Die Bewegtbild-Studie von nextMedia.Hamburg ließ bereits erkennen, wie stark das Streaming derzeit den Markt aufmischt. Der newTV Kongress widmete sich Ende März in Hamburg intensiv diesem Umschwung im Medienkonsum und bot in seiner bereits zehnten Auflage eine bunte Vielfalt weiterer Themen: Es ging zum Beispiel um das Erkennen von Falschmeldungen, gerade wenn die Quellen aus den sozialen Medien stammen. Auch Vertreter von linearen Fernsehsendern wie ARD und Sport1 gehörten zu den Speakern der Bewegtbildkonferenz und machten deutlich, wie wichtig das Thema auch für die „klassischen“ Sender ist. Zwei Programmpunkte die nacheinander auf der gleichen Bühne stattfanden, bildeten für mich jedoch ein ganz besonderes Kontrastprogramm. Erst beantworteten Fynn Kliemann und Brian Jakubowski die Frage, wie man ein Kliemannsland aufbaut, anschließend gab es eine kurze Vorstellung der KI-Plattform für Medienmacher aiconix.
Kliemannsland – Planungslos zum Erfolg
Fynn Kliemann und sein Social Media-Guy Brian Jakubowski unterschieden sich von den anderen Referenten. Sie hatten zwar einen kurzen Einspieler mitgebracht, eine Präsentation suchte man jedoch vergebens. Allgemein wirkte alles weniger glattgebügelt, als wenn die typischen Marketing-Vertreter auf der Bühne stehen. Doch was ist das Kliemannsland eigentlich? Das Kliemannsland ist ein großer Hof mit zahlreichen Arbeitsräumen und Studios für Kreative. Ursprünglich mehr oder weniger dafür gedacht, selbst Unsinn auf dem Hof anzustellen, kamen immer mehr Kreative hinzu und das Projekt wurde ungeplant immer größer.
Unsinn wird noch immer viel gemacht und der selbsternannte Heimwerker-König Fynn Kliemann lässt sich eher von dem leiten, worauf er gerade Lust hat. Zwar gibt es auch Redaktionssitzungen, doch diese dienen eher dazu, dass man „abkaspert, ob etwas überhaupt legal ist“.
Während des Q&A weiß ich oft nicht, ob Fynn Kliemann wirklich so planlos an seine Projekte geht oder ob es eher der Kredibilität dient. Videos werden offenbar gedreht wie es gerade kommt, viele Projekte rentieren sich nicht und auch in den Fragen der Zuhörer hört man heraus, dass viele nicht wissen, womit er jetzt eigentlich sein Geld verdient. Die Antworten reichen von Agentur für Websites, bis hin zu „so Videozeugs“ und ab und zu einen kommerziellen Erfolg. Auch Antiquitäten werden im Kliemannsland verkauft. Am selben Morgen war Kliemann bereits in einer Schule, die abgerissen werden soll. Dessen Inventar darf er, dank guter Vernetzung in der ländlichen Gegend, ausräumen. Die Chemielabore einer Schule? Für ihn ein ganz großer Wurf.
Auch sein Team besteht aus Leuten, die einfach irgendwie angespült wurden. Brian, der Social Media für das Kliemannsland macht, kommt eigentlich aus dem KFZ-Bereich. In seiner Bewerbung hat er lustige Sprüche gebracht – also perfekt für Social Media. Allgemein macht Fynn Kliemann sich auch wenig Sorgen über die Zukunft seines Teams. Alle arbeiten auf ihre Art bereits selbstständig im Kliemannsland.
Aiconix – Redaktionelle Unterstützung durch KI
Auf dieses doch schon arg anarchistisch anmutende Erfolgsmodell folgte eine Vorstellung von Aiconix. Deren „aingine“ ist ein Tool für Medienschaffende, welches diese durch künstliche Intelligenz unterstützt. Es handelt sich um eine Schnittstellenlösung zu unzähligen KI-Anbieter, über die jeder die passende KI-Unterstützung findet, die zu seinem Inhalt passt.
Unter anderem wird über die aingine gesprochenes Wort zu Text verarbeitet oder audiovisuelle Inhalte in Daten umgewandelt. Durch das umfassende Labeling lassen sich Videos für spätere Wiedernutzung deutlich einfacher finden. Dabei sieht sich Aiconix aber auch in kuratierender Funktion, um für jeden speziellen Bedarf den richtigen Anbieter zu empfehlen.
Schade nur, dass die Vorstellung von Aiconix sehr kurz gehalten war. Hier wären ein paar weitere Anwendungsbeispiele spannend gewesen. Ich hatte das Gefühl, dass die Vorstellung nach der Einleitung bereits vorbei war.
Rocket Beans TV – Zwischen Kreativität und Geschäft
Interessant war an dieser Stelle auch die Best Case-Vorstellung des Streaming-Senders Rocket Beans TV. Anders als sonst, standen da nicht die bekannten Bohnen auf der Bühne, sondern jene, die im Hintergrund am Erfolg arbeiten. Britta Schewe, Anja Räßler und Moritz Haase gaben einen Einblick ins Geschäftsmodell RBTV.
Die Geschäftszahlen, die quasi zeitgleich auch online im BEANSreport veröffentlich wurden, ließen tiefgehend in die Arbeitsweise des mittlerweile 100 Personen starken Teams blicken, dass natürlich nicht nur von den Zuschauern alleine leben kann. Trotzdem zeigen sich die drei richtig stolz auf ihre Community. Allein 6.000 Zuschauer unterstützen den Sender monatlich bereits mit Spenden. Hinzu kommen auch starke Einnahmen aus dem Shop.
Auf angenehm offene Art wird aber auch die Wichtigkeit des Branded Content angesprochen, der aber auch immer ins Gesamtkonzept passen muss. Rocket Beans TV weiß ganz genau, dass der Erfolg einer Partnerschaft trotzdem damit zusammenhängt, dass sie weiterhin glaubhaft und sich selbst treu bleiben. Dessen müssen sich auch Partner bewusst sein, die eine Zusammenarbeit mit dem Sender anstreben. Man merkt im Vortrag auch die Freude über den jüngsten Erfolg der Flummi Open, ein knapp fünfstündiges Live-Event, dass sowohl live, als auch On-Demand sehr erfolgreich lief.
Auch der Vortrag auf dem newTV Kongress kam gut an. Der Raum war so gut gefüllt, dass der Best Case fast noch besser in den größeren Saal der erste liebe studios gepasst hätte. Die Vortragenden erhielten außerdem noch ein bisschen mehr Zeit als ursprünglich angesetzt.
Sehr unterschiedliche Ansätze
Kliemannsland, aiconix und Rocket Beans TV bildeten ein Trio, dass die Faszination der neuen Medien für mich gut zusammenfasst. Es waren drei sehr unterschiedliche Herangehensweisen, um in der modernen Medienlandschaft erfolgreich zu sein. Das Kliemannsland bricht auf brachiale Weise mit den gängigen Regeln und lebt regelrecht von dieser Philosophie. aiconix hilft dagegen, geregelte Abläufe weiter zu optimieren, damit sich der Medienschaffende besser auf den Inhalt konzentrieren kann. Und dann gab es noch Rocket Beans TV, die zwar auch ähnlich kreativen Ansatz wie das Kliemannsland haben, sich aber auch als Medienmarke sehen und entsprechend mehr und mehr ihre Abläufe professionalisieren.
Image by nextMedia.Hamburg
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