Nonprofit Journalismus – die Lösung der Krise?

Der Verein Netzwerk Recherche setzt sich für einen gemeinnützigen Journalismus ein. Doch ist das die Lösung aller Branchenprobleme? // von Julian Heck

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Die Einnahmen vieler Verlage sinken und die journalistische Qualität gleich mit ihnen. Das Ergebnis: Klickgeilheit, PR-Journalismus und Agenturmeldungen, wohin das Auge reicht. Weil die Verlage sich ihrer schlechten Qualität scheinbar bewusst sind, verstecken sie ihre Inhalte hinter einer Paywall, hinter jene die Masse nicht blickt. Für einen Nonprofit Journalismus setzt sich nun der Verein Netzwerk Recherche ein. Denn die Profitgier der Verlage mache einen guten Journalismus quasi unmöglich.


Warum ist das wichtig? Die finanziellen Probleme der Journalismusbranche nehmen kein Ende. Es werden Bezahlmodelle erprobt und an der Qualität geschraubt. Nonprofit-Journalismus wird zurecht als eine Lösung diskutiert, die aber auch kritisch hinterfragt werden muss.

  • Der Verein Netzwerk Recherche macht sich für einen Nonprofit Journalismus stark.
  • Auch gemeinnütziger Journalismus muss sich finanzieren können, ist auf Spenden angewiesen und der Gefahr einer anderen Abhängigkeit ausgesetzt.
  • Nonprofit Journalismus könnte den Weg zu einem unabhängig von Profitgier betriebenen Journalismus ebnen.

Die Abhängigkeit im Journalismus verschiebt sich

Nonprofit-Redaktionen „können kritisch berichten – ohne Rücksicht auf Anzeigenkunden, Verlegerfilz und Medienagenda„, schreibt der Verein Netzwerk Recherche auf seiner Kampagnen-Webseite. „Ihre Unabhängigkeit ermöglicht Nonprofit-Redaktionen, Themen anzupacken, die sonst im Mainstream untergehen würden.“ Sie sind also wirtschaftlich nicht abhängig und können auch unpopuläre Themen angehen und aufwändige Geschichten unterbringen. Aber sind Nonprofit-Verlage beziehungsweise -Redaktionen wirklich wirtschaftlich und thematisch unabhängig? Nicht ganz.

Netzwerk Recherche schreibt in seinem „Warum?“ zu Nonprofit Journalismus: „Ihre Geschichten müssen so gut sein, dass die Leser dafür gerne Geld geben.“ Die Leser haben es also in der Hand. Prinzipiell keine schlechte Idee. Doch sie hat noch nie richtig funktioniert. Journalistische Produkte finanzierten und finanzieren sich in der Regel nicht alleine durch den Verkauf, durch das direkte Bezahlen für die Leistung, die der Käufer erhält. Wenn Netzwerk Recherche schreibt, dass die Beiträge so gut sein müssen, damit Leser dafür freiwillig Geld ausgeben, dann übersieht der Verein, dass aufwändig (und teuer) produzierte Geschichten zwar Leser erreichen, aber eben nicht die Masse, die mit „10 Dinge, die du 2014 getan haben solltest“-Beiträgen, Bildergalerien als Klickstrecken oder mit simplen Suchmeldungen der Polizei erreicht werden. Denn „gut“ ist relativ. Aus hohem Aufwand resultiert nicht zwingend eine hohe Reichweite. Zahlende Leser wollen auch erst einmal angezogen werden – und das geschieht nicht immer durch Qualität, wie sie von Machern definiert wird.

Der Journalist Daniel Drepper stellt auf der Webseite zur Nonprofit Journalismus-Kampagne folgende These auf: „Wenn sich einige hundert oder tausend Spender dafür finden, die Kosten zu tragen, können die Journalisten auch Nischenthemen besetzen oder langfristige Recherchen finanzieren.“ Damit wir uns nicht falsch verstehen: Klar wäre es super, wenn sich eine bestimmte Anzahl an Menschen bereit erklären würde, einen guten Journalismus zu finanzieren. Aber damit verschiebt sich bloß die Abhängigkeit von Anzeigenkunden auf Spender. Das sieht man bei Parteien. Auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der einen einzigen großen Spender hat – nämlich quasi alle Bürger, repräsentiert durch die Politik – wird immer wieder angehängt, von der Politik abhängig zu sein und beeinflusst zu werden. Man könnte es so auf den Punkt bringen: Je größer die Spende, desto größer der mögliche Einfluss.

Die Ideallösung gibt es nicht

Man kann es wohl drehen und wenden, wie man möchte. Geldgeber können immer auch Einfluss nehmen, sogar der Staat. Wenn Netzwerk Recherche behauptet, „Gemeinnützigkeit kann den Journalismus verändern„, dann könnte der Verein recht behalten. Gemeinnützigkeit könnte dem Journalismus einen Schub verleihen, den Stellenwert in die Höhe schrauben und Verlagsmanager von ihrem hohen Ross werfen, die sich dann nicht mehr die Taschen vollstopfen können. Doch die Problematik der wirtschaftlichen Abhängigkeit und der ungewissen finanziellen Lage ändert sich dadurch wohl kaum. Auch gemeinnützige Vereine nagen mal am Hungertuch.


Teaser & Image by Netzwerk Recherche


ist freier Journalist, Dozent und Lehrbeauftragter an der Hochschule Darmstadt. Er schreibt über die Themen Medien, Technik und digitale Wirtschaft. Zu seinen Auftraggebern gehören unter anderem etailment.de, LEAD digital, Mobilbranche, das Medium Magazin, MobileGeeks.de und die Friedrich-Ebert-Stiftung. Vom Medium Magazin wurde der Südhesse 2013 unter die "Top 30 bis 30" Nachwuchsjournalisten gewählt. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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1 comment

  1. So weit ich weiss wird für gute Berichte gezahlt. Das sieht man an vielen bekannten Blogs. Und (wenn auch immer seltener) habe ich mir solche Flattr-Buttons für SZ oder Zeit gewünscht.

    Die bieten nämlich immer mal wieder schöne und ausgewogene Berichte. Dafür zahle ich auch, kein Problem. Würde es diese berichte einzeln zu kaufen geben, gerne.

    Man könnte es zum Beispiel kostenlos im Web anbieten mit Verweis auf einen Kauf zur Nutzung offline als PDF oder am iPad. Würde ich kaufen, wenn das Bezahlsystem einfach ist und der Preis angemessen.
    Nur eine Idee von vielen…

    Für Journalismus zahlt man gerne. Aber für Journalismus und den findet man selbst bei SZ, Zeit und FAZ nur noch selten. Eher dpa, Polemik und Beleidigungen in schöne Worte verpackt. Und zehntausend Nichtssagende Berichte innerhalb einer stunde zu einem Thema.

    Und ganz ehrlich? Ein Teaser der mit Sätzen endet wie „Das kann aber auch kritisch enden“, „Doch es könnte noch Probleme geben“ und „Alles geklärt ist damit aber noch nicht“ (für weitere Beispiele einfach die genannten Zeitungen ansurfen) lockt mich nicht hinter eine Paywall.

    Auf der andren Seite denke ich, dass die Qualität des Journalismus nicht so sehr gelitten hat. Es wird nur offensichtlich was für einen Quatsch angehende Journalisten lernen und wie Zeitungen die Menschen seit Jahrzehnten veräppelt haben. Und wie voreingenommen Journalisten eigentlich sind.

    Was ja nicht schlimme wäre, wenn sie das zugeben würden.

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