Er ist der Beginn vieler Karrieren, relevant und chronisch unterbesetzt: der Lokaljournalismus. Über Erwartungen und Wünsche an das Lokale. Der Lokaljournalismus ist erkrankt, sein Zustand kritisch, aber nicht lebensgefährlich. Zwischen dem Kaninchenzuchtverein und dem Kommunalparlament wird von Termin zu Termin gehetzt, Spendenschecks und Bürgermeister fotografiert und Sportberichte redigiert – wenn Zeit dafür bleibt. Schnell abdrucken oder mit einer Fotogalerie ins Netz stellen und fertig ist das lokaljournalistische Werk. Für Tiefe, interessante Geschichten und den kritischen Blick fehlen leider die Ressourcen. Zu dem Ergebnis kamen Lokaljournalisten im Lokalblogger.de-Talk.
Welche Aufgabe haben Lokalmedien eigentlich? Ralf Heimann sieht in ihnen einen Helfer: „Die Lokalzeitung hilft da, wo es Fragen gibt„. Wenn irgendwo in der Stadt etwas passiert, sei das Lokalmedium der erste Ansprechpartner. Volker Thies, dessen Spezialgebiet die Lokalpolitik ist, hat den Anspruch, diese leichter verdaulich aufzubereiten, Auswirkungen für das persönliche Leben näher zu bringen. Doch bei all den hohen Erwartungen an einen qualitativ hochwertigen Journalismus dürfe auch die Vereinsberichterstattung, das Porträt der 100-jährigen Dame im Ort oder die Bildergalerie des Stadtfestes nicht außer Acht gelassen werden. Bilder, wo man sich, Freunde oder Verwandte wiederfindet, würden nun einmal auch eine wichtige Rolle spielen, so Heimann. Damit werden nämlich die Erwartungen der Leser erfüllt. Kein unwichtiger Aspekt, wenn man ein Produkt verkaufen will.
Kein Budget für größere Geschichten
Doch Lokaljournalismus besteht aus mehr als nur aus dem Hetzen von Termin zu Termin; Stichwort Agendasetting. Statt Dorffesten und Bürgermeisterterminen hinterherzulaufen wäre es doch angebracht, eigene Geschichten zu finden und das kritische Auge der Stadt zu sein. Andreas Lerg wünscht sich bissige und kritische Lokaljournalisten, solche, die „Politikern nicht nur aufs Maul schauen, sondern auch aufs Maul hauen„. Und er ist sich sicher: „Im Lokalen gibt es unglaublich viel zu erzählen„. Allerdings sei die personelle Ausstattung lokaler Medien „traurig„. Das Budget für größere Geschichten sei schlichtweg nicht da, obwohl sie inhaltlich gut und wertvoll für das Produkt wären, wie auch Katharina Georgi aus eigener Erfahrung berichtet. Auch Videos und andere Multimediaproduktionen sind gern gesehen, aber nicht immer finanzierbar.
Die große Frage lautet deshalb: Woher bekommen Verlage das Geld für solche Beiträge? „Ich weigere mich ein Stück weit, mir darüber Gedanken zu machen. Dafür gibt es Verleger„, meint Volker Thies und schiebt dieses Problem damit von sich. Andreas Lerg stellt fest, dass Paid Content im Internet kaum funktioniere. Was tun? „Man muss es den Leuten einfach machen zu bezahlen, dann machen das die Leute auch„, behauptet Ralf Heimann. Im Musikgeschäft funktioniere dies schließlich auch. Neben dem Anzeigengeschäft könnten Zeitung auch über andere Finanzierungsformen nachdenken. Es komme darauf an, wie man sich als Medienhaus definiere, so Katharina Georgi. Wenn man sich wie der Zeit-Verlag als Bildungshaus verstehe, kann man mit entsprechenden Veranstaltungen und Seminaren Geld verdienen. Das Potential für wirtschaftlichen Erfolg scheint noch nicht ausgeschöpft, wenn sich Lokalmedien nicht bloß als Informationsträger verstehen, sondern auch als Servicecenter und lokaler Akteur, der Voraussetzungen schafft für eine lokale Community.
Deutschlandkarte mit Lokalblogs von Katharina Brunner
Lokaljournalismus ist nicht wegzudenken
In der Regel wird an der Existenz von lokalem Journalismus nicht gerüttelt. Lokaljournalismus muss es geben. Er ist schließlich wichtig für die Demokratie und so. In Anbetracht der vielerorts vorherrschenden Qualität – wenn auch der Ressourcenknappheit geschuldet – darf man dennoch einen Gedanken daran verschwenden, ob Lokalmedien wirklich unverzichtbar sind. Christian Jakubetz hat dies in seinem Blogbeitrag „Lokal? Egal!“ so formuliert: „Der Sicherheit, dass man lokalen und hyperlokalen Journalismus immer brauchen wird, sollte man sich jedenfalls nicht mehr uneingeschränkt hingeben„. Die Gäste im Lokalblogger.de-Talk waren sich sicher: Lokaljournalismus wird definitiv gebraucht – auch, wenn das Interesse an lokalen Inhalten offenbar nachzulassen scheint. Ralf Heimann sähe auch die Politik in der Pflicht, mögliche weiße Flecken auf der lokaljournalistischen Landkarte wieder einzufärben. Ob dies in Form von Printmedien geschehen sollte, sei eine ganz andere Frage, wie Katharina Georgi einwirft. Heimann ist sich aber sicher, dass nach wie vor viele Leute einfach gerne eine Zeitung in der Hand halten möchten. Die Lösung wird langfristig eine sinnvolle Verzahnung von Print und Online sein. Lokal ist also nicht egal.
Image (adapted) „Norfolk NUJ Protest in Norwich, outside the Forum, against Archant’s plans to slash 34 newsroom staff“ by Roger Blackwell (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Lokalblogger, Lokaljournalismus, Medienwandel, Video
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