Manor Lords ist eines der am heißesten erwarteten Aufbauspiele. Auf 3 Millionen Wunschlisten hatte es das Erstlings-Werk geschafft, nachdem die einwöchige Demo-Phase beim Steam Next Fest 2022 für Begeisterung sorgte. Seit 26. April ist der Titel in die spielbare Alpha gestartet. Obwohl es im Game Pass enthalten ist, konnte sich der Titel in den ersten Wochen auch 2 Millionen Mal auf Steam verkaufen. Doch lohnt sich Manor Lords im Early Access bereits?
Fertig ist das Spiel nämlich noch lange nicht. Viele Baustellen findet man bereits in den Menüs und es sind auch noch nicht alle Bevölkerungsstufen implementiert. Ob das Spiel bereits auf dem richtigen Weg ist, verrate ich euch im Manor Lords Test des Early Access. Dabei gehe ich darauf ein, wer mit dem Kauf vielleicht noch etwas abwarten sollte.
Mittelalter gut umgesetzt
Aufbauspiele mit Mittelalter-Setting gibt es auf den ersten Blick viele. Doch oft haben sie Tendenzen in die Fantasy oder simplifizieren viele Aspekte. Das ist an sich nicht verkehrt. Manor Lords versucht das Mittelalter-Setting allerdings sehr authentisch umzusetzen. Dabei arbeitet der Entwickler eng mit einem Experten zusammen, der ihn in Sachen Authentizität berät. Das geht sogar so weit, dass manche Details am Artwork nachträglich geändert wurden, um realistischer zu sein.
Doch auch Entwickler Slavic Magic weiß, dass es am Ende auch als Spiel funktionieren muss und so manches zu Lasten des Realismus vereinfacht werden muss. Trotzdem lohnt sich Manor Lords vor allem für Mittelalter-Puristen, weil der Realismus sich auch in einigen wichtigen Gameplay-Entscheidungen zeigt.
So ordnet man Jobs nicht einzelnen Bürgern zu, sondern Familien. Deren Gehöft dient außerdem nicht nur als Wohnraum, sondern für Handwerker auch als Arbeitsbereich oder um zusätzlich Lebensmittel anzubauen oder Hühner zu halten.
Optisch eine Wucht – die auch ins Gameplay reicht
Was einem fast sofort auffällt: Manor Lords ist ein richtiger Hingucker. Kaum zu glauben, dass Manor Lords wie RimWorld oder Stardew Valley von einem einzigen Entwickler stammt. Dieser hat zwar schon Hilfe für einige Bereiche, doch sonst läuft alles in Eigenregie. Sogar die Jahreszeiten inklusive Schnee sehen hier bereits deutlich beeindruckender aus als beim bislang noch enttäuschenden Cities Skyliens 2.
Doch es sind nicht nur die schönen Gebäude oder die grandios inszenierten Jahreszeiten, die diese Optik hervorzaubern. Zum Teil hängt das tatsächlich mit dem Gameplay des Spiels zusammen. Wir ziehen keine rechteckigen Raster wie in Anno, sondern optional auch geschwungene Straßen. Die meisten Gebäude nehmen zwar dennoch rechteckige Grundstücke mit fester Größe ein, doch die Behausungen ziehen wir als Flächen auf, die dynamisch mit einer entsprechenden Zahl Gehöften gefüllt wird. Haben diese genug Platz im Garten, können sie mit Erweiterung zusätzliche Ressourcen generieren oder als Arbeitsplatz für ein spezialisiertes Handwerk dienen. Wer Gemüse anbauen will, sollte den Garten außerdem deutlich großzügiger Gestalten.
Auch der Bau eines Hauses ist ein Augenschmaus. Zum einen weil Baumstämme erst durch Ochsen herangezogen werden müssen, zum anderen aber auch, weil Manor Lords unglaublich tolle Bauanimationen hat, durch die man Gebäude Stück für Stück wachsen sieht. Wo in vielen anderen Titeln die Animationen leider im starken Zeitraffer geschehen, dauert der Bau in Manor Lords oft etwas länger, sodass sich diese liebe zum Detail auch lohnt.
