Lohnt sich Palworld im Early Access?

Pokémon mit Gewehren und Raketenwerfern? Palworld geht auf Steam aktuell durch die Decke. Zwischenzeitlich zählte das gerade erste in den Early Access gestartete Spiel 2,1 Millionen zeitgleiche Spieler. Zur Einordnung: Der all-time peak von Cyberpunk 2077 lag bei 830.387 zeitgleichen Spielern, bei Elden Ring 953.426. Einzig PUBG hatte einen höheren Spieler-Peak auf Steam. Doch lohnt sich Palworld im Early Access schon wirklich?

Da das Spiel zusätzlich auch bereits im Game Pass spielbar ist, habe ich die Gelegenheit genutzt, den Survival-Hit anzuspielen. Konnte mich das Spiel einfangen? Und was ist an Plagiats- und KI-Vorwürfen dran? Diese Fragen beantworte ich ebenso wie die wohl aller wichtigste Frage: Ist Palworld bereits jetzt ein würdiger Pokémon-Herausforderer?

Im Game Pass Ultimate Palworld und Hunderte weitere Spiele genießen(Provisionslink)

Besser als erwartet

Ich muss ehrlich sein: Im Vorfeld hatte ich mir von Palworld nicht all zu viel erwartet. Was ich sah, erinnerte mich weitgehend an generische Survivalspiele, die um einen Sammelmonster-Aspekt erweitert wurden. Das trifft auch weitgehend zu.

Doch es funktioniert einfach gut und Palworld lohnt sich vor allem wegen des Genre-Mix. Wie beim Genre gewohnt, fängt das Spiel eher damit an, dass wir Rohstoffe sammeln, um uns zunächst erste richtige Werkzeuge und schließlich eine erste Basis zu bauen. Erst damit kommt dann auch die Herstellung für alles was wir zum Fangen unserer Pals brauchen so wirklich in Gang. Und die Pals kurbeln ihrerseits wieder unsere Produktivität an.

Dass die Zeit zum craften mit höherwertigen Items fast schon elendig lang wird, hat mich zu Beginn gestört. Und selbst spätere Elektrizität nimmt einen die Arbeit nicht wirklich ab. Dafür aber unsere Pals, die nicht nur im Kampf gegen andere Pals eine große Bereicherung sind, sondern jeweils unterschiedliche Aufgaben in unserer Basis übernehmen. Schnell hat man Pals die Holz hacken, Metalle abbauen, Ackerbau betreiben oder einem beim Craften unter die Arme greifen. Dieser Nutzen abseits des Kampfes fehlt etwa in den aktuellen Pokémon-Titeln. 

Das sorgt nicht nur für ordentlich Leben in der Basis, sondern motiviert auch einfach zum weiteren Ausbau. Manche Pals können nur eine einzige Tätigkeit, andere sind Multifunktionswerkzeuge. Da sich Pals nur durchs Werfen an Werkbänke bestimmten Tätigkeiten mehr oder weniger zuordnen lassen, haben Spezialisten aber auch ihre Daseinsberechtigung. Auch müssen wir abwiegen ob die stärkere Arbeitskraft immer den größeren Hunger größerer Pals aufwiegt – denn auch die wollen versorgt werden.  

Es entwickelt sich eine angenehme Gameloop, in der man unbedingt noch ein weiteres Pal fangen, ein neues Level Aufsteigen oder genug Materialien für den nächsten Ausbau sammeln möchte und man plötzlich beim Blick auf die Uhr erschrickt.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Überraschend guter Zustand

Early Access-Spiele können eine holprige Erfahrung sein. Viele Spiel-Elemente sind nur rudimentär vorhanden, fehlen komplett oder nerven noch mit einigen Fehlern und schlechter Performance. Ich habe schon den ein oder anderen Early Access hinter mir und längst realistische Erwartungshaltungen, wenn ein Spiel frisch an den Start geht.

Palworld überraschte mich daher schon positiv zum Start. Gerade der Basisbau-Aspekt ist schon überraschend üppig ausgestaltet. Trotzdem gibt es natürlich auch Dinge die einem noch sauer aufstoßen. Dass es mehrere Ausbaustufen des Kühlschrank gibt, aber keine Möglichkeit es ohne ein Pal zum Kühlen zu betreiben nervt einfach. Pals müssen zwischendurch Schlafen und selbst tagsüber die ganze Zeit eine wertvolle Arbeitskraft nur für das Kühlen der Lebensmittel abzustellen ist es einfach nicht wert.

