Spiele zu bekannten Animes haben eine lange Tradition. Schon auf der ersten PlayStation habe ich mich durch das Dragonball-Universum geprügelt. Ganz vorne dabei ist heute natürlich auch One Piece, mit über 100 Manga-Bänden. Auch bei uns lief jüngst sogar die 1.000 Folge des Animes und auf Netflix ist die Live Action-Adaption ein riesiger Erfolg. Doch lohnt sich One Piece Odyssey – das neueste Videospiel des Mega-Franchise?
Das spannende: One Piece Odyssey sticht gegenüber anderen Spielabenteuern der verrückten Piratenbande deutlich hervor. Statt Prügler oder Action-Adventure, serviert man diesmal ein waschechtes, rundenbasiertes JRPG. Schon beim Summer Game Fest 2022 weckte das Spiel mein Interesse. Der Trailer war für mich Dragon Quest 11 mit One Piece-Charakteren. Das setzt allerdings die Messlatte auch sehr hoch. Wie nah es wirklich an Dragon Quest rankommt und ob es mit den Kampffähigkeiten der Strohhutbande funktioniert, verrate ich euch im One Piece Odyssey-Test.
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Was ist One Piece?
Falls ihr nicht so tief in der Anime-Materie steckt: Bei One Piece geht es um Monkey D. Ruffy, einen jungen Piraten, der sich – zunächst ohne Schiff und Crew – in den Kopf gesetzt hat, der nächste König der Piraten zu werden. Eine sogenannte Teufelsfrucht verlieh ihm dabei unfreiwillig die Kraft, seinen Körper wie Gummi dehnen zu können. Mit seiner unbekümmerten Art sammelt er schon bald eine illustre Gruppe von Mitstreitern um sich, um zur Grand Line zu segeln. Dort hatte der Piratenkönig Gol D. Roger vor seiner Hinrichtung den „größten Schatz der Welt“ versteckt. Als er dies auf dem Schafott verkündete, brach eine neue Piratenära an. Entsprechend begegnen der Bande um Strohhut Ruffy viele andere gefährliche Piraten – und natürlich ist auch die Marine auf Piratenjagd.
Einen ersten Blick ins Spiel bietet der offizielle Trailer zu einer orchestralen Version des Kult-Openers „We are!“:
Die Kämpfe – Ich möchte sie mehr lieben
Für mich persönlich lohnt sich One Piece Odyssey an sich schon wegen dem JRPG-Genre. Ich habe es einfach nicht so mit klassischen Prüglern, liebe dafür aber vor allem rundenbasierte JRPGs. Gerade deshalb schmerzt es ein bisschen, dass ausgerechnet die Kämpfe zu den Problemzonen des Spiels gehören. Dabei stimmt die Grundsubstanz eigentlich.
Im Gegensatz zu anderen Spielen gibt es keine Elemente, dafür werden alle Charaktere und Monster in eine von drei Kategorien unterteilt: Kraft, Technik und Tempo. Jede Kategorie ist gegen eine andere stark und schwach – simples Stein-Schere-Papier-Prinzip. Dazu gibt es einige andere Effekte die gegen manche Gegner gut oder weniger gut funktionieren. Spezialangriffe kosten SP, die man mit ganz normalen Angriffen regeneriert. So weit so einfach und gut.
Auch das Kämpfe in mehrere Bereiche unterteilt sind und die meisten Angriffe nur Gegner im eigenen Bereich treffen oder Gegner in andere Bereiche schleudern ist ein schönes taktisches Element, das ich sehr begrüße.
Nur leider wirkt der Kampf nicht konsequent zu Ende gedacht. Zum einen dürften sich manche Attacken gerne in mehr unterscheiden als ein paar Schadenspunkte und die SP-Kosten. Zum anderen sind die Kämpfe zu Teilen lächerlich einfach und ohne wählbaren Schwierigkeitsgrad. Und das sage ich als jemand, der die Schwierigkeit nie auf Anschlag dreht, sondern meist auf „Normal“ spielt.
