WordPress macht, wie Marie Kondo so schön sagte, keine Freude. Wenn ich mich einlogge, sehe ich eine Serie von Modulen, die ich nie benutze, und elf Plug-Ins, die aktualisiert werden müssen. „Medium“ will uns von diesem unansehnlichen digitalen Chaos befreien. Auf einer Veranstaltung, am Donnerstag in New York, haben CEO Ev Williams und andere Medium-Vorstandsmitglieder die Firma mehrmals als Stadt bezeichnet – und zwar als eine neue, die von Grund auf neu errichtet worden ist. „Es ist eine zu einfache Ansicht wenn man sagt‚ geh dahin, wo die Leute sind“, sagte Williams. „Man muss dahin gehen, wo die richtigen Leute sind.“
.@ev sees a trend in „urbanization“ on the web, too. @medium
— Jeff Jarvis (@jeffjarvis) 7. April 2016
Don’t just go to where the people are, says @ev. Go to where the right people are in the right environment. @medium — Jeff Jarvis (@jeffjarvis) 7. April 2016
.@ev wrote an internal post sometime ago: @Medium isn’t for everybody. It’s for people who think.
— Jeff Jarvis (@jeffjarvis) 7. April 2016
Wer sind also diese richtigen Leute? Die Sprache von Grundstückauflistungen war schon immer unklar. Bestimmte Floskeln, beispielsweise die Erwähnung eines Schuldistrikts, können dem Gesetz nach als diskriminierend angesehen werden (obwohl neue Immobilienfirmen wie Redfin sich davon nicht irritieren lassen und die Benutzer direkt nach diesen Informationen suchen lassen). Die „richtigen Leute“, die hier gemeint sind, sind – natürlich – nicht weiße Leute, oder Männer, oder Repräsentanten der alten Veröffentlichungs-Elite, obwohl all diese Gruppen reichlich in der Liste von Mediums Gründungspartnern vertreten sind. Stattdessen sind die Bekanntmachungen der Woche voll von Lockversuchen, die an bestimmte Gruppen der Internetelite gerichtet sind, und zwar die, die Trolls und Trump hassen und wollen, dass Twitter etwas gegen Belästigung tut und die, die von ihren Followern eine bestimmte Dosis Intelligenz erwarten. Wir sind diejenigen, die gegen die Twitter-Geschichte der New York Times über Gay Talese gewettert und uns über Mashables LinkedIn Kündigungsbekanntmachung lustig gemacht haben. Und, um ganz offen zu sein, wenn ich „wir“ sage, schließe ich mich selbst mit ein. Ich schrieb den Anfang dieses Posts in einem Café in Flatiron, in das ich gegangen bin, nachdem ich online gelesen habe, dass es Avocado-Toast und kalt gebrühten Kaffee serviert. Ich bin diejenige, die von diesen Redfin-Schuldistriktauflistungen besessen ist. Letztes Jahr habe ich mit „Medium“ darüber geredet, eine Veröffentlichung in die Wege zu leiten, und das würde ich nebenbei immer noch gerne tun. Ich beschwere mich über die eintönige Wand-zu-Wand Tapezierarbeit in unserer Mietwohnung. Ich will in die Stadt von Medium ziehen. Mit dem Start von neuen Veröffentlichungswerkzeugen diese Woche – einschließlich solcher, die eine Monetisierung erlauben – und der Bekanntgabe, dass mehrere bereits existierende Web-Publisher, einschließlich The Awl, mit ihren Seiten zu Medium umziehen – „bauen wir wirklich eine neue kommerzielle Zone in unserer Stadt.“, sagte Williams.
„Was wir in den letzten 20 Jahren im Internet beobachtet haben, ist eine Umgebung in der Feedback Quantität über Qualität getrieben hat. Es ist einfach nicht die klügere, weisere Welt, die wir sehen wollten, als wir vor langer Zeit mit dem Internet angefangen haben.“
Es ist nicht sonderlich überraschend, dass Medium in Immobiliendimensionen denkt, wenn es um das Internet geht. Die Firma wurde in San Francisco gegründet und hat eine stetig wachsende Anzahl von Angestellten in New York – zwei der teuersten Städte der Welt, beide mit Anwohnern gefüllt und im Angesicht einer Wohnungskrise. Die kleinen Publisher und unabhängigen Autoren, die Medium anzulocken hofft, leben wahrscheinlich in kleinen, dunklen, überteuerten Wohnungen. Doch wenigstens online bietet Medium ihnen ausreichend hell erleuchteten Platz und das Erforschen neuer Räume. (Mediums Bekanntmachung kam in derselben Woche, in der wir Artikel über den Plan von Google, eine Stadt aus dem Nichts zu erbauen, lesen konnten.)
This is maybe the most apt description of Yahoo I’ve heard. https://t.co/4CMrBVlMM3 pic.twitter.com/OvYQspEF9P — Tom Krazit (@tomkrazit) 6. April 2016
“Sogar 15 Jahre nach Blogger ist es immer noch schwer, im Internet zu veröffentlichen.”, sagt Edward Lichty, Mediums Direktor für Konzernentwicklung und Strategie.
