Gibt es einen Weg, um Schleichwerbung zu stoppen?

Der Ethikausschuss, diverse Anwälte und Historiker haben sich darum gestritten, dass Donald Trump die Grenze zwischen seinem öffentlichen Amt und den Interessen seines privaten Geschäfts in einer beispiellosen Art und Weise verwischt hat. Andererseits ist dies auch Teil eines viel größeren Trends. Schleichwerbung – ob in der Form von Magazinwerbungen, Werbemelodien im Radio oder Fernseh-Werbespots – ist schon seit langem Teil des modernen Lebens.

Städte und Staaten garantieren Betrieben jetzt das Recht, ihre Namen und Logos auf Parkuhren, Brücken, Hydranten und sogar auf den Badeanzügen von Rettungsschwimmern zu platzieren. Öffentliche Parks, die eine Ruhepause von den Mühen des täglichen Leben bieten, erlauben Händlern nun, Reklame inmitten von historischen Stätten und Naturgebieten zu machen. Schulräte unterschreiben Vereinbarungen mit Betrieben aller Art, um Ihnen bei der Einhaltung ihrer Haushaltsmittel zu helfen.

Es ist nicht nur der öffentliche Raum, der voller Werbung ist. Bei meiner Recherche für mein neues Buch über modernes Marketing und dessen Regeln habe ich herausgefunden, dass eine ganze Reihe früher werbefreien Umgebungen – vom Wohnzimmer bis hin zu unseren Freundschaften – nun zu Orten für Anzeigen oder Überwachungstechnologien werden, die dafür entworfen sind, sie effektiver zu machen.

Manche werden mit den Schultern zucken und sagen, dass Schleichwerbung ein unvermeidbarer Teil des modernen Lebens ist. Aber dieser Trend ist mit einigen Gefahren und juristischen Komplikationen verknüpft – wenn die Leute sich genug darum kümmern würden, um auch wirklich etwas zu tun.

Die neuen Grenzen des Marketings

Die neuen Marketingtechniken und Technologien erlauben es den Betrieben, die Kunden über neue Wege und an neuen Orten zu erreichen. Marktforschern zufolge ist ein Ort, der zunehmend kritisch beobachtet wird, das eigene Zuhause.

Intelligente Technologien – von Microsofts Xbox One bis zu den Geräten von Vizio – kommen nun mit eingebauten Fähigkeiten daher, die uns ausspionieren könnten. Diese Geräte können Aktivitäten aufnehmen, die früher einmal als privat galten – wie die Filme, die wir und ansehen und sogar die Gesichtsausdrücke, die wir machen, während wir ein Videospiel spielen. Diese Information wird Teil eines digitalen Profils, das von Werbern benutzt wird, um ein besseres Bild darüber zu bekommen, wer wir sind und wie wir davon überzeugt werden können, etwas zu kaufen.

Mittlerweile werden wir jedes Mal, wenn wir uns bei Facebook einloggen oder eine Suche bei Google auf unserem privaten Rechner tätigen, zu einem Teil des enormen Datenbestands der Marktforschung. Es ist schwer, dieser Art der Überwachung zu entkommen. So mancher Händler hat alte Cookies versetzt. Sie können jetzt individuelle User über die Anzahl der Quellen in ihrem Browser oder über gar über die Batterielaufzeit des einzelnen Rechners identifizieren.

Sogar unsere Hirne sind für Werbeanschluss für Werber interessant geworden. In einer Studie aus dem Jahr 2004 wurden Probanden gebeten, kleiner Schlucke Cola oder Pepsi zu nehmen, während eine Maschine den Blutfluss derer Gehirne messen sollte. Wenn die Marke nicht bekannt war, mochten die Teilnehmer im Durchschnitt Pepsi lieber. Wurden jedoch die Markennamen vor dem Schluck enthüllt, bevorzugten die Teilnehmer, sowohl verbal als auch neurologisch, die Konkurrenzcola. Die Studie gilt seither als Beweis dafür, dass Werbung unsere Gehirnchemie tatsächlich verändern kann. Sie kann emotionale Kennzeichnungen einbauen, die die rein objektive Betrachtung des aktuellen Produkts überlagern.

Seither haben Unternehmen Millionen ausgegeben, um das Verhalten der Verbraucher zu entschlüsseln und die Wünsche, die wir nicht äußern oder äußern können, zu erfassen. Manch größere Werbekampagne, die wir momentan beobachten, angefangen bei Samsung bis hin zu den Suppendosen von Campbell’s, gleichen die Ergebnisse dieser neuen Forschungen im Neuromarketingbereich ab.

Unsere Freundschaften und soziale Netzwerke sind dagegen leider auch nicht immun. Die Werber und Händler nutzen die Taktik der Micro-Influencer, um die gewünschte Zielgruppe zu erreichen. Dies sind meist Leute mit durchschnittlichen Followerzahlen bei Instagram oder Twitter. Sie werden eingesetzt, um über soziale Medien Produkte oder Dienste zu verkaufen. Zwar erfordern die Regeln der Kartellbehörde von den Indossanten die Vergütung, die sie erhalten, als Gegenleistung für das erfolgreiche Rühren der Werbetrommel anzuerkennen, setzen sie sich in den wenigsten Fällen durch.

Die Konsequenzen der Schleichwerbung

Sogar diejenigen, die optimistisch gegenüber diesen neuen Marketing-Schachzügen sind, geben zu, dass diese störend sein können. Trotzdem hört man meist als Antwort auf Beschwerden über die wachsende Präsenz von Werbeanzeigen das Totschlagargument: „Was soll schlecht daran sein?“. So ist die Werbeunterbrechung ein kleiner Preis, den man für eine gut subventionierte öffentliche Infrastruktur, freie Inhalte im Netz und die Veröffentlichung von Werbeanzeigen, die eher auf unsere aktuellen Interessen und Notwendigkeiten angepasst sind, zahlen muss.

