Zwischenzeitlich mussten die Grünen es mit der Angst zu tun bekommen haben: Alle Parteien hatten sich auf einmal Öko auf die Fahnen geschrieben. Das war in den Jahren 2006 und 2007. Damals posierte Eisbär Knut und Umweltschützer Leonardo di Caprio auf dem Cover des Glamour-Magazins Vanity Fair – und baten die erschütterte Weltöffentlichkeit, mehr für den Klimaschutz zu tun. 2006 und 2007 das waren die Jahre, in denen das Intergovernmental Panel on Climate Change ausrechnete, welche Folgen durch die vom Menschen gemachte Erderwärmung auf uns zukommen würde. Damals reiste Frau Merkel gemeinsam mit Umweltminister Sigmar Gabriel ins ewige Eis, um die weg gebrochenen Schollen zu besichtigen und den schwindenden Lebensraum des Eisbären zu beklagen. Nun ist es um die Glaubwürdigkeit geschehen: Angela Merkel weicht ihre Klimaziele auf. Die Finanz- und Wirtschaftskrise zwinge die Industrie, andere Klimaschutzziele und -vorgaben zu fordern, heißt es nun. Die betroffenen Industrien – unter anderem die Automobil- und Energieindustrie sowie die Fluggesellschaften – waren bis zum Klimaschutzjahr 2007 nicht besonders als Klimaschützer aus eigenem Antrieb aufgefallen. Nun versuchen sie in der Krise, die Regierungen weich zu kochen und auf Zeit zu spielen. Nun brauchen wir in Deutschland doch wieder eine Öko-Partei, eine Partei die Umweltschutz ernst meint und auch gegen Widerstände weiter aufrecht erhält. Umweltschutz ist schon längst nicht mehr nur was für Strickpulli- und Jesuslatschenträger: Die Konjunkturprogramme in den USA und in Deutschland sehen vor, in erneuerbare Energien zu investieren, in nachhaltigen, Wärme dämmenden Hausbau und grüne Antriebstechniken. In allem, was zu weniger CO2-Emissionen führt, liegt die Ahnung künftigen Geldverdienens. Was in der Stahl- und in der Automobilindustrie an Arbeitsplätzen wegfallen wird, kann von dieser neuen Industrie aufgefangen werden. Sich diese Agenda nun klein reden und rechnen zu lassen, ist ein schwerer Fehler. Angela Merkel müsste zu den Interessensvertretern der Industrie und der Wirtschaft nein sagen und auf ihrer Umweltschutzpolitik beharren. Das tut sie aber nicht in ausreichendem Maße. Das enttäuscht, deprimiert und macht wenig Lust, die Kanzlerin und ihre Partei, die die christliche Rede von der Bewahrung der Schöpfung im Munde führt, wiederzuwählen. Interessant, dass der neue Grünen-Chef Cem Özdemir in einem Interview, das wir jüngst geführt haben, wie selbstverständlich gesagt hat: „Wir Grünen bewahren die Schöpfung“. Wenigstens eine Partei, die noch an die Umwelt denkt. Gott sei Dank. Bildnachweis: streetart auf Flickr.com Mehr Infos unter www.cicero.de — Interview mit Cem Özdemir: „Wir bewahren die Schöpfung“ — Cicero-Karikaturen zum Klimawandel — Interview mit Claudia Roth: „Wie grün sind Sie wirklich, Frau Roth?“ — Constantin Magnis: Im Friedensreich der Öko-Sekte — Interview mit Klaus Töpfer: „Ich bin kein Apokalyptiker — Olivia Schoeller: Wie Al Gore in seinem Haus Energie verschwendet — Das Cicero-Dossier zur Umwelt — Die Green-Edition von Cicero findet Ihr hier<
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Schlagwörter: cicero, politik, umwelt, wahljahr