Dass politisches Engagement Not tut, haben viele Netznutzer spätestens in diesem Jahr verstanden – als es um das Zugangserwerungsgesetz von Ursula von der Leyen ging. Bleibt nur die Frage, wo man sich engagiert, um allzu viel von Unwissenheit geprägte Politik zu verhindern. Einer Partei beitreten und dort etwas verändern? Einen Arbeitskreis wie den AK Vorrat oder den AK Zensur gründen und sich dort engagieren? Mitglied der Piratenpartei werden? Oder gleich beim Chaos Computer Club? Thema auch bei „atoms&bits“.
Blogger und Twitterer mspro hatte paritätisch eingeladen: Aaron König von der Piratenpartei, Franziska Heine als Vertreterin des AK Zensur, Mathias Richel, der die Piraten in der SPD gründete und Frank Rieger vom Chaos Computer Club. Allesamt politisch Engagierte, die unterschiedliche Wege des politischen Engagements eingeschlagen haben.
Er habe bei seiner Arbeit in der SPD gesehen, dass man auch innerhalb der Partei sehr schnell sehr viel Wirbel machen könne, sagt SPDler Richel. Eine Erfahrung, die er machte, als er sich in der Partei gegen die geplanten Netzsperren einsetzte. „Wenn man im richtigen Ton die richtigen Leute anspricht, dann tut sich was“, sagt er. Und wenn sich das nicht im Ergebnis widerschlage, dann doch zumindest in der parteiinternen Wahrnehmung. Doch er räumt ein: Die Gesellschaft ändere sich schneller als Parteien – weil letztere eben doch immer nur reagieren.
So viel Geduld mag Rieger vom Chaos Computer Club (CCC) nicht an den Tag legen. Versuche, Politiker zu beraten, etwa beim Hackerparagrafen, seien für ihn frustrierend gewesen. Darum habe der CCC sich von Parteien und Parlament abgewandt. „Das ist nicht unsere Welt“, so Rieger. Besser sind seine Erfahrungen in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht, bei dem der CCC immer wieder als Gutachter auftritt. Außerdem habe sich der CCC darauf verlegt, eine andere Kultur, ein neues Selbstverständnis zu schaffen. Nicht Mülltrennen sei heute uncool – ähnlich müsse das Bewusstsein auch bei netzpolitischen Themen geändert werden. Bei den Piraten sei er absichtlich nicht aktiv, sagt Rieger. Weil er ein Problem mit Parteienstrukturen habe – ein Argument, das in Netzkreisen äußerst verbreitet ist. Immerhin räumt er aber ein, die Entwicklung der Piratenpartei wohlwollend zu beobachten – vor allem, weil ihm ihr Konzept der liquid democracy gut gefalle.
Was das genau sei, das kann Piratenpartei–Vorstand Aaron König nicht genau erklären. Er spricht lieber über direkte Demokratie, die in der Schweiz so gut funktioniert und auch für Deutschland ein System sein könne. Und bekommt sich an dieser Stelle gleich mit SPD–Mann Riechel in die Haare, ob man so etwa auch über haushaltspolitische Fragen abstimmen könne. Ob die Piratenpartei also eine Partei sei, die Parteien schwächen wollten? Ja, sagt König. Und reagiert auch gleich auf die Kritik, dass die politische Verortung der Piraten zu vielen nicht-Netzthemen noch unklar sei: Jetzt, vor der Wahl fokussiere man sich noch auf Kernthemen. Danach, sagt er, seien die Piraten natürlich gefordert, auch zu anderen politischen Themen Position zu beziehen.
Parteien abschaffen halte sie für keine sonderlich gute Idee – zumindest, wenn man dem nichts Konstruktives entgegenzusetzen habe, sagt Franziska Heine. Zielführender findet sie ihr Engagement im AK Zensur. Dort seien Leute, die Dinge einfach machten, Transparenz und Parallelstrukturen schafften. „Es ist wichtig, das zu leben, von dem man glaubt, dass es wichtig ist – und nicht darauf zu warten, das es jemand anderes tut“, sagt Heine, die mit ihrer Onlinepetition gegen das Zugangserschwerungsgesetz genau das auch demonstriert hat.
„Wir stecken gerade mitten in einem Wandel drin und haben nicht den besten Blick drauf“, sagt Kommunikationswissenschaftler Christoph Bieber – eigentlich als Schlusswort einer ganz anderen Veranstaltung – aber absolut zutreffend auch für diese Veranstaltung. „Warten wir doch mal ab. Am Ende waren wir alle ‚Yeah‘.“
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Schlagwörter: anb09, atomsandbits, politik
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