Neue Energie auf der NEXT Conference 2024

Die NEXT Conference gehört fest zum Inventar des Reeperbahn Festivals und auch die Netzpiloten begleiten die Innovations-Konferenz schon seit vielen Jahren. Ich war jedoch zum ersten Mal vor Ort. Konnte mich das Programm begeistern und ist es überhaupt eine gute Idee, eine Konferenz in ein Musik- und Kulturfestival einzubetten? Mein kleiner Erlebnisbericht verrät es euch.

New Energy – Recharging our Systems

Die Location war dagegen nicht mein „Erstes Mal“. Normalerweise läuft im Schmidts Tivoli vor allem das beliebte Reeperbahn-Musical „Heiße Ecke“. Doch wo sonst die Energie der Reeperbahn musikalisch auf der Bühne inszeniert wird, durfte sich diesmal die kreative Energie freisetzen. Das Motto lautete nämlich „New Energy – Recharging our Systems“.

Energiegeladen fing die Veranstaltung auch an. Sängerin Alli Neumann heizte bereits um 9 Uhr passend zum Festival musikalisch ein. Für die den frühen Energie-Kick sorgte aber ebenfalls Ikenna Azuike, der als Moderator charismatisch durch das Programm führte und gleich mit einer knackigen Speed Dating-Session startete.

Von anderen Veranstaltung weitgehend deutschsprachiges Programm gewöhnt, war ich beim komplett englischsprachigen Programm der NEXT Conference zunächst noch etwas skeptisch. Die Skepsis währte aber nur kurz: Die internationalen Speaker sind für den Innovationsfokus der Konferenz genau das richtige.

Die großen Themenkomplexe waren dabei nicht all zu neu. Über allem dominierte die Künstliche Intelligenz und auch das Metaverse ließ sich hier und da mal wieder blicken. Den Reiz machten dafür eher die Perspektiven aus, mit Speakern, die unter anderem aus Indien, Afrika, England und den Niederlanden kamen. Vor allem der Blick auf den globalen Süden zeigt viele innovative Entwicklungen, die aber am europäischen Mainstream sonst eher vorbeigehen.

Speakerin Payal Arora auf der Bühne der NEXT Conference. Die Präsentation zeigt den Zukunftsoptimismus der Jugend im globalen Süden.
Der globale Süden war ein wichtiges Thema der NEXT Conference. Das liegt auch am Zukunftsoptimismus der Jugend, wie Speakerin Payal Arora deutlich macht.

Es muss nicht immer größer sein

Es gibt größere Veranstaltungen als die NEXT Conference. Trotzdem kann ich auch als Erstbesucher erahnen, dass es dem Event gut tut, nicht dem „Größer, schneller, weiter“ nachzujagen – und das könnte sie sicherlich ohne Probleme. Wie zu ihrem Beginn ist die NEXT Conference Teil des Reeperbahn-Festivals und das Schmidts Tivoli, in dem das Programm bis 15 Uhr stattfand, limitiert die Besucherzahl auf die Anzahl Plätze im Saal.

Das macht aber nichts. Dafür sind nämlich sogar die Teilnehmer kuratiert. Wird man nicht direkt eingeladen, muss man sich erst um ein Ticket bewerben. Wer die Konferenz besucht, hat also auch richtig Lust darauf und bringt auch etwas Innovationsgeist mit. In den Pause fand auch so ein reger Austausch im Foyer und vor dem Theater statt. Unerwartet war für mich die Performance-Darbietung zum Abschluss des Mainstage-Programms ein kleines Highlight. Hier wurden Herausforderungen von Projekt- und Teamarbeit anhand einer immer komplexeren Ballett-Darbietung, die zunehmend auch in den Safespace der Besucher eindrang, herausgearbeitet. Einfach nur genial umgesetzt.

Am Nachmittag intimer

Als das Programm im Theater vorbei war, begann man erstmals so richtig die Einbettung in das Reeperbahn Festival zu spüren. Passenderweise begann beim Rausgehen nämlich gerade eine Band auf der Bühne des Spielbudenplatz zu spielen. 2-3 Lieder konnte ich lauschen, bevor ich mich zum LaserLoft aufmachte – eine von 4 Locations, in denen das weitere Programm in jeweils etwas intimerer Atmosphäre weiterging. Auch hier merkte man nun das besondere Umfeld, da im Treppenhaus Musik kleiner Konzerte des Festivals ans Ohr drang. Um den Weg zu finden standen draußen auch fleißige Helfer mit Schildern, die einem gerne halfen zur Location zu finden.