CMS sind nicht so toll. Wenn du dein Haus bauen willst, musst du das löchrige Dach reparieren. Und du musst Geld machen. Mit dem, was gerade im Werbegeschäft abgeht – inklusive sinkender Preise und der Wirkungslosigkeit von Bannerwerbung und Adblockern – ist diese Umgebung sehr hart für viele Leute in der Welt der Veröffentlichungen.
Another fine benefit: we get to be digital neighbors with @awl and @ringer. Now that’s a cul de sac that I want to live on.
— Neil Miller (@rejects) 5. April 2016
Mediums neue Werkzeuge und Technologien sind der Traum jedes Mieters: Der nervige Alltagsärger wurde für dich beseitigt. „Es gibt keinen Grund sich Sorgen um diesen einen Viralen Post zu machen, der die Seite zum Abstürzen bringt.“, sagt Ingenieur Jamie Talbot. „Medium ist extrem gut darin, große Produkte zu bauen.“ Das Weiße Haus hat zum Beispiel beschlossen, die „State of the Union-address“ auf Medium zu veröffentlichen „und das quasi ohne irgendeine Vorwarnung.“ Die Server konnten den Verkehr aushalten. Es ist ein bisschen wie ein Arbeitsplatz im Coworking Space – oder sogar ein Co-living Space, also zu Hause. Die Publikation „The Billfold“ von Awl sorgte sich darum, ob sie ihren Googlerang bewahren könne, als sie mit ihren Inhalten zu Medium gewechselt sind. Das Team hat sich darum gekümmert: Sie haben einen Weg gefunden, SEO zu behalten, wenn man eine Seite verschiebt. Mit jeder geplanten Gemeinschaft kommen Sorgen über Homogenität. Auch wenn die Posts auf Medium nicht alle gleich sind (wenn die Idee ist, dass sie sich von, sagen wir, Facebookposts durch Qualität und dem veränderten Diskurslevel unterscheiden sollen), werden sie alle ähnlich aussehen. Ich habe diese Woche mitbekommen, wie einige dieser Bedenken auf Twitter geäußert wurden – obwohl ein Teil der Angst darin zu bestehen schien, dass qualitativ niedrige Web-Publisher die Plattform nutzen könnten, um sich selbst eleganter und vertrauenswürdiger erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind:
no one has reassured me and now I’m thinking about the very blurred line between private blogs & public entities https://t.co/qPsOc7wfdG — Anne Helen Petersen (@annehelen) 5. April 2016
as in: someone’s cranky/crazy Medium blog will look exactly like work coming from journalists; amplification of trend towards „truthiness“
— Anne Helen Petersen (@annehelen) 5. April 2016
This, for example, doesn’t look that different from this hacky, meandering critique: https://t.co/hZBBfZABwF https://t.co/YXTluqu4wO — Anne Helen Petersen (@annehelen) 5. April 2016
Vorstandsmitglieder von Medium versuchten einige dieser Sorgen über Gleichheit im Keim zu ersticken, indem sie betonten, das Publizisten ihre Präsenz auf Medium zu einem gewissen Grad individuell einrichten können. Wie beispielsweise „The Awl“ in seinem neuen Zuhause auf Medium. „Man bemerkt das Medium Front- und Mitteldesign gar nicht mehr, wenn man die Seite besucht.“, sagt Designer Erich Nagler. „The Awl steht hier im Mittelpunkt.“ Und doch kann man Farbe, Layout und Logo auswählen. Es ist sehr viel schwerer, etwas zu erstellen, das schlecht aussieht, so richtig schlecht, wie richtig altmodisches Internetdesign. Man kann nicht auswählen, den Seitenrand kaputt zu machen, oder die Schriftart zu verschlimmbessern oder zu wenig Platz zwischen einem Bild und einer Textzeile zu lassen. Darüberhinaus sind Publisher, die noch an bestimmten Überresten des älteren, chaotischeren Internets festhalten – so einige Kommentare – mit einer Entscheidung konfrontiert: Sie können einziehen, müssen aber einen großen Teil ihrer alten Einrichtung loswerden.
Which is a shame, because it IS a good deal and also independent publishing is dead.
— Nicole Cliffe (@Nicole_Cliffe) 5. April 2016
Man kann auf Medium kommentieren, aber es wird entweder am Seitenrand des Posts angezeigt, via Markierungen oder als getrennte „Antwort“ oder Konversation. Man kann keine chaotische, mit Trolls gefüllte Kommentarbox am Ende des Posts haben, selbst dann nicht, wenn man das gerne möchte. Medium hat ein Werkzeug für Blogger gebaut, die mit ihrer Seite von WordPress umziehen wollen. Sie werden nicht von WordPress gehostet? „Wir haben ein Migrationsteam. Kontaktiere uns, und wir finden eine Lösung.” Medium hat in zwei Tagen bereits 200 Bewerbungen für sein Beta Publisher-Programm erhalten. Das ist ein Ort, an dem viele Leute gerne leben würden.
Dieser Artikel erschien zuerst auf “Nieman Journalism Lab” unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
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