Lohnt sich Star Wars Outlaws? Test im Outer Rim

Mit Star Wars Outlaws hatte ich bereits eine bewegte Reise, noch bevor ich es selbst spielen konnte.

Die erste Ankündigung bei der Ubisoft Forward im Rahmen des Summer Game Fest 2023. Was für Bilder – das soll von Ubisoft sein? Um das zu glauben muss ich eigentlich erst einmal mehr sehen.

Dann kam im Juli 2024 – also mit nahem Release – exklusives Gameplay von IGN. Da war es plötzlich, das „ganz miese Gefühl“. Technisch mau, spielerisch noch nicht überzeugend und mit einer ganz furchtbaren Themaldetonator-Szene. Ich hoffte, dass es zumindest ein Hogwarts Legacy im Star Wars-Gewand für mich würde. Dessen Stimmung hat mich nämlich als Fan auch über manche Schwäche hinwegsehen lassen.

Jetzt ist das Spiel aber endlich draußen und ich darf es selbst ausprobieren. Kann es zumindest meinen Mindesterwartungen gerecht werden oder überflügelt es diese sogar? Ich habe mich in die Trailblazer gesetzt und mich in den äußeren Rand einer weit, weit entfernten Galaxis begeben. Und ja, der Thermaldetonator hat sich in der Cutscene nicht geändert.

(K)ein guter Tag für Kay

Eines muss man dem Spiel lassen. Für eine Open World verliert das Spiel überraschend wenig Zeit um zur Sache zu kommen. Für die sympathische Ganovin Kay Vess und ihrem tierischen Begleiter Nix ist nämlich der große Tag – Ein Job noch und sie können endlich den Planeten Cantonica (Bekannt durch die Casino-Stadt in Episode 8) verlassen und sich in den weiten der Galaxis einen Namen machen.

Das „große Ding“ geht jedoch gehörig in die Hose und lässt Kay in sofort in den nächsten Auftrag stolpern, der sich direkt zum nächsten großen Schlamassel entwickelt. Irgendwie kann sie sich aber auch daraus befreien und sich für die Flucht sogar ein Raumschiff „aneignen“. Das ist nach einer typischen Star Wars-Landung aber etwas reparaturbedürftig und ein Todesmarker macht Kay zum lohnenswerten Ziel von Kopfgeldjägern.

Zum Glück trifft sie auf den Rodianer Waka, der ihr nicht nur Hilfe bei der Reparatur ihres Schiffes anbietet, sondern ihr auch einen Kontakt in die Unterwelt der nahen Stadt Mirogana City. Diese wird allerdings von mehreren Syndikaten dominiert und Kay bleibt nichts anderes übrig, sich erst einmal an deren Spielregeln zu halten.

Ein großartiges Helden-Duo

Eine der größten Stärken des Open World-Adventures ist das dynamische Helden-Duo. Da ist zum einen Kay Vess, die sympathische Ganovin, die sich immer irgendwie durchs Leben schlängelt. Man könnte vorwerfen, dass man vielleicht sehr viel Inspiration bei Han Solo gesucht hat. Auch Kay redet sich gerne mal mit Unwissenheit und offensichtlichen Lügen ins nächste Fettnäpfchen, bevorzugt einen handlichen Blaster und trägt relativ ähnliche Kleidung. Ihr anfängliches Streben die Heimat zu verlassen hat dann aber auch ein bisschen Luke Skywalker.

Doch trotz der Ähnlichkeiten hab ich Kay schnell ins Herz geschlossen. Gerade weil sie selbst vieles außerhalb ihrer Heimat noch nicht kennt, ist sie eine gute Figur um die Welt und ihre Regeln kennenzulernen. Und auch wenn ich selbst sicher anders mit Unterwelt-Ikonen reden würde: Kays Hang, ihre Unsicherheit mit losem Mundwerk eher schlecht als recht zu überdecken hat mich oft Schmunzeln lassen.

Mein Herz habe ich aber an ihren Begleiter Nix verloren. Was ihn so gut funktionieren lässt ist aber nicht nur die unglaubliche Axolotl-Niedlichkeit, sondern auch Kays ständige Gespräche und Interaktionen mit ihm. Nix ist nicht nur ein Haustier, sondern Freund und Familie. Das spürt man in jedem Moment und ist auch der Vertonung zu verdanken – die übrigens ebenso in deutscher Sprache exzellent gelungen ist. Es ist außerdem herrlich, wenn selbst einige hartgesottene Verbrecher nicht anders können, als Nix unbedingt kraulen zu müssen.

Zu dem unzertrennlichen Duo gesellt sich außerdem der Droide ND-5. Dieser unterstützt Kay aber vor allem über Funk bei ihren Aufträgen. Trotzdem entsteht eine gewisse Dynamik zwischen den beiden. Allerdings wiederholen sich manche Gespräche über Funk zunehmend.