Im LaserLoft ging es dann gewissermaßen weiter, wo es im Tivoli aufhörte. Die drei Teilnehmer aus dem abschließenden Panel-Talk „Reimagining Creativity“ gingen hier in eigenen Deep Dives nochmal tiefer in ihre Projekte. Zuerst nahm uns die New Yorker Kreativdenkerin Elizabeth Valleau mit auf ihre Reise durch ihre Spatial Computing Projekte und eigentlich hätte ihr Talk „Nevermind the Metaverse“ auch „Fuck the Metaverse“ heißen können, so schonungslos direkt nennt sie Fehler der bislang gescheiterten Metaverse-Versuche. Mit dem Zuwachs an weniger sperrigen Geräten und Neurotech sieht sie aber trotzdem eine spannende Zukunft für Spatial Computing.

Beeindruckend war die Geschichte von Babusi Nyoni. Der Musiker und kreative Entwickler startete eigentlich mit einer KI-App, die anhand von Videos einen bestimmten afrikanischen Tanz bewertet. Von dort kam die Idee, dass dieselbe Bewegungsanalyse auch praktisch in der Medizin wäre. Es entstand eine App zur Früherkennung von Parkinson. In Afrika ein wichtiger Schritt: Medizinische Versorgung ist noch immer rar und das Handy deutlich verbreiteter als der Internetanschluss im Haus. Die Reise der Bewegungs-KI war damit aber noch nicht am Ende: Sie bringt Tanzbewegungen nun auch noch virtuell ins Metaverse. Unglaublich, was aus einer zunächst einfachen Idee entstehen kann.

Pau Garcia, der dritte Speaker im Bunde, hatte ebenfalls eine Geschichte fürs Herz. In einem seiner Projekte werden im Interview die ältesten Erinnerungen von Demenz-Patienten als KI-Bilder rekonstruiert. Kern von Paus Vortrag waren vor allem aber eine kritische Betrachtung von KI-Tools und unseren Umgang mit ihnen. Gerade dass Pau die KI-Technologie im Gegensatz zu den meisten anderen Programmpunkten kritisch hinterfragt, war eine angenehme Abwechslung. Aufgelockert wurde das ganze durch einige der genialsten Präsentations-Slides des Tages – unter anderem wurden Ausgaben für KI-Sicherheit den jährlichen Umsätzen durch Buttplugs gegenübergestellt. Ihr könnt ja mal raten, wofür die Gesellschaft bedeutend mehr Geld hat.

Beim Vortrag von Pau Garcia werden auf einer Präsentationsfolie 32 Milliarden US-Dollar Ausgaben für Buttplugs den Investitionen in KI-Sicherheit von 77 Millionen US-Dollar gegenüber gestellt.
Pau Garcia sensibilisierte in seinem Vortrag auch für die Schattenseiten der KI-Bewegung. Seine Präsentations-Slides wussten aber auch immer wieder aufzulockern.

Wiederholungstäter?

War alles perfekt an der NEXT Conference 2024? Natürlich nicht. Ich hätte mir beispielsweise gerne mehr kritische Beiträge gewünscht. Aber auch Pau Garcia war sich bewusst, dass sein Impuls sich eher an der Grenze des diesjährigen Themas bewegte, wo es ja bewusst um „New Energy“ gehen sollte. Auch gab es im LaserLoft kleine technische Probleme. Ansonsten lief aber alles reibungslos und gut durchgetaktet mit gut gesetzten Pausen um den Kopf wieder freizubekommen oder im Austausch mit anderen Besuchern weiter anzureichern. 

Auch die Einbettung ins Reeperbahn Festival hatte seinen Reiz und kam gerade dem Thema der „New Energy“ sehr entgegen. Das Festival bot übrigens auch abseits der NEXT Conference ein üppiges Konferenz-Programm. Dankbarerweise konnte man mit dem Ticket auch das weitere Programm inklusive der re:publica besuchen. 

Von der NEXT Conference blieben mir vor allem die geographisch sehr unterschiedlichen Perspektiven in Erinnerung. Unsere technische Realität ist nicht universell und es war spannend sowohl die Herausforderungen, als aber auch die daraus entstehenden Möglichkeiten jenseits des eigenen Tellerrandes zu erfahren. Das Motto für nächstes Jahr kenne ich nicht, aber ich komme gerne wieder auf die Reeperbahn für die nächste Ausgabe der NEXT Conference! 


Image by www.geisselbrecht.biz via NEXT Conference / Flickr 

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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