Sascha Lobo sagt, die Netzbewegung muss Angela Merkel überzeugen. Denn: Auch in den nächsten vier Jahren sei mit der Kanzlerin zu rechnen. „Spiegel Online“-Autor Sascha Lobo hat sich schweren Herzens mit dem Begriff der Netzgemeinde angefreundet. Es sei wie mit einem dreibeinigen blinden Hund: Irgendwann hat man sich daran gewöhnt. Er beschäftigte sich in seinem knapp einstündigen Überraschungsvortrag auf der Berliner Blogger-Konferenz republica mit dem selbst gegebenen Auftrag. „Die Netzgemeinde ist die Hobbylobby für das freie, offene und sichere Internet in den Grenzen von 1999.“ Auf diesem Weg ist es in den vergangenen Jahren steil nach oben gegangen. Inzwischen ist daraus eher eine chaotische Kreisbewegung geworden. Als Hobbylobby müsse die Netzgemeinde endlich lernen, mit den richtigen Mitteln zu kämpfen. Man sollte versuchen, die Gegenseite zu verstehen und andere Argumente zu akzeptieren. Es geht Lobo um das „Wie“ des Kampfes. Mit Wut und Pathos kämpfen Dazu zählt auch eine Portion Wut, gepaart mit Pathos. Vieles werde zu nüchtern gesehen. Beispielsweise beim Engagement für die Netzneutralität, die von der Telekom zerschmettert werde. Der Magenta-Konzern habe sich als erster Provider aus der Deckung gewagt. Aber alle anderen Provider werden folgen. „Die Telekom hat im verborgenen Kämmerlein wohl nur den kürzesten Strohhalm gezogen“, so Lobo in seiner launigen Rede. Bei allen strittigen Netzthemen sollte sich der politische Kampf auf eine Person fixieren: Angela Merkel. Lobo proklamierte seine parteipolitische Sympathie für den SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück. Nach der Bundestagswahl rechnet er wieder mit einer „Bundeskanzlerin“. Was würde Merkel überzeugen? Diese Frage sollte sich die Netzbewegung in den kommenden vier Jahren stellen. Alle Themen, die netzpolitisch den Erregungspegel nach oben schnellen lassen, sind mit der Person Merkel verbunden: Leistungsschutzrecht, Bestandsdatenauskunft, Vorratsdatenspeicherung, Closed Government, Bundestrojaner, Funkzellenabfrage und auch die Bandbreitenblamage. Allianz mit YouTube-Szene „Kann man Angela Merkel den Vorwurf machen, dass sie Merkel-Politik macht? Natürlich kann man das“, so Lobo. Allerdings wäre es dämlich, die Schuld nur mit dem Zeigefinger zu verorten. Auch die liebwertesten Gichtlinge der Netzgemeinde tragen eine Mitverantwortung. Sie müssen kapieren, dass Netzpolitik in erster Linie Politik und nur wenig Netz sei. „Ich fürchte, wir müssen in einen sauren Apfel beißen und uns mit anderen verbünden.“ Relativ einfach möglich wird das mit den YouTubern gelingen, die auf der republica einige Stars der Szene präsentierten wie LeFloid, Simon W und Amy Herzstark. Die thematischen Schnittstellen sind vorhanden, bestätigt Markus Hündgen, Initiator des deutschen Webvideopreises. So habe der Aufruf von Y-Titty, die Petition gegen die Drosselungspolitik der Telekom zu unterzeichnen, die größte Welle ausgelöst. Die relativ getrennten Welten seien eine Generationenfrage: Wer früher zur digitalen Avantgarde zählen wollte, hat gebloggt. Heute braucht man einen YouTube-Kanal. „Es haben viele in der Netzbewegung noch nicht verstanden, selbst aktiv auf dieser Plattform zu werden“, kritisiert Hündgen. Mehr zu Themen des Netzes und dem digitalen Wandel gibt es auch vom European-Kolumnisten Lars Mensel in seinem aktuellen Artikel „Der Getriebene: Facebook Home und die Zukunft des Netzwerkes„.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf The European.
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Schlagwörter: Aktivismus, Netzpolitik, republica, rp13, Sascha-Lobo, Vortrag, youtube