Mobile Crowd – von der neuen Social-Media-Offensive der DB

„Die Bahn macht mobil“, lautet das Credo und dieses soll jetzt mal wieder auf die Probe gestellt werden. In einer neuen Social-Media-Offensive, die mir und ein paar weiteren Webbies vergangenen Mittwoch im Max & Consorten in Hamburg präsentiert wurde, geht die Bahn neue Wege und möchte Interessierte mobilisieren. Der Ansatz: „in einem Crowdsourcing-Projekt Ideen der Teilnehmer auf recht ungewöhnliche Art ins real life holen“. So wurde es mir vermittelt in der anfänglichen Korrespondenz.

Achtung Crowdsourcing… Achtung real life…

Was das genau heißt? Ich erkläre es gerne: Die Bahn möchte an die Erlebnisse der Kunden, Mitarbeiter und sogenannter Trainspotter oder auch Pufferküssen (kurzum Bahn-Nerds) kommen und diese über eine Facebook-App sammeln. Leute die was zu erzählen haben, sollen in Wort, Bild oder auch Ton ihre Erlebnisse mitteilen und diese (Achtung Crowdsourcing!) in einem großen Pool einer Jury zur Wahl stellen. Die besten von diesem – leider nicht ganz unabhängigen – Gremium gewählten Stories sollen anschließend in der Miniaturwelt des Berliner LOXX (Achtung real life!) nachgebaut werden.

Das eigentliche Ziel jedoch soll sein, Menschen durch diese Geschichten, die natürlich auch veröffentlicht werden, einen Einblick in die Tätigkeiten und dem Alltag der Bahn zugeben. Und dieser Alltag ist gar nicht so uninteressant, wie ich auf dem Treffen feststellen musste. Nur ein Punkt unter vielen: der Grube-Konzern produziert seinen eigenen Strom für das Tagesgeschäft. Bereits 33 Windkraftanlagen hat die Bahn in Betrieb genommen um die Züge im Fuhrpark mit Energie zu versorgen. Finde ich eigentlich ziemlich klasse. Wusstet Ihr das? Ich nicht. Doch zurück zum Thema.

Anstatt also dem geneigten Leser in Form einer Einbahnstraßenkommunikation platt vom Geschäft rundum dem Personenverkehr, dem Logistikbereich und anderen „Hinter-den-Kulissen-Segmenten“ zu erzählen, möchten die Verantwortlichen lieber diejenigen zu Wort kommen lassen, die damit auch zu tun haben und diese Erfahrungsberichte dann eben anschließend streuen. So weit so gut. Klingt bis hier hin absolut nachvollziehbar und sauber.

Doch gerade das „sauber“ könnte zum Problem werden. Man kann von ausgehen, dass gute Bilder entstehen, sobald die Lobeshymnen der sich sicherlich wenig kritisch-äußernden Mitarbeiter oder der bereits eingenommenen Bahn-Nerds ihren Weg auf die Jury-Tische finden. Doch was passiert eigentlich wenn ein düster dreinblickender Kunde diese Audienz für sich nutzt und von vollurinierten Toiletten, betrunkenen Fußballfans im Abteil oder von einer stehenden Mutter mit Ihren zwei Kindern, die aufgrund überfüllter Züge keinen Platz mehr finden, erzählt. Das ist dann eben auch „real life“ und gehört eigentlich ebenfalls zum Alltag der Bahn. Ob wir diese Geschichten dann auch zu Gesicht bekommen werden?

Wegen Bauarbeiten gesperrt…

„Ja, klar“, meint Social-Media-Task-Forcer Jens Appelt, einer der Gastgeber dieser illustren Runde und schränkt die Aussage lediglich mit den Worten ein: „solange es im Rahmen des LOXX-Projektes umsetzbar ist“. Spätestens hier wird man aufmerksam. Denn was im Endeffekt umsetzbar ist, bestimmt wie gesagt eine Jury, die aufgrund des Mitglieds Rüdiger Grube, der gleichzeitig auch Bahn-Chef ist, gar nicht ganz unabhängig daher kommen kann. Die Bahn sichert sich ab und macht „Schön-Wetter-Stimmung“ befürchteten viele unter uns.

Eine andere Sache, die weiterhin die Runde beschäftigt ist die Frage nach der Zielgruppe. Denn kommuniziert wird von und für Nutzer, die sich bereits im Kosmos des Facebook-Auftrittes der Bahn bewegen und überwiegend bereits zu den Befürwortern gehören sollten. Wird sich diese Kampagne auch darüber hinaus bewegen? Oder spielen im Endeffekt wieder nur ein paar Pufferküsser und Trainspotter Bahn, wie es Tobias Kärcher von atenta so schön in seinem Beitrag auf wollmilchsau.de festgestellt hat.

Die Strategen und Verantwortlichen dieser Social-Web-Kampagne werden sich diesen Fragen stellen müssen. Davon können wir ausgehen, denn die Kampagne beinhaltet zum einen Shitstorm-Potenzial durch Trittbrettfahrer und kann zum anderen aber auch verpuffen im Rahmen des eigenen Tellerrandes.

Doch ist es im Endeffekt nicht immer so? Egal bei welcher Social-Media-Offensive? Macht Kaffeesatzlesen einen Sinn? Wir werden Abwarten und Tee trinken müssen. Zumindest bis zum 15. August, denn dann startet die Kampagne ganz offiziell und wer dabei sein will, sollte sich hier einbuchen.

schreibt seit 2011 für die Netzpiloten und war von 2012 bis 2013 Projektleiter des Online-Magazins. Zur Zeit ist er Redakteur beim t3n-Magazin und war zuletzt als Silicon-Valley-Korrespondent in den USA tätig.


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