Zeit und Mensch als wichtige Ressource
Die Zeit ist ohnehin eine wichtige Ressource im Spiel. Für den Bau braucht man etwa Familien, die sonst gerade keiner Arbeit zugeordnet sind. Davon hat man oft nicht so viele. Außerdem müssen Baumstämme von Ochsen gezogen werden – von denen man anfangs nur einen besitzt. Und Baumstämme werden fast überall benötigt!
Doch auch sonst müssen sämtliche Waren von A nach B getragen werden. Die Warenhäuser sind nicht wie in Anno 1800, wo Waren einmal eingelagert aus jedem anderen Lagerhaus bezogen werden können. Stattdessen gibt es hier nachvollziehbare Warenverläufe wie bei einem Siedler-Spiel. Und da die Menschen keine Dauerläufer sind, sollte eine gutgeplante Siedlung eher kurze Transportwege bevorzugen.
Dazu kommt, dass die Familien ihre Bedürfnisse wie Nahrung, Feuerholz oder Kleidung über den Marktplatz stillen. Die Waren werden also nicht direkt aus einem Lagerhaus, sondern über Marktstände bezogen, die von Bürgern betrieben werden, deren Familie im entsprechenden Handwerk arbeiten. Baut man ein Haus für ein bestimmtes Handwerk – etwas als Brauerei – um, ist die dort lebende Familie fortan fest für diesen Beruf eingeteilt. Nur bei externen Arbeitsplätzen lassen sich die Arbeitskräfte saisonal flexibel schieben.
Was bislang fehlt, sind allerdings Möglichkeiten, die Transportzeiten durch Upgrades zu verkürzen. Handkarren oder von Tieren gezogene Wagen mit größerer Kapazität und Geschwindigkeit fehlen mir hier – gerne auch erst über Handwerker hergestellt. Auch gepflasterte Straßen für verbesserte Fortbewegung – insbesondere bei Regen – könnte ich mir für das spätere Spiel sehr gut vorstellen.
Ein Spiel mit vielen Baustellen
Manor Lords hat ohnehin noch einige Baustellen, die angegangen werden müssen. Die offensichtlichsten sieht man etwa im Entwicklungsbaum oder den Gesetzen. Dort deutet sich an, dass es später noch etliche Optionen mehr gibt, aber Inhalte noch nicht eingebaut sind. Auch manche Waren, wie etwa Holzteile oder Werkzeuge, haben derzeit nur einen Wert für den Handel. Auch bei Spielstart gibt es Andeutung an spätere Features. Die Auswahl der Map lässt auf später mehrere Karten schließen und die ausgegraute Option für KI-Konkurrenten auf KI-Gegner die selbst Städte bauen.
Generell gibt es aber schon KI-Gegner, die auch Ansprüche auf Regionen ausüben, aber bis auf militärische Angriffe nicht sichtbar sind. Auch ist dieser Gegner aktuell sehr schlecht ausbalanciert, expandiert sehr schnell und ist zu Beginn militärisch stark überlegen. Spielt man nur mit Banditen fehlt dagegen schnell die Herausforderung, da die Banditencamps immer nur aus einer gleichschwachen Truppe bestehen.
Auch wirtschaftlich läuft noch nicht alles rund. Dass das Demo-Feedback dafür sorgte, dass man schon große Felder braucht um die Bevölkerung zu versorgen, gefällt mir dabei noch sehr gut. Da kann man sich bei starkem Bevölkerungswachstum gewaltig verheben. Leider skalieren andere Bereiche weniger gut. Gemüse gibt es lediglich über Hauserweiterung, Beeren und vor allem Fleisch sind sehr stark beschränkte Ressourcen, die es nur einmal pro Region gibt. Gerade beim Fleisch hoffe ich künftig auf eine Möglichkeit durch Viehzucht. Aktuell bevölkern die Weiden nur Schafe, die lediglich Wolle geben.
Auch für viele spätere Ressourcen wie Lehm, Stein, Eisen und ihre weiterverarbeiteten Produkte mangelt es aktuell noch an Verbrauchern. Die aktuell letzte Ausbaustufe der Gehöfte deutet mit den geforderten Ziegeln aber schon eine Richtung an. Wenn deren Bedürfnisse implementiert werden, etwa durch Werkzeuge, und dazu gepflasterte Straßen kämen, ist Manor Lords auf dem richtigen Weg.
