Virtual Reality für unterwegs: Mobile VR-Brillen im Vergleich

Virtual Reality ist inzwischen mehr oder weniger im Wortschatz eines jeden Smartphone-Nutzers angekommen. Kein Wunder also, dass Hersteller immer mehr mobile VR-Brillen auf den Markt bringen. Zwar hat Virtual Reality den Hype-Gipfel inzwischen überschritten – unter anderem wegen des hohen Preises der VR-Brillen HTC Vive und Oculus Rift sowie der geringen Anzahl an VR-Spielen. Dennoch birgt Mobile VR ein riesiges Potenzial. Während Apple bei diesem Stichwort noch etwas reserviert reagiert, sind Hersteller von Android-Smartphones in den Startlöchern, um jedem Nutzer eine virtuelle Ansicht so ziemlich aller denkbaren Situationen zu bieten. Ich zeige euch in einem Überblick, wo die Reise für mobile VR-Brillen startete und wo es hingehen kann.

Mobile VR-Brillen – mit einer deutschen Brille ging es los

Alles begann im Jahre 2013 mit der Durovis Dive: Diese VR-Brille von der Münsteraner Firma Shoogee bestand aus 3D-gedrucktem Plastik und zwei kleinen Konvex-Linsen, die zwischen Auge und Display standen. Das Smartphone des Nutzers konnte – damals mit nur etwa einem Viertel der Grafikleistung von heutigen Geräten – erste 3D-Videos und Spiele darstellen, die allerdings eher an eine Diashow statt an ein richtiges Game erinnerten.

Google ließ sich vom Design der Dive inspirieren: die Cardboards waren geboren. Dieser erste mehr oder weniger offene Standard machte es für Programmierer einfacher, Virtual-Reality-Software für Android zu entwickeln. Denn: Die Linsenstärke wurde definiert, der Abstand zwischen Display und Auge eingegrenzt, und ein Magnetschalter sorgte dafür, dass der Nutzer selbst mit aufgesetzter Brille navigieren konnte.

Proprietäres Nonplusultra: Samsung Gear VR

Der koreanische Hersteller Samsung sah die Chance, die sich bot, und ergriff sie schnell: Schon kurze Zeit später erschien die erste Samsung Gear VR, speziell angepasst an Samsung-Smartphones. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Diese VR-Brille war den Cardboards technisch einiges voraus und zudem viel bequemer. Stichwort Motion Sickness: Durch eine hohe Latenz zwischen Kopfbewegung und Umsetzung im Spiel hatten gerade in den Anfangszeiten viele Leute Schwindelgefühle nach der Nutzung von Virtual-Reality-Anwendungen. Samsung verbaute in der Brille einen zusätzlichen Lagesensor, der eine schnellere Reaktion und dadurch ein stressfreieres Erlebnis ermöglichte.

Samsung Gear VR - mobile VR-Brillen
Image by Samsung

Die 2017er Generation der Gear VR hat hingegen keinen integrierten Sensor mehr. Die Hardware der Smartphones hat sich rasant verbessert. Die aktuelle Gear VR arbeitet mit den Samsung-Galaxy-Geräten S7 und S8 in allen Variationen zusammen. Ein Adapter erlaubt die Nutzung der Anschlüsse Micro-USB wie beim S7 und USB-Typ-C, welcher beim S8 verbaut ist. Zudem ist ein Steuerungskreuz auf der rechten Seite der Brille verbaut, welches die Bedienung in virtuellen Welten deutlich vereinfacht. Brillenträger können die Samsung Gear VR zwar nutzen, riesige „Hipstergläser“ passen aber nicht.

Seit neuestem ist ein Hand-Controller mit an Bord, der ähnlich wie ein Zauberstab zur Manipulation von Objekten im 3D-Raum genutzt werden kann. Samsung nutzt einen eigenen Virtual-Reality-Appstore, um schlechte Spiele oder Games ohne Unterstützung des Trackpads auszusperren. Dadurch sehen die Nutzer nur die Crème de la Crème, nicht aber von Schülern zusammengeschusterten Code.