Das Schleichen: Eine Hassliebe

Kay ist eine Einbrecherin. Sehr logisch also, dass sie ihre Aufträge am liebsten möglichst unauffällig erledigt. In Star Wars Outlaws heißt es daher: Stealth statt Lichtschwert. Genau genommen ist das Schleichen sogar zentraler als zuletzt in Ubisofts beliebter Serie Assassins Creed

Das ist an sich auch eine echt gute Abwechslung. Schächte und Rauch sind ebenso unsere Freunde wie Nix, der auch ein unverzichtbarer Helfer ist, um Feinde abzulenken, die Aufmerksamkeit der Kameras auf sich zu ziehen oder einfach mal ein eine explosiven Kanister in die Luft zu jagen. Auch Kletterpassagen können echt Spaß machen.

Doch auch wenn die Stealth-Grundlage an sich solide ist, liegt dort das größte Frustpotential vergraben. Nicht immer ergibt es Sinn, warum Kay sich nicht über bestimmte Dinge schwingen kann. Manchmal ist auch das Springen hakelig oder die Deckung will doch nicht so funktionieren wie gedacht. Ich hätte mich oft gerne enger an Deckungen geschmiegt oder mich eleganter von einer zur nächsten bewegt.

Wirklich frustrierend wird es, wenn wir in einer Mission nicht entdeckt werden dürfen. Da kann man sich mal eine halbe Stunde durch ein Areal schleichen, nur um dann wegen der manchmal etwas fummeligen Steuerung entdeckt zu werden. Der letzte Autosave-Punkt liegt aber beim Betreten des Areals und mitten in Quests und Kämpfen ist kein manuelles Speichern möglich.

Interessant ist, dass das Spiel sonst allerhand Komfort-Features hat, um potentiell frustrierende Spielelemente zu vereinfachen. Die Stealth-Elemente stell ich mir für Spieler*innen mit Einschränkungen aber als Endstation vor. Allerdings ist es auch lange her, dass ich wirklich mal ein Stealth-Game gespielt habe und irgendwo liegt der Reiz ja auch darin, mit jedem Versuch die Routen der Wachen besser zu kennen. Gerade auf Tattooine gab es da einige der schwierigsten Passagen.

So schön, so hässlich

Apropos Tattooine. Das eigentlich unbedeutende Staubkorn am Rand der Galaxis ist natürlich ikonisch und entsprechend hoch sind die Erwartungen. Während andere Planeten genug Freiheiten für die Designer ließen, kennen die Fans Tattooine einfach schon zu gut.

Und tatsächlich: Es gibt Star Wars-Nerds, die den Weg zur Cantina in Mos Eisley nur anhand markanter Gebäude aus den Filmen gefunden haben. Auch andere bekannte Orte sind überzeugend und auch geographisch stimmig umgesetzt. Überhaupt wissen die Planeten mit stimmungsvollen Städten aber auch allgemein auffälligen Landschaftsmerkmalen zu überzeugen. Hier merkt man den Unterschied zu einem Starfield mit seinen Planeten aus einem bedenklich schlechten Generator.

Dazu sind die Straßen recht belebt und fangen damit sehr gut die Star Wars-Atmosphäre ein. Man sollte aber nicht zu genau hinschauen. Die Bewohner der Städte sind zum Beispiel größtenteils eine eher statische Kulisse, die sich immer am selben Ort aufhalten.

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Ein weiteres Problem kommt durch den Raytracing-Zwang. Ich finde es zwar eigentlich gut, wenn sich AAA(A)-Spiele mal trauen, vergleichsweise neue und Hardware-hungrige Technologien einzusetzen – bei SSDs dauerte das viel zu lange – aber hier geht es wirklich sehr stark auf die Performance, die durch Upscaling gerettet werden muss. Selbst bei einer RTX 3060 wird von Ubisoft empfohlen das Spiel von 720p hoch zu skalieren. Am Ende merkt man, dass einige Texturen dann doch verwaschen wirken, gerade auch in der Vegetation.

Auch sind auf der einen Seite die Animationen in Dialogen der Hauptquest echt gelungen und allgemein sehr cineastisch umgesetzt. In vielen Nebenaufträgen haben die Figuren dann doch eher die Dynamik eines Bethesda-Titels. Da ist es doppelt schade, dass im sonst recht soliden Fotomodus keine Posen oder Mimiken für Kay und Nix auswählbar sind.

Experten brauche keine Level

Trotz der auf der Hand liegenden Vergleiche zu Starfield ist Star Wars Outlaws aber eigentlich ein vollkommen anderes Spiel. Dafür sorgt allein schon der Stealth-Fokus. Außerdem ist es auch nicht wirklich ein Rollenspiel. Wir erstellen uns keinen Charakter, sondern spielen Kay Vess und ihre Geschichte. Dabei gibt es auch keine wirklichen Dialogoptionen. Bei manchen Aufträgen lässt uns das Spiel zumindest entscheiden, welche Fraktion wir glücklich machen, bzw. gegen uns aufbringen wollen.

Deren Wohlwollen lässt sich außerdem auch über generische Aufträge, über das Zuschieben wichtiger Daten oder auch einige größere Nebenquests verbessern. Obwohl die Grundidee gut ist, hätte man noch mehr rausholen können. Statt stumpfer Belohnungen ab einem gewissen Rang hätte man das ganze nochmal mit besonderen Quests oder zumindest ein paar schönen Szenen belohnen können, welche die gestiegene Gunst greifbar machen und zugleich den Fraktionen mehr Persönlichkeit verleihen.