Manor Lords mangelt es noch an Variation
Aktuell lohnt sich Manor Lords schon für seinen idyllischen Städtebau. Der Bau der Städte ist jedoch noch sehr ähnlich. Das merkt man vor allem, wenn man neue Gebiete auf der Karte freischaltet und dort neue Städte errichtet. Auf jedem Gebiet sind grundlegend die selben Ressourcen vorhanden, wenn auch nur manche der begrenzten Ressourcen als „üppige“ Quelle vorhanden sind, die nicht nur ein größeres Volumen, sondern auch Nutzungen im Entwicklungsbaum bieten, der zumindest für jede Stadt separat läuft.
Die wichtigste Ressource ist aktuell aber tatsächlich guter Ackerboden. Für andere Ressourcen gibt es in der höchsten Bevölkerungsstufe einfach noch keine ausreichend starken Verbraucher. Da das Spiel jedoch sagt, dass neue Bedürfnisse hinzukommen, aber in Stufe 3 noch keine implementiert sind, dürfte da sicherlich noch einiges folgen. Stark ist, dass das Spiel bereits eine 3-Felder-Wirtschaft bevorzugt. Dabei wird ein Feld jedes Jahr anders bestellt um eine höhere Fruchtbarkeit zu gewährleisten. Im ersten Jahr baut man etwa Weizen an, im zweiten Gerste und im dritten liegt es zur Erholung ganz brach. Manor Lords lohnt sich also schon für Freunde komplexerer Landwirtschaft. Das Spiel deutet aber schon an, dass wir später noch stärker unsere Schwerpunkte setzen. Neben der normalen Siedlungen gibt es nämlich aktuell noch ausgegraute Optionen für beispielsweise Bergbausiedlungen.
Damit bekommt der Handel zwischen den eigenen Städten dann hoffentlich auch größere Relevanz. Wir können nämlich Waren zwischen den Städten austauschen. Zum Glück darf man dabei nicht einfach Waren verschenken. Stattdessen findet ein gleichwertiger Austausch statt. Durch die recht ähnlichen Siedlungen hält sich der Nutzen noch in Grenzen, aber spätestens wenn die Bergbau-Ressourcen stärker genutzt werden, ist es sinnvoll den Brotüberschuss einer Bauernstadt gegen Eisen oder Stein aus einer entsprechenden Stadt mit quasi endlosen Reserven zu tauschen. Das für den Handel mit den eigenen Städten oder nach außen ebenfalls Personen gebunden werden, lässt eine autarke Siedlung auch ihre Vorzüge haben.
Militär mit Potential – Manor Lords lohnt sich aber nicht als Total War-Ersatz
Die ersten Bilder vom Militäraspekt des Spiels haben große Hoffnungen geweckt. Größere Schlachten mit Truppen, die in Verbänden gesteuert werden und taktische Finessen in der Positionierung.
Davon nutzt das Spiel bislang aber nur wenig. Ich kann per Haltung Truppen mehr in Defensive oder Offensive gehen lassen, um etwa mit Truppen in Verteidigungsposition zu Blocken und mit aggressiveren in den Rücken zu fallen. Aktuell gewinnt trotzdem vor allem die Masse. Außerdem ist es nicht unbedingt befriedigend, wenn ich mehrere Salven Pfeile in gegnerische Banditen ohne nennenswerte Rüstung feuere, ohne dass auch nur ein Pfeil tödlich ist. Das soll bald allerdings verbessert werden.
Man merkt allgemein noch, dass das Militär sehr neu und schlecht balanciert ist und auch die Schlacht-KI stellt sich derzeit noch ausgesprochen dumm an. Trotzdem sieht man das Potential mit Mechaniken wie Moral und Erschöpfung. Auch sehen die Kämpfe an und für sich ziemlich gut aus.
Dazu trägt auch bei, dass die Truppen recht individuell sind. Zwar gibt es aktuell nur 4 verschiedene Truppentypen für die eigene Miliz, doch diese sieht angenehm bunt aus, da die Truppen standardmäßig ihre normale Kleidung tragen. Rüstungen kann ich aber trotzdem herstellen, wobei aber eben jeder Bewohner individuell erst eine Rüstung bekommen muss. Innerhalb der Truppen kann das also schon relativ bunt zugehen. Kommen später noch Mauern dazu, könnte Manor Lords militärisch eine angenehme Lücke zwischen Stronghold und Total War füllen.
