenig beliebt. Und weil ich befürchtete, dass es dort nicht so einfach sein würde zu arbeiten – Internet, Strom, nervige Insekten – hatte auch ich es bisher ausgeklammert. Bisher! Denn nach einigen Projekten, die ich in Malaysia als digitaler Nomade abgeschlossen hatte, ist das Postfach leer. Damit ist die Zeit für diese Art von Erlebnis gekommen, auf das ich schon lange Lust hatte.
Also packen meine Frau und ich die Rucksäcke und machen uns auf den Weg nach Luang Prabang, wo wir angekommen, erst einmal ein paar Tage durchatmen. Es ist die zweitgrößte Stadt des Landes mit knapp 70.000 Einwohner und mindestens genauso vielen buddhistischen Tempeln. Doch unser eigentliches Ziel liegt drei Stunden weiter nördlich.
An einem Seitenfluss des Mekong liegt von Bergen und Natur umgeben das Dorf Nong Khiaw. Hier gibt es weniger Tempel und viel weniger Menschen als im restlichen Land und auch jegliche Art von Hipstershit wie Curcuma-Latte oder cold brewed drip coffee fehlt. Das Leben hier im Norden ist einfach.
Nic, der Bruder einer meiner Freunde, hat ein paar Bungalows mit einem kleinen Pool und einem Restaurant – dem besten im Ort, wie wir später feststellen müssen. Abends treffen wir ihn zum ersten Mal an der Bar. «Der Monsun hat noch Zeit», sagt er, während er eine Schale mit gerösteten Erdnüssen, frittiertem Knoblauch und Limettenblättern über den Tresen schiebt. «Und wenn es regnet, dann eher kurz und heftig. Aber keine Sorge, das werdet ihr nicht mitbekommen.»
Von hier aus könnten wir in dieser Jahreszeit mit dem Boot noch weiter nach Norden. Nach knapp einer Stunde, käme dann der Ort Muon Ngoi. Vor eineinhalb Jahren hätten sie dort die erste Straße asphaltiert und das Dorf ans Stromnetz angeschlossen. «Sagt einfach Bescheid, ich schicke denen ‘ne Whatsapp, dann holen sie euch ab.» Wir könnten noch viele Stunden weiter nach Norden fahren, fast bis nach China, sagt Nic, aber Wanderungen könne man auch gut von hier aus unternehmen. Die Wasserfälle seien schön. «Das war es dann aber auch.»
Berge schirmen gegen Touristen ab, aber nicht gegen das Internet
Ich lache: Keinen Strom, aber WhatsApp. Nic grinst. «Die Leitungen hier sind nicht gut. Durch die Berge ist das Verlegen zu aufwendig. Aber das mobile Netz ist sehr gut. Ich kann hier alles streamen und Videocalls mit meiner Mutter machen.» Sein Partner arbeitet von hier aus für seine Firma in Australien. Alles kein Problem. Also, solange Strom da sei, aber der bliebe hier höchstens mal für eine Stunde weg, wenn es ganz schlimm regnet.
Wir trinken aus und gehen ins Bett. Vorbei an Esmeralda, der handgroßen Spinne, die sich direkt über dem kleinen Weg zu unserem Bungalow ein Netz gebaut hat und uns die kommenden Tage wachsam halten wird. Wir freuen uns auf eine Zeit, in der wir nicht ständig am Computer sitzen und stattdessen die Natur und Einfachheit genießen. Aber erst einmal telefonieren mit den Mamas – natürlich per Videocall.
Wir schweben tagelang durch südostasiatische Idyllen, wie man sie allenfalls noch in Myanmar antrifft. Doch dann wendet sich das Blatt. Unser Ausflug an die Wasserfälle fällt ins Wasser. Die Wanderung am nächsten Tag ebenfalls: Regen. Der Tag danach … Na gut. Es hilft ja nichts. Dann an die Bar. Nein, noch kurz einen Livestream von den Wolkenbrüchen auf Instagram starten. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Hauptsache, wir hängen jetzt nicht die ganze Zeit im Internet ab oder arbeiten, oder sogar beides.
Aber es geht leider so weiter: Der kurze Schauer des nächsten Tages will einfach nicht enden. Auch der am Tag darauf nicht und so weiter. Wir sind öfter an der Bar oder versuchen hier und dort mal woanders als im Resort gut zu essen. Leider erfolglos, was unseren Bewegungsradius auf ungefähr 30 Meter beschränkt. Öfter als an der Bar sind wir auf Netflix, denn das Internet läuft wie versprochen hervorragend.
Sound of Laos: Dauerregen und Zikaden unplugged
Gelegentlich fällt der Strom aus – einmal fast 14 Stunden am Stück, weil irgendwo ein Mast umgekippt ist. Bei dem Gedanken daran, vielleicht doch schon jetzt nach Luang Prabang zurückzufahren, sackt die einzige Straße dorthin ab. Unsere Pläne liegen im Flussbett. Nach drei Wochen Dauerregen und wiederhergestellter Straße, treten wir die Flucht an. Ein neuer Job wartet im Postfach, Netflix haben wir zu Ende geguckt und meine Frau muss zum Interior Kurs in Sydney. Also reisen wir weiter.
In Sydney sind die Straßen fest, der Himmel blau, die Supermärkte riesig und jede Art von Bedürfnis kann befriedigt werden. Hippe Hipster Cafés und Bars, und schnelle Züge für bequemes Fortkommen. Ich treffe zum Mittagessen Nic’s Bruder, der zuvor zehn Jahre lang in Laos gelebt hat. Zuletzt verbrachte er ein Jahr mit einer Feldstudie weit nördlich von Nong Khiaw in einem abgelegen Bauerndorf.
Wir reden über Laos, und dass wir wirklich Pech mit dem Wetter hatten – und über das Internet. Er zeigt mir ein Foto, auf dem ein Mann einen Altar aufbaut mit dem er böse Geister verbannen will. Die von Geistern zu befreiende Dame kniet im Hintergrund und glotzt auf ihr Handy. Sie berichtet über WhatsApp, wie die Sache vorangeht. Livestreams vom Alltag woanders.
Einer beschwert sich immer
Leider muss ich los: In unserer Wohnung wartet ein Call mit einem Kunden in Deutschland. Ich hasse Internetcafés und Workspaces. Zudem bin ich jedem öffentlichen WLan gegenüber skeptisch. Eine Fahrt mit Uber, ein paar Schritte zu Fuß, elektronische Einlasskarte am Haus, Fahrstuhl, wieder Einlasskarte. Wir können heute keinen Videocall machen, weil das DSL wieder zickt.
Das muss auch nicht sein, denn wir kennen uns und die Sache lässt sich einfach am Telefon besprechen. Nur meine Schwiegermutter beschwert sich öfter über den fehlenden Sichtkontakt, wie auch an diesem Abend: «Könnt ihr nicht wieder nach Laos? Da war wenigstens das Internet schnell!»
Sie hat wohl recht, denke ich, während ich ganz froh bin, dass sie nicht sehen kann, wie ich mir nackt ein Bier aus dem Kühlschrank hole. Schade, dass wir von diesen Nüssen mit Knobi und Limette nichts mitgenommen haben.
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