Die Musik dröhnt, die Menge jubelt und die Leute tanzen. Das ist Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT, engl.: STEM) – aber nicht so, wie man es kennt. Ich befinde mich im Olympia-Park Sportcenter von Sydney, wo ich als Jurorin für den in Australien stattfindenden FIRST Roboter-Wettbewerb eingeladen bin. Der Wettbewerb ist für Schüler im Alter von 14 bis 18 Jahren, die sechs Wochen (oder in einigen Fällen auch deutlich weniger) Zeit haben, um – mit der Unterstützung von Mentoren und Lehrern – einen Roboter für eine konzipierte Aufgabe zu designen, zu bauen und zu programmieren. Selbst für gestandene Ingenieure wäre dies keine leichte Aufgabe. In einer spannungsgeladenen Stimmung treten hier 43 Teams aus Australien, China, Indien, Singapur, Taiwan und den USA gegeneinander an. Die diesjährige Herausforderung stellt eine mittelalterliche Schlacht dar. Die Aufgabe ist es, in der burgähnlichen Arena die gegnerische Abwehr zu durchbrechen, die Türme des Gegenspielers mit Geröll (mit Hilfe von ballförmigen Schwämmen) zu schwächen und die Festung einzunehmen. Die Mannschaften müssen sich mit anderen Teams verbünden und eine Strategie entwickeln, um die gegnerische Allianz zu schlagen. Dabei kann so einiges schiefgehen. Und wenn es das tut, geht es zurück in den Graben, wo unter enormem Zeitdruck das Problem zu lösen und der Schaden zu reparieren ist. All das geschieht, während man die Juroren im Hinterkopf hat, die einen beobachten und mit Fragen löchern.
Roboter im ganzen Land
Jedes Team, mit dem ich gesprochen habe, hatte eine unglaubliche Geschichte zu erzählen. Die Beharrlichkeit und Leidenschaft, die die Schüler beim Bau der Roboter und bei dem Wettbewerb an den Tag legen, ist überwältigend – für manche Teams hat beides eine große Herausforderung dargestellt. Eine chinesische Mannschaft aus Lanzhou ist alleine ohne ihren Mentor angereist und musste Unternehmen und Universitäten in China darum bitten, sich Equipment auszuleihen und ihre Labore nutzen zu dürfen, um den Roboter bauen zu können. Das Team der Narooma High School aus New South Wales sammelte Gelder, indem sie 300 Cupcakes verkauften und ein RoboCamp initiierten, um Kinden zwischen acht und elf Jahren die Grundlagen der Roboterkunde sowie das Programmieren beizubringen, wobei sie ebenfalls Geld sammelten. Ein weiteres Team nennt sich Thunder Down Under. Es wurde an der Macquarie Universität gegründet und bringt Mentoren mit Schülern aus ganz Sydney zusammen. Es ist die erste Mannschaft der FIRST Robotics Competition (FRC) im Wettbewerb, und sie half dabei, den Wettbewerb nach Australien zu bringen. Seit seiner Gründung im Jahr 2009 hat Thunder Down Under die Robotik in ländliche und abgelegene Gebiete Australiens gebracht. Die Organisation stellt zinslose Darlehen für die Anschaffung von Roboter-Baukästen zur Verfügung, sodass Teams vor Ort Robo-Camps leiten und eigenständig wachsen können. Sie arbeitet für die Gründung von FIRST Ladies zudem mit anderen Partnern zusammen, um ein globales Netzwerk für Frauen aufzubauen. Sie war zudem maßgeblich an der Gründung von Teams in China beteiligt und hat außerdem dabei geholfen, einen Unterwasser-Roboter und ein Wasser-Sicherheits-Spiel im Lego-Roboter-Stil zu entwickeln. Man kann auf diese Weise Technologien dafür einzuzusetzen, Leben zu retten. Beim inspirierenden FIRST Ladies-Frühstück am Freitagmorgen habe