In einem Gastbeitrag erklärt uns One Spark-Juror Karsten Wenzlaff, warum in Deutschland Crowdfunding für die Wissenschaft fast unmöglich ist. // von Karsten Wenzlaff
Am 13. September findet in der Berliner Platoon-Kunsthalle das internationale Crowdfunding-Festival One Spark statt. Die Netzpiloten sind als Medienpartner live vor Ort dabei und berichten, aber bis dahin sprechen wir mit den Experten auf dem Event, welche Rolle Crowdfunding in ihrem Bereich spielt. Den Anfang macht Karsten Wenzlaff, Geschäftsführer und Gründer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien (ikosom) und Gründer des German Crowdfunding Networks, mit einem Gastbeitrag über Crowdfunding in der Wissenschaft:
In der ganzen Welt schütten sich mehr oder weniger prominente Menschen Eiswasser über den Kopf zugunsten der Erforschung einer Krankheit, von denen die meisten der Begossenen vor vier Monaten nicht viel wussten: Amyotrophe Lateralsklerose. Weil man sich vor den Eiskübeln auch mit einer Spende retten kann, so wie es Patrick Stewart kürzlich sehr elegant tat, wurde ich prompt heute morgen beim Radio-Interview gefragt: Ist das eigentlich auch Crowdfunding?
Es geht um Geld und Aufmerksamkeit – zumindest das haben beide Phänomene gemeinsam. Bei vielen Crowfunding-Projekten ist die Finanzierung nicht das wichtigste Ziel, sondern die Crowd wird zum Marken-Botschafter, zum Marktforscher, zum Social Media Fan. Beim sogenannten Donation-Based Crowdfunding, dem Crowdfunding ohne Gegenleistung, ist der Weg das Ziel: Aufmerksamkeit für ein Projekt zu generieren. Die Finanzierung ist eher zweitrangig.
Dennoch ist das Argument vieler Wissenschaftler nicht von der Hand zu weisen, dass es für erfolgreiche Forschung viel eher auf die öffentliche Förderung als auf die privaten Spenden ankommt. Während in den USA der Kongress die Forschungsgelder bei ALS kürzt, können die Schecks von Jimmy Fallon, Marc Zuckerberg und Bill Gates nur der Tropfen auf den heißen Stein sein. Welche Rolle kann da die Crowd überhaupt noch spielen?
Die Forschungslandschaft in Europa steckt in dem Dilemma, dass ein großer Teil der Wissenschaft auf öffentliche Forschungsgelder angewiesen sind – Bund und Länder investieren in Infrastruktur, bezahlen die Gehälter der Professoren und Dozenten, stellen Stipendien zur Verfügung. Die Universitäten besorgen sich zwar Drittmittel von Unternehmen, aber investieren das Geld selten in die Grundlagenforschung, sondern in die angewandte und damit unternehmensnahe Forschung.
Sich an die Bürger zu wenden, das kommt nur den wenigsten Forschern in den Kopf – sie brauchen es auch nicht. Ihr Einkommen und ihre Forschungsbudgets werden zwar vom Steuerzahler aufgebracht, aber eine direkte Mitwirkungsmöglichkeit haben die Geldgeber nicht. Unter dem Aspekt der Unabhängigkeit der Forschung mag man die politische Einflussnahme sicherlich nicht gutheißen, unter dem Aspekt der Legitimation öffentlicher Ausgaben ist das eine Katastrophe. Denn eigentlich benötigt die Wissenschaft mehr Geld, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, sowohl in der Ausbildung als auch in der Forschung.
Crowdfunding ist Teil der Bewegung von Open Science und Wissenschaft 2.0. Es geht darum, Wissenschaft erklärbar zu machen und über Blogs und via Social Media zu verbreiten. Es ist nicht verwunderlich, dass eine Facebook-Seite wie „I fucking love Science“ pro Artikel tausende von Klicks generiert.
