WhatsApp, Slack und Co bringen immer mehr Funktionen, die die gute alte E-Mail in Bedrängnis bringen. Doch in einem wichtigen Punkt können sie nicht mit dem Standard mithalten. Über das Ende der E-Mail wird schon seit Jahren spekuliert. Als Google 2009 den Online-Dienst Wave vorstellte, gab es so einen Moment – doch aus den Visionen wurde nichts. 2016, also sieben Jahre später, sind wir wieder bei so einem Moment angelangt. Denn jetzt schicken sich Messaging-Apps, allen voran Facebooks Messenger, die Facebook-Tochter WhatsApp und das aufstrebende Start-up Slack an, der guten (schlechten?) alten E-Mail den Garaus zu machen. „Nutzer können heute schon PDF-Dateien per WhatsApp verschicken. Künftig fügen wir weitere Dateiformate hinzu, auch für Mitarbeiter in Firmen, um Geschäftsdateien auszutauschen“, sagte WhatsApp-Gründer Jan Koum kürzlich im Interview mit Focus Online. Solche Aussagen stellen das Bild, das man von Messaging-Apps hat, auf den Kopf. In der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit sind sie eine Erweiterung der SMS auf Smartphones, doch tatsächlich werden sie immer intensiver am Desktop-Computer zu beruflichen Zwecken genutzt. Denn User sind schließlich nicht nur mit Freunden und Familie via WhatsApp in Kontakt, sondern eben auch mit Kollegen oder Geschäftspartnern. Auch Dropbox spielt in dem Spielchen mit: Seit kurzem kann man Dateien direkt über Facebooks Messenger teilen, was das Versenden der Download-Links via E-Mail nicht mehr notwendig macht.
Firmen zahlen Geld dafür
Bestes Beispiel für den Trend ist das mit 3,8 Milliarden US-Dollar bewertete San-Francisco-Start-up Slack. Die ursprüngliche Idee war, Team-Mitglieder in Unternehmen miteinander chatten zu lassen, doch mittlerweile nutzen 2,3 Millionen Menschen monatlich die Apps und Web-Dienste von Slack, um firmenintern zu kommunizieren. Mit Slack lassen sich nicht nur Dokumente aller Art an Kontakte senden, sondern diese können direkt in der App kommentiert werden – das erspart das oft mühsame Hin und Her von E-Mails an einen Verteiler, wo die Kommunikation schnell unübersichtlich wird. Auch Facebook, WhatsApp oder Telegram haben das Potenzial erkannt: Nicht umsonst gibt es von ihnen Web-Versionen bzw. Desktop-Clients, die man somit auch am Arbeits-PC nutzen kann. Das beste Beispiel für die enorme Nachfrage ist die App Franz aus Wien, die Messaging-Apps in einer Desktop-Software bündelt und damit schon fast wie ein E-Mail-Client mit unterschiedlichen Kanälen fungiert. Die Kontaktaufnahme ist simpler: Man braucht nur mehr den Namen des Adressaten zu wissen und muss nicht mehr die E-Mail-Adresse aus dem Stapel der Visitenkarten heraussuchen. Das Geschäftsmodell von Slack wiederum nährt die Hoffnung, dass gerade Unternehmen (anders als Privatnutzer) für den E-Mail-Ersatz gewillt sind zu zahlen. Slack-Gründer Stewart Butterfield (Ex-Flickr) kann auf mehr als 675.000 Nutzer bauen, die für die kostenpflichtige Premium-Version monatlich Geld abdrücken (zwischen 6 und 12 US-Dollar).
Anbindung nach außen fehlt
Was die Messaging-Apps im Unterschied zur E-Mail allerdings nicht können: Sie sind nicht standardisiert. WhatsApp, Slack und Co sind geschlossene Systeme, für die jeder Nutzer einen Account braucht, um mit den anderen kommunizieren zu können – eine Draht nach draußen gibt es nicht. Das ist im Sinne der Geschäftsmodelle, weil so Netzwerkeffekte tragend werden und immer mehr neue Nutzer Konten anlegen. Je mehr Nutzer und Daten aus Unternehmen in die Messaging-Apps strömen, umso wichtiger wird das Thema Datensicherheit. Der österreichische Slack-Konkurrent Grape etwa setzt auf Rechenzentren des deutschen Spezialisten Hetzner und will es Firmen außerdem ermöglichen, die Chat-Software lokal auf eigenen Servern zu installieren. Auch die neue Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von WhatsApp spricht eine deutliche Sprache: Die Facebook-Tochter will nicht nur Privatnutzern ein Gefühl von digitaler Privatsphäre geben, sondern auch bei beruflichen Zwecken. Einen Zweck werden E-Mail-Adressen aber weiter haben: Man braucht sie, um sich bei den vielen Diensten anzumelden.
Image (adapted) „Social Media Pillows“ by Nan Palmero (CC BY 2.0)
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