ich mit Louise von der Kan-Bot-Crew gesprochen, einem neuen Team aus Kaniva, einer kleinen viktorianischen Stadt, die von der Landwirtschaft lebt und etwa auf halbem Weg zwischen Adelaide und Melbourne liegt. Das Kaniva-College hat rund 100 Schüler im Gymnasialalter, von denen etwa 17 Prozent Teil des Teams sind – eine beachtliche Leistung. Die Mannschaft wurde unterstützt von Robots in the Outback, einer Initiative von Google und der Macquarie-Universität. Die Kan-Bot-Crew hatte nur zweieinhalb Wochen Zeit, um ihren Roboter zu konstruieren und nur einen einzigen Tag mit ihrem Mentor. Aufgrund der großen Dürreperiode im letzten Jahr, welche die von der Landwirtschaft abhängige kleine Stadt in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat, hatten sie Probleme, einen lokalen Sponsor zu finden. Da es ihnen nicht möglich war, ihre eigenen Programmierer mit nach Sydney zu bringen, haben drei andere Teams aus Wollongong, Narooma und Ulladulla ihnen ihre Programmierer und weitere technische Unterstützung zur Verfügung gestellt, um ihre Roboter fertig zu stellen und am Laufen zu halten. Für die Schüler aus Kaniva war dies eine extrem wertvolle Möglichkeit, sich mit anderen Gleichgesinnten auszutauschen.
Bildung an erster Stelle
Was mich sehr überrascht hat, war, dass es bei der FIRST Robotics nicht nur um die MINT-Fächer geht. Die Schüler erwerben Fähigkeiten für das Leben in den Bereichen Führung, Unternehmertum und Kommunikation. Darüber hinaus wächst ihr Selbstvertrauen und sie haben die einmalige Möglichkeit Gleichgesinnte aus der ganzen Welt kennenzulernen. Ein besonderer Wert wird auf Teamarbeit und das gegenseitige Unterstützen der Mitstreiter gelegt. Ich habe noch nie eine solche Großzügigkeit in Bezug auf Zeit und Ressourcen in einem so hitzigen Wettstreit beobachtet. Die Teams unterstützen sich durch „gütige Professionalität“ gegenseitig, ein Teil des Ethos, auf den FIRST Wert legt. Den Wettbewerb als Juror zu bewerten, war hart. Wir haben Stunden hinter geschlossenen Türen verbracht, um den Kreis der möglichen Gewinner einzugrenzen. Jede Entscheidung musste einstimmig getroffen werden und zuletzt konnten wir einen Konsens erzielen, schrieben die Verkündungsrede und eilten in die Arena, um gerade noch rechtzeitig die Halbfinals und das Finale mitzubekommen. Es zerreißt einem das Herz, dass einige Teams – insbesondere die Neulinge – gar nicht wissen, wie nahe sie an einen Award herangekommen sind und wie lange wir über der Entscheidung grübelten. Eigentlich verdienen alle Teams einen Preis und sollten stolz auf ihre Leistungen bei diesem Wettbewerb sein, aber letztlich fiel die Wahl der Gewinner-Allianz auf die Teams Barker Redbacks, House of Ulladulla, Game of Drones und Thunder Down Under. Als Jurorin bin ich gleichzeitig Botschafter für die FIRST Robotics mit der Hoffnung, Schüler mit meiner Begeisterung für die Wissenschaft, insbesondere für Vulkane, zu inspirieren und ihnen zu zeigen, was mit MINT alles möglich ist. Und schließlich bin ich am Ende des Wettbewerbs diejenige, die wirklich inspiriert ist und nach dem Anblick einer so ambitionierten, motivierten Masse junger Leute optimistisch in die Zukunft blickt.
Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image (adapted) „IMG_2606“ by Byting Bulldogs (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: MINT, Robotik, schüler, wettbewerb, Wissenschaft