Neue Module und Features: Wie die New York Times Artikel auf ihrer Webseite auswählt

Im September 2014 wurde auf der Webseite der New York Times ein neues Modul erschaffen. Es nannte sich „Watching“ und war eine Art Sammlung von Meldungen aus der Times, aber auch von Material, das, ähnlich wie es bei Twitter funktioniert, anderswo im Netz gefunden wurde – einschließlich Tweets, Fotos und sogar YouTube-Videos.

Dieses Feature ist vor wenigen Monaten verschwunden, während der Newsfeed selbst erhalten blieb. Vor einigen Wochen hat die Times dann ein neues und andersartiges Produkt veröffentlicht, das sich ebenfalls „Watching“ nennt und eine eigenständige TV- und Film-Empfehlungsseite ist.

Auch wenn dieses Angebot noch namenlos ist, nimmt das Modul, das früher als „Watching“ bekannt war, noch immer einen prominenten Platz auf der Webseite der Times ein – ohne zu scrollen, ist es auf dem unteren Drittel eines Desktop-Bildschirms zu finden. Die Inhalte, die der Feed auf der Webseite wochenweise anbietet, befinden sich allerdings im Wandel. Die Meldungen beinhalten in letzter Zeit merkbar weniger Themenhäufungen, am Wochenende ist der Feed abgeschaltet. Liegt das daran, dass die Times entschied, weniger von auswärtigen Quellen anzuzeigen und anstattdessen mehr Inhalte von der Times selbst zu zeigen – insbesondere vom Express-Team, das letztes Jahr aufgestellt wurde um „die Nachrichten, nach denen Leser suchen und über die sie online sprechen“, abzudecken?

„Ich möchte es wirklich deutlich machen: Wir schätzen das Zusammentragen von auswärtigen Quellen sehr, das momentan an verschiedenen Stellen stattfindet, teilte mir Clifford Levy mit. Er ist Redakteur der Times und leitet zugleich die Abteilung NYT Now. „Aber wir versuchen herauszufinden, was die richtige Balance zwischen Ledungen aus der New York Times und von auswärtigen Quellen ist und wie wir intelligente, sinnvolle Auswahlprozesse für unsere Leser durchführen.“
Levy arbeitet mit Migliedern des Express-Teams, mit NYT Now-Mitarbeitern und mit anderen am Nachrichtenpult, um diesen idealen Punkt zu finden, an dem die Anhäufung von Quellen willkommen ist – nicht nur im Modul auf der Webseite, sondern auch auf der Homepage und auf ihren mobilen Apps. Es gibt desöfteren Meldungen vom Express-Team, leichter verdauliche Nachrichten von anderen Büros und ab und zu Informationen über aktuelle Nachrichtenentwicklungen.

Dean [Baquet] hat eine Innovationskulture sehr befördert, er möchte wirklich, dass die Redaktion im Geiste der Innovation erscheint, er möchte versuchen, die Aufteilung dieses Moduls zu verändern. Er will sich den Datenverkehr des Moduls anschauen – wie Leser auf Veränderungen reagieren, ob wir irgendeinen Teil des Moduls nutzen sollten, ob diese Nachrichten in das Modul oder an andere Orte der Webseite gelangen und wo sie in der mobilen Version hineinpassen. Alle diese Fragen sind noch offen“, sagte Levy.

Eine kurze Analyse von dem, was in dem Modul in den letzten paar Monaten gepostet wurde (gemeint ist seit Anfang Dezember 2015), zeigt, wie sehr es sich mittlerwiele auf die Times konzentriert. Von den letzten 932 geposteten Links waren 765 – also über 80 Prozent – Inhalte der Times. (Andere Nachrichtenquellen, die zumindest ab und zu verlinkt wurden, sind: The Associated Press mit 29, Reuters und der BBC mit je sieben, The Atlantic, Bloomberg und der Guardian mit je fünf Verlinkungen und die Washington Post mit vier Verlinkungen. Das Modul ist also nun eher ein eigenes Fenster und eine Art Untergruppierung von allen Artikeln, die die Times täglich veröffentlicht wurden als ein sorgfältig herausgefiltertes Feature mit interessanten Artikeln von überall aus dem Internet.

Ian Fisher, der ehemalige stellvertretende ausführende Redakteur (jetzt Untersuchungsleiter) von Politico, sagte, dass „Watching“ in seiner Anfangsphase ungefähr 40 Prozent negatives Feedback erhielt. Sechs Monate später waren es laut Politicos letztem Update von April eher die Meldungen, die nicht aus der Times stammten, die die bessere Performance lieferten. Außerdem kehrten Leser zur Times-Seite zurück, auch wenn sie auf Nachrichten klickten, die sie von der Seite wegleiteten.

Levy nannte mir keine genauen Zahlen, sagte aber, dass der Feed sich weiterhin gut halte, wenn man die Leser betrachte, die auf Meldungen des Feeds klicken:

Das Modul funktioniert gut. Wir hatten eigentlich keine negativen Rückmeldungen. Ich schaue mir tatsächlich an, wie einzelne Meldungen wirken, verwende aber nicht zuviel Zeit dafür, einzelne Elemente des Feeds miteinander zu vergleichen.

NYTimes.com unterteilt sich grob in drei Kolumnen (von links nach rechts, unterteilt in die Gruppen A, B und C). Meinungsartikel befinden sich oben in der dritten Kolumne, das untere Eck dieser Kolumne erfährt verständlicherweise weniger Beachtung von den Lesern als der linke Teil der Webseite. Das Team dort spielt zum Beispiel mehr mit visuellen Elementen bei vorgestellten Artikeln.

Die linke Seite ist am Neuesten – zu einem gewissen Grad haben wir unsere Leser daran gewöhnt. Ich denke nicht, dass man ein Modul von solcher Größe auf die linke Seite der Webseite setzen könnte„, sagte Levy. „Wir haben damit experimentiert, das Modul in verschiedene Positionen auf der Webseite zu verschieben. Aber wie du weißt, ist die Sache mit der Webseite so, dass sie wie ein überfüllter Marktplatz ist – man muss die Bedürfnisse der Redaktion in Betracht ziehen, jene der Autoren der Meinungsartikel, der Platz, den die Videoabteilung benötigt und natürlich den Platz für Werbung, der sehr wichtig ist. Es gibt viele verschiedene Interessen und viele Einflussträger.

Doch gibt es irgendeine spezifische Richtung, in die die Entwicklung des früheren „Watching“-Moduls gehen wird, irgendeine Idee, die darauf hindeutet, dass es seinen eigenen Platz innerhalb von NYT Now oder sogar in der Times-App bekommen könnte?

„Das Einzige, das ich dir versichern kann, ist, dass wir an auswärtige Quellensammlungen glauben. Wir machen das auf eine Art, die den Lesern hilft, und wir wissen, dass die Redaktion dabei gute Arbeit macht,“ sagte Levy. „Zu einem gewissen Grad ist das eine seismische Verschiebung. Noch vor drei Jahren wäre das etwas gewesen, was wir niemals hätten tun können.

Dieser Artikel erschien zuerst auf “Nieman Journalism Lab” unter CC BY-NC-SA 3.0 US. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image „The NewYork Times building, New York City“ by Alterego (CC by 3.0)


ist Redakteurin des NiemanLab. Vorher arbeitete sie in der Redaktion der Harvard University Press und berichtete für Boston.com und das New England Center for Investigative Reporting.


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