Insgesamt läuft das Spiel aber für seinen frühen Entwicklungsstand überraschend gut. Ab und an buggt sich ein Pal in der Umgebung fest, die Wegfindung der Pals ist in kleineren Räumen etwas schwerfällig und auch das Magement der Arbeitskräfte im Lager könnte gerne noch komfortabler sein. Aber die Elemente greifen bereits gefällig ineinander und ich hatte bislang keinen Bug der das Spiel abstürzen ließ – auch wenn es solche Bugs wohl durchaus gab und gibt. Auch die Performance ist für das Gewusel im Lager völlig in Ordnung. Für mich lohnt sich Palworld also auch schon im derzeitigen Zustand.

Zum guten Zustand gehört auch eine überraschend gute Führung durch ein Tutorial, dass wie auch das gesamte Spiel bereits auch auf Deutsch übersetzt ist. Trotzdem hilft es natürlich, wenn man bereits einige Erfahrungen mit Survival-Sandboxes gesammelt hat und die groben Abläufe schon verinnerlicht hat. 

Ein Spieler reitet auf einem Alpaca-ähnlichem Pal.
Endlich ein reitbarer Untersatz. Das erste Mal auf einem Pal zu reiten macht Spaß – ist aber noch lange nicht das Ende der spielerischen Fahnenstange.

Weniger dynamisch als erster Trailer suggerierte

Trotzdem darf und muss man auch bei Palworld kritisch sein. Gerade der erste Trailer des Spiels zeichnete noch ein etwas dynamischeres Bild des Spiels, dem der aktuelle Entwicklungsstand nicht ganz gerecht werden kann. Nicht nur wirken die Kämpfe dynamischer. Auch die Arbeit an den Fließbändern wirkte besser, wenn auch deutlich dystopischer inszeniert. Ebenso sah man dort eine deutlich größere Stadt als man sie bislang selbst bauen könnte und Teaser auf agentenhafte Missionen und geordnete Teamkämpfe.

Dass gerade der erste, aber auch der zweite Trailer abseits der Paldesigns dann doch stark vom tatsächlichen Spiel abweichen, hat aber zugegeben auch einen einfachen Grund: Als der erste Trailer gemacht wurde, existierte das Spiel einfach noch nicht. Der Trailer diente vor allem dazu das Interesse am Konzept abzuklopfen. Selbst der CEO des Entwicklerstudios Pocketpair gestand, dass Palworld das „Gegenteil einer ordentlichen Spielentwicklung“ ist, bei dem man sogar von Unity auf Unreal Engine 4 wechselte ohne dass jemand im Team damit Erfahrung hatte.

Ein paar Problemzonen

Auch wenn das Gameplay schon ziemlich rund wirkt, gibt es noch einige Baustellen. Ich würde mir etwas mehr Kontrolle über meine Pals im Kampf, aber auch eine feste Zuordnung eines Pals zu einer Aufgabe im Lager wünschen. Auch die Effektivitäten der Pal-Typen gegeneinander wirkt auf Champs unzähliger Pokémon-Regionen eher sehr dünn.

Dünn wirken außerdem auch manche Gebiete. Vielleicht fehlen mancherorts auch noch geplante Pals, denn einige Regionen wirken zwar bereits relativ hübsch von der Landschaft aber gespenstisch leer an Pals im Vergleich zu den meisten Regionen. Auch wirkt der Verlauf der Schwierigkeit noch ein bisschen willkürlich. Auch Weiterentwicklungen von Pals wären wünschenswert. Ich befürchte aber, dass es eher ein Wunschdenken bleibt und man sich bewusst gegen Evolutionen entschieden hat. Dafür gibt es einige Pals die man durch das züchten zweier unterschiedlichen Pals erschaffen kann.

Auch bei der Optik des Spiels bin ich noch nicht so ganz überzeugt. Die Pals und Charakterdesigns sind sehr hübsch und teilweise großartig animiert – Das lebensbejahende Pal „Depresso“ macht mit seiner Arbeitsenergie jeden Tag schöner. Auch die Landschaft ist jetzt nicht überragendes, aber deutlich schöner und einladender als die letzten Pokémon-Titel, die sich einer offeneren Spielwelt „bemüht“ haben.