Sicherlich macht es die Crowdfunding-Szene den Wissenschaftlern es auch nicht ganz leicht, weil mit dem Wort „Crowdfunding“ bestimmte Modelle verbunden werden, die von der Struktur des wissenschaftlichen Denkens und Handels stark abweichen. Das deutsche Portal Sciencestarter beispielsweise, finanziert vom Stifterverband für die Wissenschaft und umgesetzt von der reward-based Plattform startnext, sieht aus wie ein kleines Kickstarter bzw. wie ein kleines Startnext. Als es gestartet wurde, war es innovativ. Es war auch gut, dass die Wissenschaftscommunity sich überlegte, wie man Crowdfunding nutzen kann. Aber es ist dennoch enttäuschend, wie wenig Projekte am Ende dabei erfolgreich finanziert worden sind, gemessen an den Ausgaben für das Portal. Vielleicht wird Crowdfunding für die Wissenschaft dort in ein Modell gepresst, welches sich gar nicht sehr für den Forschungsprozess eignet.
Wir hatten als ikosom in Kooperation mit datajockey auf Sciencestarter eine Studie gecrowdfundet – die Studie „Junge Deutsche“. Wir haben sehr früh gemerkt, dass das übliche Konzept der Orientierung auf konkrete Projekte, auf Gegenleistungen für die Geldgeber und einem klar umgrenzten Finanzierungszeitraum nicht so wirklich dazu passt, wie wir an arbeiten. Unsere Themen entwickeln sich über mehrere Jahre hinweg und daraus destillieren sich einzelne Forschungsprojekte, Publikationen, Konferenzen, Forschungsreisen. Die Interaktion mit der Crowd steht dabei im Vordergrund, weniger das einzelne Projekt selber.
Vielleicht muss sich Crowdfunding in der Wissenschaft eher am Krautreporter-Modell orientieren. Bei Krautreporter hatten mehr als 15.000 Abonennten 60 Euro eingezahlt, um ein neues Journalismus-Startup zu finanzieren. Das Krautreporter-Modell könnte für Wissenschaft so aussehen: Einige tausend Leute bezahlen eine jährliche Flatrate und sind damit Teil der Forschungsgemeinschaft, dürfen mit über Themen und Projekte entscheiden und können an den Resultaten als erstes partizipieren. Forschung kann sich über längere Zeiträume etablieren und der Austausch mit Crowd wird gestärkt.
Dann ließe sich auch der Gedanke stärker etablieren, dass das Geld für die Wissenschaft weniger eine milde Spende ist, sondern Teil eines Investitionsprozesses, eines Crowdinvestings für Ideen. Bislang wird unter Crowdinvesting vor allem die Investition in Startups verstanden, aber das weitaus größere Potenzial ist doch, in die Forschung dort zu investieren, wo eine einzelne Idee viele neue Innovationen hervorrufen können. Wenn Crowdfunding verknüpft wäre mit einem für die Crowd attraktiven Beteiligungsmodell, dann wären auch größere Summen möglich.
Anfang September findet in Berlin das OneSpark-Festival statt. Ich hatte das Glück, einer der Juroren für die Kategorie Wissenschaft zu sein. Da waren spannende Projekte dabei: von Science HackDays über Magazine für Autisten bis hin zu Geräte zum Kühlen von Insulin. Eins zeigte es aber die eingereichten Projekte: die Kreativität in Bezug auf Crowdfunding kommt weniger aus der Forschung, sondern eher aus dem Bereich Lifestyle und eHealth.
Das muss nicht schlecht sein, ich für meinen Teil freue mich. Aber es hat mir auch gezeigt, dass wir noch dicke Bretter bohren müssen, um die Wissenschaft für die Crowd zu öffnen.
Teaser & Image by Steve Rainwater (CC BY-SA 2.0)
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: berlin, Crowdfunding, Karsten Wenzlaff, One Spark, Wissenschaft