Ein bisschen relativiert sich das, sobald man in sandigere Gefilde kommt. Zu Beginn gibt’s teils sehr viel Erfahrung, vor allem wenn man die kleinen Aufgaben innerhalb mancher Kämpfe erfüllt. Das hat mich einmal gleich 5 Level nach oben katapultiert. Die Kämpfe werden aber noch fordernder als zu Beginn.
Hübsches One Piece-Universum mit Abstrichen
Ähnlich dem Kampfsystem zeigt sich auch die Spielwelt. Die Figuren sehen gut aus und auch die beiden neuen Charaktere wissen zu gefallen. Außerdem besuchen wir nicht nur die neue Insel Waford, sondern auch einige ikonische Schauplätze der Serie. Es ist eine riesige Freude das Wüstenkönigreich Alabasta selbst durchstreifen zu dürfen, einer meiner Lieblings-Arcs der Manga- und Animevorlage.
Im Detail gibt es leider aber auch hier Abzüge. Die Welt ist nicht wirklich offen, sondern deutlich auf der Schlauchseite des Mapdesigns. Das ist nicht völlig schlimm, da das Spiel sehr storylastig ist und Schlauchdesigns mehr Führung ermöglichen. Der schraffierte Filter täuscht zwar über einige Detailschwächen hinweg, wirkt auf vielen Texturen wie Sand aber leicht fehl am Platz. Auch wiederholen sich NSC-Designs in Städten wirklich schnell.
Eine Freude macht natürlich auch die Gestaltung der Hauptcharaktere. Diese geben dabei mitunter auch ein paar herrlich übertriebene Gesichtsausdrücke und Posen zum Besten, die zum starken Wiedererkennungswert der jeweiligen Crewmitglieder beitragen. Auch die schrullige Tierwelt der Vorlage findet genug Raum, sich von ihrer beklopptesten Seite zu präsentieren. Etwas enttäuscht hat mich das Design von Vivi. Die Haare der Spielversion wirken doch etwas stärker vom Anime entfernt. Vermutlich wurde hier aber mehr der Comic als Referenz genutzt, bei dessen Artworks die Farbe schon wieder eher passt.
Backtracking-Problem und Crew-Fähigkeiten
Ein weiteres Problem des Spiels ist das Backtracking. Die Quests schicken euch gerne mal die selben Wege hin und her. Das bedeutet vom einen Ende der Stadt zum anderen, wieder zurück, dann kurz vor die Stadt, wieder zurück und so weiter. Dabei verliert sich gelegentlich der Flow des Spiels. Zugegeben nicht das erste JRPG, das mit dem Pacing seine Probleme hat. Dafür lohnt sich One Piece Odyssey für alle, denen massiver Grind auf die Nerven geht. Durch den Schwierigkeitsgrad müssen wir nicht länger als nötig in Gebieten zu verbringen und es gibt keine Zufallskämpfe.
Es ist eher der innere Perfektionist, der das Spiel dann etwas herauszögert, wenn man die Maps nach Würfeln für Fähigkeitsupgrades, Schätzen und Co durchsucht. Vor allem weil wir nur mit einem Crewmitglied als Leader durch die Welt gehen. Und jedes Crewmitglied hat dabei andere Spezialfähigkeiten. Ruffy kommt mit seinen Gummiarmen an entfernte Orte und kann mit seinem Observations-Haki versteckte Gegenstände aufspüren. Nami findet dagegen versteckte Berry und Sanji Zutaten. Und auch wenn man schnell reich ist und nicht zwingend auf Sanjis gesundheitsfördernde Nahrung angewiesen ist, möchte man halt irgendwie nichts auslassen, auch wenn das ständige Wechseln etwas auf die Spiellust geht. Zumindest machen sich Crewmitglieder auch bemerkbar, wenn es was interessantes für sie zu entdecken gibt.
Trotzdem hätte ich gerne in der offenen Welt die ganze Crew gesehen und nicht nur bei den Zwischensequenzen. Mit all den vielen Charakteren hätte sich zudem auch ein Fotomodus angeboten, wie es selbst manch kleinere Produktionen wie Atelier Ryza bieten. Die bunte Crew bietet sich einfach an, vor ikonischen Orten in Szene gesetzt zu werden. Auch das Feature, im Camp Kleidung zu wechseln, wirkt schlecht ausgereizt. Aktuell gibt es nur das Standard-Outfit und die für Vorbesteller exklusiven Klassik-Outfits, mit welchem Erinnerungen vor dem Timeskip der Serie wach werden. Hier riecht es stark nach den genre-typisch überteuerten Kleidungs-DLCs.