Das Probem ist eher die Designharmonie zwischen Pals und Landschaft. Das wirkt für mich noch nicht aus einem Guss. Hier hätte der Landschaft einen Hauch mehr Comic-haftigkeit verkraften können. Bekommt man die Texturen etwas mehr in Richtung Zelda: Breath of the Wild hin, würde es das Gesamtbild des Spiels nochmal aufwerten.

Ein Pal mit geisterhaften Lichtern um sich gönnt sich ein entspanntes heißes Bad im Bottich.
Wer hart arbeitet, darf sich auch mal entspannen. Die Pals lieben ein gelegentliches, heißes Bad. Screenshot by Stefan Reismann.

Kontroversen

Der Erfolg von Palworld liegt womöglich auch zum Teil daran, dass der Überraschungsstart zugleich auch von einigen Kontroversen begleitet wurde. Auch das war entsprechend zusätzliche Werbung für den Titel – doch für diese Kontroversen brauchte es ebenso erst den Erfolg.

Dreiste Pokémon-Kopie?

Während Palworld sich spielerisch drastisch vom klassischen Pokémon abgrenzt, sorgen die Designs der Pals für einen der größten Streitpunkte. Klar: Bei über 1.000 Pokémon erinnert es fast schon an den „Das haben die Simpsons schon gemacht“-Gag von South Park. Irgendwann ist fast jedes erdenkliche Design schon in irgendeiner Art auch schon als Pokémon aufgetaucht.

Trotzdem fällt einem selbst ohne Wissen um diese Kontroverse schnell auf, dass gerade auch bei den Gesichtern erstaunliche Ähnlichkeiten vorherrschen oder ein Grizzbolt wirkt, als hätte man Gengar und Elektek in einen Mixer geworfen. Allerdings sind die Designs auch erst zur Kontroverse geworden, als das Spiel mächtig durch die Decke gegangen ist.

Mittlerweile hat das natürlich auch Nintendo auf den Plan gerufen. Aktuell gehen sie aber wohl vor allem gegen Mods vor, die schon kurz nach Early Access-Start die Pals durch Pokémon ersetzen. Auch die größte Mod-Seite Nexus Mods hat für Palworld kürzlich Pokémon-Inhalte verboten, um dieses gefährliche Gewässer zu umschiffen.

Insgesamt grenzt sich das Spiel trotzdem drastisch ab. Darum lohnt sich Palworld ebenso wie Pokémon, spricht aber allein wegen dem starken Survival-Aspekt und den Echtzeit-Kämpfen eine etwas andere Zielgruppe an.

Das riesige Elektro-Pal Grizzbolt hält mit diesem Grinsen eine Minigun.
Gelegentlich wirken die Pals schon sehr inspiriert von der bekannten Konkurrenz. Die etablierten Taschenmonster sind aber nicht ganz so martialisch. Image by Pocket Pair, Inc.

Nutzung von KI zur Spielerstellung?

Ein weiterer Kritikpunkt der häufig zu Palworld fällt ist die Nutzung von KI-Tools. Auch hier bezieht man sich in erster Linie auf das Paldesign, dass teils wirkt, als hätte man Versatzstücke von Pokémon genutzt. Tatsächlich hat Palworld aber eine Grafikerin, die für fast alle der rund 100 Charakterkonzepte zuständig war.

Ganz grundlos sind die KI-Unterstellungen dennoch nicht. Entwickler Pocket Pair hat im Portfolio auch ein Spiel mit dem Namen „AI: Art Impostor“. Dabei handelt es sich um ein Multiplayer-Spiel, bei dem auf kreative Art KI-Bildgeneratoren genutzt werden. Viele der kritischen Paldesigns kamen allerdings noch aus Zeiten, wo die Bildgeneratoren nicht annähernd so potent waren, wie sie es jetzt sind.

Dass irgendwo im Prozess KI genutzt wurde schließe ich trotzdem nicht aus. Chefentwickler Takuro Mizobe hat gerade wegen des KI-Spiels zumindest eine generelle Offenheit für KI-Tools und auch die Entstehungsgeschichte des Spiels könnte KI zu einem möglichen Mittel gemacht haben, Funktionen schneller zumindest rudimentär einzubauen.

Ob Palworld es nutzt oder nicht: Künstliche Intelligenz ist am Ende auch ein Werkzeug, dass man erst sinnvoll einsetzen muss. Aktuell ist aber nicht einmal bestätigt, ob das Spiel KI nutzt.