Aktuell lässt sich auf das Element aber auch weitgehend verzichten. Mit einem KI-Gegner hat man einen zunächst übermächtigen Gegner, Banditen stellen dagegen keine Herausforderung dar. Sobald man sich Söldner leisten kann, lässt sich jedes Banditenlager ohne nennenswerte Gegenwehr beseitigen.
Wie sieht die Roadmap von Manor Lords aus?
Entwickler Slavic Magic hat bewusst darauf verzichtet, eine feste Roadmap für den Early Access zu veröffentlichen. Viele Entwickler geben damit einen Ausblick, welche Features in Planung sind, teils auch direkt mit konkreten Zeiträumen. Der Manor Lords-Entwickler hat aber bereits die Erfahrung gemacht, dass manche Features den Testern weniger wichtig waren als ihm selbst. Daher möchte er lieber aktiv das Feedback aufnehmen und das Spiel entsprechend weiterentwickeln.
Trotzdem deutet das Spiel schon in vielen Menüs kommende Features an. Mehr Bevölkerungsstufen, mehr Bedürfnisse, mehr Spezialisierung und mehr Optionen für Entwicklungsbaum und Gesetze. Auch das Militär ist ein sehr junges Feature und wird noch mehr Möglichkeiten bekommen. Ebenso scheinen mehr Maps oder tatsächliche KI-Konkurrenten die in Echtzeit parallel zu euch Städte bauen möglich. Das sind aber eine ganze Menge Baustellen die zum Teil auch sehr umfangreich sind.
Selbst Features die aktuell angedeutet werden sollte man allerdings noch nicht als fest versprochen sehen. Gerade weil der Entwickler dynamischer auf die Community eingehen möchte, hat er durch den Early Access-Start erst einmal eine ganze Menge Feedback, das es zu sortieren gilt. Kürzlich gab es jedoch eine kleine Umfrage, welches großes Thema bei den Spielern Vorrang hat. Burgen und Belagerungen führen dabei knapp vor den KI-Siedlungen.
Für wen lohnt sich Manor Lords im Early Access?
Ich habe mich schon so ein bisschen in Manor Lords verliebt. Die Art und Weise wie Siedlungen gebaut werden und die unglaublich schöne Präsentation inklusive Jahreszeiten und Wetter machen es schon jetzt zu einem der schönsten Aufbauspiele. Auch vom Gameplay kann man bereits ein solides Fundament erkennen, das gerade auch im Management der Familien Komplexität verbirgt.
Ist es aber schon die 40 Euro wert, die das Spiel für den Early Access verlangt?
Nur wenn ihr wirklich an dem Spiel interessiert seid und euch der unfertige Zustand nicht stört. Dann wird es durchaus spannend, das Spiel durch seine Entwicklung zu begleiten, die sicherlich noch ein paar Jahre dauern dürfte. Solo-Entwickler Slavic Magic hat bereits 7 Jahre Entwicklungszeit in das Spiel gesteckt. Allerdings lohnt sich Manor Lords im Early Access besonders für Game Pass-Besitzer. Das Spiel ist nämlich direkt zum Start des Early Access auch Teil des Gaming-Abos. Entsprechend kostet dort der erste Blick auf das Spiel noch nichts.
Im aktuellen Zustand ist Manor Lords bereits ein sehr tolles Aufbauspiel, das nach einigen Stunden jedoch noch schnell repetitiv wird. Die Wirtschaft ist dabei ungefähr wie Anno 1800, wenn man die 3. Bevölkerungsstufe schon bauen könnte, aber noch keine neuen Bedürfnisse und Waren hinzukämen. Auch der militärische Aspekt hat bereits großes Potential, ist aber noch sehr rudimentär umgesetzt.
Die Vision des Spiels ist aber bereits deutlich zu erkennen. Setzt es diese konsequent weiter in dieser Qualität fort, dürfte Manor Lords das Genre ordentlich umkrempeln. Das betrifft nicht nur die Optik und das bisherige Gameplay, sondern auch die Art, wie das Mittelalter-Setting sehr authentisch angegangen wird. Doch jetzt entschuldigt mich: Mein Volk verlangt nach mehr Gemüse.
Image by Slavic Magic, Screenshots by Stefan Reismann
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