Braucht man Vorkenntnisse / Gibt es Anime-Spoiler im Spiel?
One Piece Odyssey lohnt sich vor allem, wenn ihr bereits mit dem Manga oder Anime vertraut seid. Während mir die Serie schon viel zu oft die immergleichen Rückblicke als Filler-Folgen reingedrückt hat, verschwendet das Spiel keine Sekunde daran, mögliche Neulinge in das Setting und die Piratenbande rund um Strohhut Ruffy einzuführen.
Das macht es für Serieneinsteiger sehr schwer einen Bezug zur Truppe aufzubauen. Die Crew ist ein bereits eingespielter Haufen und jeder hat die Eigenheiten der anderen schon mehr oder weniger akzeptiert (Zorro und Sanji zoffen sich natürlich trotzdem gern).
Noch schwieriger könnte das Spiel allerdings sein, wenn ihr die Serie angefangen habt, aber noch mittendrin im Geschehen seid. Das Spiel lässt euch mehrere Storyzweige neu erleben und spoilert gegebenenfalls schon das ein oder andere, was ihr noch sehen wird. Der frühste Story-Arc ist Alabasta, im Anime von Folge 92 bis 130. Der fortgeschrittenste Story-Zweig durch den ihr euch spielt ist „Dressrosa“, der sich im Anime von Folge 629 bis 746 spannt. Die ausgewählten „Erinnerungen“ im Spiel führen euch also sehr weit durch die One Piece-Historie.
Lohnt sich One Piece Odyssey? Das Fazit
One Piece Odyssey ist ein Spiel, das ich mehr liebe als ich es sollte, zugleich aber nicht so sehr, wie ich es gerne täte. Ich bin ein absoluter Fan von der Idee, das Franchise ins JRPG-Genre zu holen. Und während viel Kritik auf Steam und Co eher gegen die Genre-Wahl als die Qualität an sich hagelt („Warum gibt es keinen Klassik-Modus, wo man in Echtzeit kämpft“), funktioniert das Setting mit den Rollenspiel-Mechaniken echt gut. Die Attacken sind schön inszeniert und auch die Idee, Kämpfe in mehrere Bereiche zu verteilen, ist ein frisches und zur Serie passendes Element.
Umso mehr ärgert mich, dass dem Spiel an vielen Stellen die letzte Konsequenz fehlt. Die Welt ist schön, wirkt aber zu statisch, das Kampfsystem hat coole Ideen, verschenkt sie aber durch fehlenden Schwierigkeitsgrad. Auch ist die Geschichte spannend, wirkt dann aber durch Backtracking und Co zäher als sie sein müsste.
Nicht falsch verstehen: Gerade für Fans der Serie und JRPGs lohnt sich One Piece Odyssey absolut. Es ist ganz klar eine der besten Anime-Umsetzungen. Hätten die Entwickler jedoch noch ein bisschen mehr Mut und vielleicht auch Vertrauen in ihre Ideen gehabt, hätte das Spiel sogar Potential gehabt, sich auf Augenhöhe zu anderen Genre-Größen wie Dragon Quest 11 zu gesellen. So ist es „nur“ ein gutes JRPG geworden, dass allerdings durch seine Integration alter Story-Arcs Potential für größere DLCs bietet, falls man sich nicht noch einige Highlights für eine Fortsetzung aufheben möchte.
Was das Spiel der Vorlage aber deutlich voraus hat: Teamwork! Wo im Anime fast jeder seinen eigenen Kampf führt, gehen hier die Stärken der Crew Hand in Hand. Das hätte ich mir im Anime deutlich öfter gewünscht. Ansonsten ist das Spiel aber sehr nah an der Serie und bietet Fans viele nostalgische Momente.
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Screenshots by Stefan Reismann
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