Gewalt und Versklavung gegenüber Pals und Menschen

Ein weiterer Kritikpunkt trifft die Waffen und der Versklavung der Pals im Lager. Ich hätte mir auch lieber einen noch stärkeren Fokus auf den Kampf Pal gegen Pal gewünscht. Das generelle Setting mag ich dann aber trotzdem sehr, gerade weil es einen schönen Kontrast zum süßen Look der Pals reinbringt und sich nicht als Kinderspiel zeigt.

Ja, ich kann meine Pals ziemlich mies behandeln. Aber ich kann ihnen im Lager auch die gemütlichsten Betten und heiße Quellen zur Erholung hinstellen. Und ja, man schießt oft auf die Pals ehe man sie einfängt – doch war Pokémon da besser? Auch Pokémon muss man schwächen, bevor man sie fängt. Selbst diese „Drecksarbeit“ zu übernehmen ist eigentlich sogar besser, als dies stets Pokémon (auch gegen eigene Artgenossen) machen zu lassen. Die Darstellung lässt es nur gewalttätiger wirken als beim Nintendo-Hit. Wer den Pokédex liest, wird übrigens auch dort so einige morbide Details erkennen. Zugegeben überschreitet es dabei selten eine gewisse Linie wie etwa Lovander in Palworld – ein Pal mit offenbar sehr starker Libido.

Palworld ist in seiner sehr ungeschönten Art zudem konsequent. Sogar unsere menschlichen Feinde können wir in Kämpfen mit den Palsphären einfangen. Im Paldex befindet sich zwar ein Hinweis, dass das Fangen von Menschen nicht gern gesehen ist, aber diese Gruppierungen greifen uns ja ohnehin an. Wir dürfen unsere Gefangenen zudem auch im Lager schuften lassen – viel haben sie aber nicht drauf und im Gegensatz zu Pals beherrschen sie auch keinen „Partner Skill“. Ich liebe es trotzdem, dass man einfach die Möglichkeit hat. 

Fazit: Lohnt sich Palworld im Early Access?

Ich ging zuerst ziemlich skeptisch an Palworld heran. Auf den ersten Blick wirkte es auf mich doch nach relativ generischer Survival-Kost in einem Pokémon-ähnlichem Setting. Genau das ist es im Prinzip auch. Allerdings ist es auch genau das, was doch extrem gut funktioniert.

Hat es zurecht die zweithöchste Zahl aktiver Spieler, die je ein Spiel auf Steam hatte?

Das noch nicht. Das Spiel ist noch in einem sehr frühen Stadium, hat darum noch entsprechende Mängel und wirkt in seinen Aufbaumechaniken noch eher generisch. 

Palworld ist aber ein wichtiger Fingerzeig. Zum einen zeigt es zeitgleich mit dem ebenfalls sehr erfolgreichen Enshrouded, dass die gefühlt schon lange ausgeschlachtete Survival-Sandbox doch noch große Spielermassen begeistert, wenn man den richtigen Nerv trifft. Zum anderen setzt es etliche Aspekte um, die sich viele Pokémon-Fans schon seit Ewigkeiten von einem zeitgemäßen Pokémon in offener Welt erhofften.

Dabei begeht es zum Glück nicht den Fehler, einfach nur ein Pokémon-Spiel zu sein. Auch wenn es umstritten ist, gefällt mir der etwas düstere Ton. Auch Pokémon hat seine versteckten düsteren Seiten, aber Palworld lohnt sich für mich, gerade weil es nicht erst versucht kinderfreundlich oder politisch korrekt zu sein. Zusammen mit den Survival-Aspekten kann man insgesamt auch keinesfalls von einem Plagiat reden.

Palworld hat noch einige Baustellen, aber ich hatte schon jetzt mehr Spielspaß als in vielen fertigen Spielen und bin mir sicher, dass der bisherige Umsatz des Spiels genutzt wird, um noch ganz viel weiteren Inhalt hinzuzufügen. Für Game Pass-Inhaber braucht man nicht lange nachdenken, aber auch einen optimistischen Kauf ist Palworld eindeutig wert. 

Im Game Pass Ultimate Palworld und Hunderte weitere Spiele genießen(Provisionslink)


Image by Pocket Pair, Inc.

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


Artikel per E-Mail verschicken