Gelungener sind da schon die Experten. Erfahrungspunkte und Level gibt es nämlich nicht in Star Wars Outlaws. Stattdessen lernt ihr – vorwiegend als optionale Nebenquests – Experten kennen. Nachdem ihr diesen geholfen habt, stehen sie euch mit Rat und Tat zur Seite. Indem ihr bestimmte Materialien sammelt oder Ziele erreicht, könnt ihr über diese Experten verbesserte oder neue Fähigkeiten für Kay, Nix oder auch Gleiter und Raumschiff freischalten.

Gleiter und Raumschiff lassen sich darüber hinaus ebenso wie der Blaster technisch upgraden. Auch über die Kleidung gibt es einige recht individuelle Verbesserungen samt Set-Boni. Was viele Rollenspiele erst nachpatchen ist übrigens bereits von Anfang an möglich: Über ein Transmog-System könnt ihr optisch eine andere Kleidung auswählen als ihr für die Boni tragt.

Auch Nix könnt ihr mit kleinen, rein kosmetischen Upgrades ausstatten. Über sein Futter lernt Nix aber auch ein paar neue Tricks. Dafür gibt es besondere Imbiss-Stände im Spiel, mit den wohl süßesten Quick-Time-Orgien ever.

Das Rufsystem in Star Wars Outlaws. Der Spieler hat sich mit allen Fraktionen gut gestellt. Vor allem mit Hutten und Crimson Dawn
Gute Beziehungen mit den kriminellen Parteien öffnen uns neue Türen und geben Belohnungen. Natürlich arbeiten die Interessen gelegentlich gegeneinander.

Fazit: Dank Farrik!

Im Vorfeld hatte ich die Erwartungen eines Hogwarts Legacy im Star Wars Gewand. Genau das habe ich am Ende bekommen. Objektiv ist es kein Anwärter auf das Spiel des Jahres und es hinterlässt auch keinen großen Fußabdruck in seinem Genre. Viel wichtiger ist aber, dass es den Vibe der Welt einfängt und einem das Gefühl vermittelt, tatsächlich in Star Wars einzutauchen.

Da lässt sich darüber hinwegblicken, dass das Spiel technisch noch seine kleinen Macken hat und spielerisch an vielen Stellen eher gehobenes Mittelmaß ist. Und trotzdem ist es irgendwo auch überraschend, dass ausgerechnet ein Star Wars-Spiel mehr auf die Schleichtugenden setzt als so manches Assassins Creed. Damit zeigt es auch, dass die Welt von Star Wars auch ohne Jedi und Sith viel zu bieten hat.

Außerdem punktet es an überraschender Stelle: Einem Sidekick, der eben mehr ist als nur ein Sidekick. Nix ist das Herz des Spiels und ist ein Paradebeispiel, wie man einen nichtmenschlichen Begleiter einbaut, ohne dass er nervig ist („Hey, Listen!“). Stattdessen nimmt er die Nervigkeit sonstiger Monologe von Adventure-Protagonisten, die sonst in Selbstgesprächen ihre Gedanken oder Umgebungshinweise geben.

Auch sonst ist Star Wars Outlaws ein spielerisch recht rundes Paket. Es gibt einige tolle Nebentätigkeiten wie Sabbacc, die Experten zum Lernen neuer Fähigkeiten flechten sich sehr natürlich in die Geschichte ein und auch das Rufsystem ergibt Sinn, obwohl dem noch etwas mehr Tiefe gutgetan hätte.

Ich bin schon jetzt gespannt auf die beiden größeren DLCs für das Spiel und hoffe, dass dort vielleicht sogar ganz neue Orte hinzukommen. Aktuell lohnt sich Star Wars: Outlaws vor allem für Star Wars-Fans, erfordert aber auf dem PC eine leistungsstarke Hardware. Wem euch die happigen Preise zum Release abhalten, könnte wie ich einfach das Ubisoft+ Premium-Abo nutzen und in der Zeit auch noch andere Titel ausprobieren. Viele Ubisoft-Titel sind allerdings bereits kurz nach Release deutlich im Preis gefallen – es lohnt sich also eventuell noch ein paar Monate zu warten.

Fun Facts

  • Kleine Schilder mit gelben Pfeilen oder teilweise auch Böden mit etwas pfeilartiger Oberfläche weisen einem öfter den Weg. Mir ist das erst etwas später aufgefallen, danach ist es aber nicht zu übersehen. Trotzdem eine noch recht unaufdringliche Art der Wegführung.
  • Unglaublich aber wahr: Nix war ursprünglich nicht geplant. In frühen Konzepten gab es nur Kay und den Droiden ND-5 mit dem Kay vor allem im Funkkontakt steht.
  • Tattooine hat einige der knackigsten Hauptquests. Es lohnt sich eventuell, den Planeten später anzugehen – auch wenn es mein erster Planet nach Toshara war.

Image by Massive Entertainment / Ubisoft

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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