Mediathekenumschau vom 6. Oktober

In der Mediathekenumschau heute: Ein verstörend guter Film aus der deutschen Theaterlandschaft, radioaktive Landschaften in Weißrussland und Lebensrealitäten am Rand der Gesellschaft. Oder etwa mitten drin? // von Hannes Richter

Es ist so eine Sache mit den Mediatheken: Für viele Digital Natives sind sie schon Fernsehersatz – alles ist überall abrufbar. Doch nur auf Zeit: Gerade die öffentlich-rechtlichen Programme sind oft nach einer Woche wieder offline. Verlängertes Fernsehen statt digitales Archiv. Bevor sie verschwinden, fischen wir die besten Perlen aus der TV-Flut.

HINTER DEN KULISSEN: Die Unsichtbare

arte +++ Sendung vom 4. Oktober +++ nur noch bis 11. Oktober anrufbar+++ Wiederholung am 22. Oktober: Christan Schwochow kann erzählen. Und er kann große Schauspieler dazu bringen, in seinem Universum aufzugehen und eine Figur so real und zerbrechlich zu zeichnen, dass man als Zuschauer meint, sie seien direkt aus dem Leben in den Film geschlüpft. Als könnte man am nächsten See in Mecklenburg einem badenden Mädchen mit Fellmütze zuwinken. Das funktioniert mit alten Hasen wie Dagmar Manzel (für ihre Nebenrolle in Die Unsichtbare mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet) genauso wie mit Anna Maria Mühe, der Schwochow gerade dabei hilft, eine große Schauspielerin zu werden. In seinem Debüt Novemberkind war sie noch jenes Mädchen mit Fellmütze, nun ist sie eine angehende Schauspielerin, die sich im psychologisch perfiden Netz eines manischen Regisseurs verfängt. Dabei fällt besonders die bis ins Detail durchdachte Welt eines deutschen Theaters auf, wahrhaft ein eigenes Universum, das auch durch die Besetzung der Akteure mit durchweg bekannten Theaterschauspielern nie gestellt wirkt.  

NATUR NACH DEM MENSCHEN: Radioaktive Wölfe

3Sat +++ Sendung vom 29. September: Was für ein Juwel: In der preisgekrönten „Natur“-Dokumentation Radioaktive Wölfe begibt sich das Tierforscher-Paar Christoph und Barbara Promberger auf die Spuren der neuen Könige von Tschernobyl: Wölfe haben sich in den Jahrzehnten seit der Reaktorkatastrophe das Gebiet fast unbemerkt angeeignet. In der menschenleeren Zone – so groß wie Luxemburg – konnte sich eine einzigartige Naturwelt entwickeln. Der Film zeigt das erste Mal wie es dort aussieht und erzählt so aus der Sicht der Wölfe auch die Geschichte der größten vom Menschen hervorgerufenen Katastrophe. „Die Wölfe von Tschernobyl sind Protagonisten in einem viel größeren Geschehen: Der Rückkehr von Kulturland in seinen Urzustand“, fasst der Sprecher den faszinierenden Prozess zusammen. „Ein Prozess von gewaltiger Dynamik und erstaunlichem Tempo.“

PASSEND ZUM NATIONALFEIERTAG: Ein Heimatfilm

NDR +++ Sendung vom 5. Oktober: „Wer einmal hier drin ist, der kommt schlecht raus.“ Heißt es am Anfang der aufwühlenden Dokumentation Hudekamp – Ein Heimatfilm, mit dem die Dokumentarfilmer Pia-Luisa Lenz und Christian von Brockhausen gerade den Deutschen Fernsehpreis gewonnen haben. Sie haben mehrere Wochen in den Hochhäusern des Lübecker Stadtteils Hudekamp verbracht. Eine „verlorene Schicht“ nennt der Sender das, was die beiden dort vorfinden, verdrängt aus den Innenstädten und abgekoppelt von der Gesellschaft. Dabei zeigt der Film auch Solidarität, Freundschaft und Herzenswärme und damit auch, wie weit man nach unten gehen muss, um unser Land kennenzulernen. 

RAINALD GREBE: Konzert

3Sat +++ Sendung vom 3. Oktober: Sie hatte schon am Wahlabend so einen Bart, die süffisante Feststellung, Deutschlands Komiker hätten ohne die FDP nichts mehr zum Lachen. Seit der Wahl überschlagen sich die Kabarettisten; zur letzten Sendung der Anstalt werden große Geschütze aufgefahren, die hohoho-lustig auf Politiker draufhauen, eine besonders deutsche Form des Spaßmachens. Wie erfrischend, dass es mitten drin noch solche wie Rainald Grebe gibt, die in einer Strophe so viel Lustiges unterbringt wie Hildebrandts Erben in einer Stunde öffentlich-rechtlicher Sendezeit.


Teaser by Paulae (CC-BY-3.0)]


Image by Falcom Media

wanderte schon früh zwischen den Welten, on- und offline. Der studierte Kulturarbeiter arbeitete in der Redaktion eines schwulen Nachrichtenmagazins im Kabelfernsehen, produzierte Netzvideos und stellte eine Weile Produktionen im Cabaret-Theater Bar jeder Vernunft auf die Beine, bevor er als waschechter Berliner nach Wiesbaden zog, um dort am Staatstheater Erfahrungen im Kulturmarketing zu sammeln. Er baute später die Social-Media-Kanäle der Bayreuther Festspiele mit auf und schoss dabei das erste Instagram-Bild und verfasste den ersten Tweet des damals in der Online-Welt noch fremden Festivals. Seitdem arbeitete er als Online-Referent des Deutschen Bühnenvereins und in anderen Projekten an der Verbindung von Kultur und Netz. 


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