Mit 99 Euro ist die Samsung Gear VR kein wirkliches Schnäppchen. Das soll sie aber auch nicht sein: Vielmehr handelt es sich um ein hochqualitatives Gadget. Solltest du ein Galaxy-Smartphone besitzen und schon einmal positive Erfahrungen mit Virtual Reality gemacht haben, ist die Gear VR eigentlich eine Pflichtanschaffung, wenn um es mobile VR-Brillen geht.

Hauseigenes Rezept: Google Daydream VR

Seit 2016 ist Google auch wieder aktiv im VR-Geschäft vertreten. Am Ende des vergangenen Jahres präsentierte der Suchmaschinenriese die Daydream-Plattform (hier zum Test). Mobile VR-Brillen aus Stoff ersetzten die Papp- und Plastik-Brillen, welche Virtual Reality auf einem Einstiegslevel ermöglichten. Dazu gibt es noch einen ergonomischen Hand-Controller, um sich in künstlichen Welten fortbewegen zu können. Das Set kostet rund 70 Euro, ist aber genauso wie die Samsung Gear VR nicht mit jedem Smartphone kompatibel. Die unterstützten Geräte müssen „Daydream Ready“ sein, also eine offizielle Zertifizierung von Google haben. Die Liste der Smartphones ist noch recht kurz. Google unterstützt bisher die Pixel-Phones, das Motorola Moto Z, das Mate 9 Pro und das ZTE Axon 7, jeweils in allen Konfigurationen. Bald sollen auch das Asus ZenFone AR und Samsung Galaxy S8 mit der Daydream-Brille kooperieren.

Daydream - Mobile VR-Brillen
Image by Google

Einfacher als mit der Daydream View geht es kaum: Die benötigte App ist auf den kompatiblen Telefonen vorinstalliert. Das Telefon wird in den Schacht gelegt und ist direkt einsatzbereit – sei es jetzt für Youtube-Videos oder Spiele. Dank des geringen Gewichts sind lange Virtual-Reality-Sessions kein Problem. Auch eine Brille findet in der Daydream View Platz, solange sie nicht besonders breit ist.

Halbgare Lösung: LG360 VR

Was sich LG bei der LG 360 VR dachte, weiß irgendwie niemand so genau. Kein Wunder also, dass heise online „LG 360 VR ist die schlechteste aktuelle VR-Brille“ titelte. An sich ist das Konzept einer VR-Brille, die so aussieht wie eine normale Brille, sehr interessant. Das Gewicht ist geringer, das Aussehen nicht so befremdlich und natürlich ist solch eine kompakte Bauweise im Transport von Vorteilen. Die LG 360 VR ist per USB-Kabel mit dem kompatiblen LG G5 verbunden, das Mobiltelefon wird also nicht wie bei der Gear VR oder Daydream vor den Kopf geklemmt.

In der Brille finden sich zwei kleine Displays, die den VR-Inhalt abbilden. Und so klein die Displays sind, so klein ist leider auch das Sichtfeld: Nur rund 40 Grad Sichtfeld reichen nicht aus, um ein „Ich bin mittendrin“-Gefühl zu simulieren. Die Konkurrenz schafft 90 bis 100 Grad. Ein zusätzliches Problem ist der große Raum zwischen Brille und Auge: Hier fällt so viel Licht ein, dass du als Nutzer nicht richtig in die virtuelle Realität eintauchen könntest – die Umwelt ist einfach zu sehr wahrnehmbar, als dass du dich darauf einlassen könntest. Eine Sehstärke solltest du außerdem auch nicht besitzen, das Konzept „Brille über Brille“ klappt nicht wirklich gut.

Insgesamt heißt es also bei der LG 360 VR: Idee super, Umsetzung leider nicht. Konkurrenz belebt allerdings das Geschäft – und wenn LG in der Version „Numero zwo“ einige Fehler behebt, ist der Weg in Richtung eines guten Produktes mit Chancen auf dem Markt für mobile VR-Brillen vielleicht gar nicht mehr so weit.

