Sie gilt als Nachfolgerin Ranga Yogeshwars, der uns seit mehr als 25 Jahren im Fernsehen wissenschaftliche Zusammenhänge verständlich macht. Mai Thi Nguyen-Kim räumt derzeit eine Auszeichnung nach der anderen ab. Die 31-jährige Chemikerin erhielt 2018 den Grimme Online Award, den Webvideopreis Deutschland und wurde zudem auch als Journalistin des Jahres vom Medium Magazin ausgezeichnet. Ausgangspunkt ihres Erfolges ist YouTube, eine Plattform, die eher selten für intellektuelle Inhalte bekannt ist.
Für den YouTube-Kanal maiLab alles riskiert
Es liest sich wie der Anfang einer Bilderbuchkarriere: Die Schule schloss Mai mit einem Einser-Abitur ab, studierte Chemie an der Universität Mainz und dem renommierten MIT und arbeitete als Doktorandin unter anderem an der Harvard University. Doch als BASF ihr 2017 eine Laborleiterstelle anbot, traf Mai Thi eine unglaubliche Entscheidung und lehnte das Angebot ab, um sich auf etwas anderes zu konzentrieren: YouTube.
Ihr Kanal maiLab hieß damals noch schönschlau und hatte noch keine 10.000 Abonnenten, ihre Videos wurden bis dahin insgesamt gut 200.000 Mal aufgerufen – keine großen Zahlen für YouTube. Einen vermeintlichen Traumjob aufgeben für eine Tätigkeit, die selbst bei den größten Kanälen noch von weiten Teilen der Gesellschaft belächelt und auf Nachrichtenseiten oft mit „Die sollen mal lieber mal was richtiges arbeiten“ kommentiert wird, scheint auf dem ersten Blick verrückt und überraschend. Allerdings war sie damals nicht nur mit ihrem Hauptkanal aktiv. Außerdem war ihr Kanal trotz der Größe bereits Teil von funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF mit Fokus auf Jugendliche und junge Erwachsene.
Zwei Jahre später zählt ihr Kanal maiLab mehr als 400.000 Abonnenten, täglich kommen weitere 1.000 weitere hinzu. Ihr Kanal ist ein voller Erfolg und auch von fachlicher Seite erhält Mai Thi reichlich Zuspruch. Doch was macht sie so erfolgreich?
Gesunde Fürze, Rezo und das Impfen
Mai This Stärke liegt darin, komplexe Zusammenhänge einfach und mit Humor zu erklären. Ausgangssituation sind oftmals Fragen aus dem Alltag. So widmet sie sich Themen wie den angeblichen Risiken durch Impfungen, dem Phänomen beruhigender ASMR-Videos oder kuriosen wissenschaftlichen Schlagzeilen, wie etwa dass Pupse-riechen gesund sei.
Ihre Argumentation fußt dabei in der Regel auf wissenschaftlichen Fakten, die sie wunderbar auch für Nichtwissenschaftlern zu erklären weiß. Warum küssen wir? Gehen Vitamine beim Kochen von Gemüse kaputt? Und mit welchen Tricks können wir Getränke am besten kühlen? Ihre Themen sind nicht abstrakt, sondern haben Bezug zum Alltag. Auch als Rezo die CDU „zerstört“ hat, gab es einen Faktencheck, der sich unter anderem mit Rezos Punkten zum Klima auseinandersetzte. Ihre Videos sind auf Augenhöhe mit dem Zuschauer und zeigen, dass Wissenschaft allgegenwärtig und eigentlich total cool ist.
Ein Highlight ist ist für mich das Video, in dem Mai im Selbstversuch demonstriert, was passiert, wenn Asiaten ohne das nötige Abbauenzym Alkohol trinken. Im Verlauf des Videos trinkt sie ein Glas Weißwein und erklärt parallel, was in ihrem Körper passiert. Statt Einblendungen von Grafiken zeichnet sie diese im Video als Herausforderung selbst. Am Ende des Videos ist dann klar, warum sie normalerweise keinen Alkohol trinkt. Sie hat sichtbar Probleme klar zu sprechen und die Motorik ist auch weniger kontrolliert. „Ich bin mega rot, mir ist sehr heiß, mir ist ein bisschen schlecht, Herzrasen… joa.“, beschreibt sie die Wirkung des „Asian Flush Syndroms“ und sieht am Ende der sechs Minuten schon fast so fertig aus, wie andere nach einer gutdurchzechten Nacht.
Ein Arbeitstier
Sympathisches Auftreten allein ist jedoch nicht der einzige Grund ihres Erfolgs. Mai Thi ist auch ein richtiges Arbeitstier. Obwohl YouTube an sich schon locker ein Vollzeitjob sein kann, sieht man sie im Fernsehen bei Terra X Lesch & Co sowie im Wechsel mit Ralph Caspers bei der Sendung Quarks, der Sendung, die Ranga Yogeshwar 25 Jahre lang geprägt hat – ebenfalls oft mit Experimenten im Selbstversuch. Hinzu kommen weitere Auftritte in den Medien. Anfang diesen Jahres ist zudem ihr erstes Sachbuch „Komisch, alles chemisch!“ (Provisionslink) erschienen. Auch dort zerlegt sie den Alltag in seine chemischen Elemente. Das Buch hält sich seither stabil in den Top 10 der Bestseller-Liste.
Die Zukunft des Edutainments?
Was Mai Thi innerhalb kurzer Zeit erreicht hat ist schlicht beeindruckend. Gut zwei Jahre nach der Entscheidung, sich auf Medien zu konzentrieren, hat sie sich als YouTuberin, Fernsehmoderatorin, Wissenschaftsjournalistin und Autorin bereits einen Namen gemacht. Die Chancen stehen gut, dass Mai Thi uns noch eine ganze Weile im Edutainment-Bereich erfreut. Vorausgesetzt natürlich sie verbrennt sich nicht mit ihren unzähligen Engagements.
Ihr Erfolg kann außerdem auch der Startschuss für eine ganze Welle neuer Gesichter, die Wissenschaft gerade für jüngere Zuschauer interessant machen, sein. Auch für Lehrer stellen die Videos eine gute Möglichkeit dar, den Unterricht mit Inhalten aufzulockern, zu denen die Schüler einen einfachen Bezug haben. Wissenschaft muss eben nicht immer dröge sein.
Image by funk / SWR
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Schlagwörter: Edutainment, neue Medien, youtube, YouTube-Kanal