Meine Forschung zeigt dennoch, dass es ein erhebliches Opfer darstellt, sein Leben für die Werber zu öffnen. Zunächst handelt es sich hierbei um den Verlust der Verbraucheragentur. Die Zuversicht, dass Gehirnscans zur Erstellung von effektiveren Fernsehwerbespots beitragen, ziehen die Zuschauer aus ihrer Fähigkeit, den Werbeinhalt, den sie sehen und hören, bewusst selbst zu formen. Der Fokus der Marktforschung beruhte ursprünglich auf Gruppen und Befragungen, nicht auf der ungefilterten Messung und Auswertung der Gehirnaktivität. Das Ergebnis wäre also eine Werbekampagne, die Neigungen oder Verhalten zelebrieren, die wir geheim halten. Beispielsweise startete das Unternehmen Frito-Lady dank Daten, die aus Gehirnscans gewonnen wurden, eine Serie von Werbeanzeigen, die zu antisozialen Praktiken ermutigen. Man sollte beispielsweise Cheetos-Snacks in die Waschtrommel mit weißer Wäsche eines Anderen legen. Bei direkter Befragung widersprachen Beispielzuschauer dem eher schadenfrohen Umgang mit Vandalismus der Werbeanzeigen, die MRI-Auslesungen deuteten jedoch auf etwas anderes hin.

Die bürgerlichen Werte, die uns in der Schule beigebracht werden, müssen nun mit materialistischen Nachrichten von Sportfirmen und Textileinzelhändler konkurrieren, die in Cafeterias und Schulfluren werben. Die Nutzung von Micro-Influencern in sozialen Medien könnte uns misstrauisch machen. Wir können nie genau wissen, ob dieser Kontakt aus dem Netz nicht vielleicht in Wirklichkeit ein gesellschaftlicher Lockvogel ist.

Und während kommerzielle Spionage zur Routine wird, verändern sich die Gesetze, mit denen das Schnüffeln in anderen Teilen unseres Lebens gestattet wird. Man betrachte nur die neuen Nutzung von Gesichtserkennungstechnologie in Kirchen, um die Anwesenheitsrate der Gemeindemitglieder aufzunehmen und das Installieren von Überwachungseinrichtungen in einst harmlosen Objekte wie Barbiepuppen und Kinderzahnbürsten, sodass Eltern ihre Kinder kontrollieren können.

Die Notwendigkeit von gesetzlicher Intervention

Was muss also getan werden? Für Verbraucher ist es nicht realistisch, sich von Google fernzuhalten, aus Facebook auszusteigen, ihre Kinder aus öffentlichen Schulen zu nehmen oder keine öffentlichen Infrastrukturen mehr zu nutzen. Halbherzige Vorkehrungen, wie Regelungen, die den Verbraucher dazu auffordern, in einige der nervigen Werbepraktiken einzuwilligen, würden ohnehin nicht viel ändern. Studien haben gezeigt, dass solche legislativen Umstöße nicht funktionieren und dass motivierte Werber uns dazu bringen können, den Vorgaben zuzustimmen, wenn sie nur genügend Druck ausüben.

Statt neuer Standards muss das Gesetz jetzt also rasch harte Regeln aufstellen, die den Eintritt von Werbung und gesellschaftlichen Spionage in diese Räume verhindern. Diese Art von Reform erfordert keine grundlegende Veränderung der gesetzlichen Haltung. Die Geschichte der Werbebestimmung in den USA weist einige Vorfälle auf, in denen Abgeordnete zur Tat geschritten sind, um unzulässigen Verkaufsstrategien, die durch neue Technologien angefacht wurden, ein Ende zu setzen.

Das Recht auf Privatsphäre der US-Bürger kam im späten 19. Jahrhundert als Antwort auf Werber auf, die die noch relativ neue Technologie der Fotografie nutzten, um Bilder von Leuten ohne deren Einwilligung zu machen und diese nutzten, um Produkte zu verkaufen. In der Folge sprachen sich Gerichte gegen diese Mischung aus persönlichen und kommerziellen Rechten aus. Der Streit ging bis vor ein Gericht, das im Urteil Werbung mit der Versklavung eines “erbarmungslosen Meisters“ gleichstellte. Ähnliche Widersprüche zwingen Abgeordnete in dem frühen 20. Jahrhundert und der unterbewusst manipulierenden Werbung in den 1950ern, gegen Reklametafeln anzugehen, die die Landschaft verschandelten. Natürlich wurde nicht jede Werbestrategie juristisch geprüft. Und doch finden sich in der Geschichte beeindruckende Beispiele für Präzedenzfälle, bei denen das Gesetz genutzt wird, um der Schleichwerbung den Zutritt zu bestimmten Lebensarealen zu verweigern.

Wenn die Werbung erst einmal in ein neues Gebiet vorgedrungen ist, wird sie schnell normal. Man nehme als Beispiel die Werbung im Kino vor dem Film. Als sie das erste Mal in den 1990ern eingeführt wurde, beschwerte sich das Publikum massiv. Jeder Versuch, diese Praktik juristisch einzugrenzen, ist in den verschiedenen US-Regierungen gescheitert. Führt man heute Befragungen durch, wird klar, dass das Publikum mittlerweile gespaltener Meinung über die Werbung vor dem Film ist.

Die Geschichte der Werbung vor dem Film im Kino sollte uns eine Warnung sein. Ohne koordinierte Bemühung wird der Werbung in mehr und mehr Räumen Einzug halten, indem sie uns in das kommerzielle weiße Rauschen hüllt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image (adapted) „How to beat meat on the subway“ by Poster Boy (CC BY 2.0)


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