Plastik-Cardboards: Von hui bis pfui

Daydream heißt nicht, dass die normalen Cardboards ihre Daseinsberechtigung verloren haben. Schließlich würde der Nutzer eines der wenigen unterstützten Smartphones besitzen müssen, was bei rund 95 Prozent nicht zutreffend ist. Die Cardboards selbst sind, wie bereits erwähnt, mehr oder weniger genau spezifiziert und können deswegen von diversen Herstellern mit leichten Abweichungen von den Vorgaben hergestellt werden. Dadurch gibt es eine sehr breite Angebotsspanne. Die Preise variieren zwischen zwei und 100 Euro.

Zur ersten Kategorie gehören die Papp-Gestelle: Sie sind weder bequem, noch sind die Linsen besonders gut. Dazu kommt, dass die Modelle oft noch selbst zusammen gebaut werden dürfen und sehr schnell den Geist aufgeben. Derartige mobile VR-Brillen findest du beim Händler deines Vertrauens zuhauf, allerdings ist das Geld hier besser in zwei oder drei Kugeln Eis investiert.

Die Mittelklasse kann schon einiges: Exemplarisch stelle ich hier die Elegiant VR-Brille vor. Sie ist Amazon-Bestseller und macht einiges richtig: Das Plastik-Polster ist recht bequem, es entstehen keine Druckstellen am Kopf. Eine Distanzanpassung des Displays sorgt dafür, dass eine leichte Dioptrien-Anpassung für Brillenträger möglich ist. Die Linsen sind tatsächlich recht gut, sogenannte Chromatische Aberrationen treten nur gering auf. Für 19 Euro ist die Brille für Einsteiger erschwinglich.

Möchtest du auf wirklich gute Optiken nicht verzichten, bleibt prinzipiell nur der Griff zur Zeiss VR One Plus, die schon Teil unser Weihnachtstipps 2016 war. Die VR-Brille vom Jenaischen Optik-Hersteller bietet erstklassige Glaslinsen, die verzerrungsfrei arbeiten. Spezielle Schubladen werden in die Brille geschoben, um einen festen Halt des genutzten Smartphones zu garantieren. Für Augmented Reality-Erfahrungen sind in den Schubladen Aussparungen für die Kamera, um die Außenwelt sehen zu können. Die Brille ist ziemlich bequem und fühlt sich wertig an. Die Qualität hat aber auch einen Preis: Rund 90 Euro werden fällig.

Zeiss VR One Plus - Mobile VR-Brillen
Image by Zeiss

Fazit: Mobile VR-Brillen bereiten keine Qual der Wahl

Welche Virtual-Reality-Brille ist denn nun die richtige für dich? Nun ja, die Antwort ist gar nicht so kompliziert: Bist du Besitzer eines Galaxy-Smartphones ab Generation fünf, sollte es wohl die Samsung Gear VR werden. Die Implementierung ist super, das App-Angebot reichhaltig. Bist du Besitzer eines Google Pixel oder eines anderen von Google Daydream unterstützten Telefons, solltest du tatsächlich die 70 Euro in die Daydream View investieren: Der Controller sorgt für ein unglaublich immersives Gefühl, welches sich positiv auf die VR-Erfahrung auswirkt.

Alle anderen sollten bei Cardboard bleiben: Die Plattform ist etabliert, die meisten Apps für mobile VR-Brillen wie die Daydream und Gear VR gibt es mit kleinen Abstrichen auch für die ältere VR-Generation. Selbst wenn du ein LG-Smartphone hast: Greife nicht zur LG 360 VR. Das Produkt ist derzeit nicht ausgereift genug. Wähle dann doch lieber etwas Älteres und Bewährtes.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf Androidpiloten.


Teaser Image „Augmented Reality“ by Pexels (CC0 Public Domain)

Images by Zeiss, Google, Samsung


studiert Technikjournalismus in Bonn und schreibt schon seit einiger Zeit über allerlei technischen Krimskrams: Seien es nun Smartphones, Gadgets, Drohnen, VR-Brillen oder Anwendungen aller Art. Prinzipiell macht er mit jedem Artikel sein Hobby einen Tacken mehr zum Beruf.


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