Online-Manipulation schränkt Internetfreiheit ein

„Im vergangenen Jahr haben Regierungen rund um die Welt ihre Bemühungen dramatisch verstärkt, Informationen in den sozialen Medien zu manipulieren.“ Zu dieser Erkenntnis kommt die Nichtregierungsorganisation Freedom House in ihrem neuen Bericht „Freedom on the Net 2017“, die es sich zum Ziel gesetzt hat, liberale Demokratien weltweit zu fördern. Die Organisation attestiert den insgesamt 65 untersuchten Ländern, die insgesamt 87 Prozent der Internetnutzer zusammenfassen, im siebten Jahr hintereinander eine rückläufige Freiheit im Internet. Vor allem die Manipulation von Inhalten und Desinformationskampagnen hätten diesen Trend im Untersuchungszeitraum zwischen Juni 2016 und Mai 2017 befördert.

Bezahlte Trolle, automatisierte Bots

Bekanntestes Beispiel waren die im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen kursierenden Falschinformationen in den sozialen Medien. Das führte auch dazu, dass die Vereinigten Staaten trotz ihrer weiterhin „lebhaften und vielfältigen“ Medienlandschaft im Freedom House-Ranking zwei Plätze nach unten auf Rang sechs rutschten. Der Bericht geht in diesem Zusammenhang vor allem mit Russland hart ins Gericht und wirft der Putin-Regierung vor, Fake News und Bots benutzt zu haben, um den Wahlkampf zwischen Donald Trump und Hillary Clinton zu beeinflussen. Doch die USA sind nur der prominenteste Fall von gezielten Desinformationskampagnen. In 17 der 65 untersuchten Länder stellte Freedom House eine solche Manipulation im Kontext von Wahlen fest. Allerdings bleibt die russische Einmischung in ausländische Angelegenheiten ein Ausnahmefall: Meistens zielten die Kampagnen der Regierungen gegen die eigene Bevölkerung.

Einen gehörigen Anteil an solchen Kampagnen haben bezahlte Meinungsmacher, die Freedom House in 30 der betrachteten Staaten fand. In ihrem Bericht nennt die Organisation beispielsweise die 6.000 Trolle der türkischen Regierungspartei AKP oder die Kommentatoren auf den Philippinen, die für zehn Dollar am Tag regierungsfreundliche Kommentare schreiben. Doch bezahlte Online-Schreiber sind nicht das einzige Problem: in mindestens acht Ländern wird die Bevölkerung dazu aufgerufen, „unpatriotische Inhalte“ zu melden und soziale Medien mit regierungsfreundlichen Kommentaren zu fluten. Auch Bots spielten in der Beeinflussung des Meinungsklimas eine wichtige Rolle. In 20 Staaten fand Freedom House Hinweise auf die systematische Nutzung von automatisierten Social-Media-Accounts, jedoch nicht nur in Autokratien – man nehme beispielsweise die 75.000 Bots, die den mexikanischen Präsidentschaftswahlkampf zugunsten von Amtsinhaber Peña beeinflussen sollten.

Kritik am NetzDG

Besorgniserregend sei in diesem Zusammenhang auch der Wille demokratischer Staaten, Desinformationen mit Gesetzen dem Kampf anzusagen. In 14 Ländern gebe es die laut Freedom House „beunruhigende“ Entwicklung, Fake News mithilfe der Gesetzgebung entgegenzuwirken. Laut Freedom House hätten solche Entscheidungen den gegenteiligen Effekt und würden die Internetfreiheit eher einschränken. Dies ist auch Grund dafür, dass Deutschland im Ranking der Organisation etwas schlechter dasteht als noch im Vorjahr. Das 2017 in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) könnte laut Freedom House Anreize schaffen, dass soziale Netzwerke vorauseilend auch legale Inhalte löschen, um den drakonischen Strafen zu entgehen.

Die Organisation fürchtet darüber hinaus, dass demokratische Länder wie Deutschland oder Italien mit solchen Gesetzen Präzedenzfälle für die weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit in autokratischen Staaten schaffen. Auch auf die in den Augen vieler Kritiker nachträgliche Legalisierung der Methoden des Bundesnachrichtendienstes (BND) im vergangenen Jahr oder die andauernde Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung ging der Bericht ein. Beides könnte negative Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit im Netz haben. Nichtsdestotrotz bleibt Deutschland eines der liberalsten Länder, was den Zugang zum Internet angeht. Nur Estland, Island und Kanada standen 2017 vor der Bundesrepublik.

Einschränkung des Livestreamings

Doch nicht nur das vergiftete Klima im Netz war eine der zentralen Entwicklungen im vergangenen Jahr. Staaten versuchten zunehmend, den mobilen Internetzugang einzuschränken – für die meisten Menschen auf der Welt mittlerweile die wichtigste Tür ins Netz. Die Hälfte aller beobachteten Abschaltungen des Internet betraf den mobilen Bereich – viele davon in Regionen mit ethnischen oder religiösen Minderheiten, die die Regierung infrage gestellt haben oder mehr Rechte einforderten. Während politischer Proteste wurde in autokratischen Systemen auch zunehmend die Möglichkeit des Livestreamings unterbunden.

Auch technische Angriffe gegen unabhängige Medien, Oppositionelle und Bürgerrechtsgruppen haben im vergangenen weiter zugenommen – beispielsweise DDoS-Attacken oder das illegale Hacking von Smartphones. Die vergleichsweise geringen Kosten einer Cyberattacke führen auch lokale Behörden immer mehr in Versuchung, diese Methode zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit zu nutzen. Sechs Länder haben darüber hinaus ihre Bemühungen verstärkt, die Nutzung von Virtual Private Networks (VPN) einzuschränken. Leider beschränkte sich der Kampf gegen die Meinungsfreiheit nicht nur auf das Internet: Die Zahl der Länder, in denen Netizens und Online-Journalisten physisch angegriffen wurden, um 50 Prozent gestiegen – von 20 auf 30.

Die rote Laterne des Rankings hält übrigens zum dritten Mal hintereinander die Volksrepublik China in den Händen. Neben den üblichen, massiven Eingriffen in die Freiheit des Netzes beschloss die Führung des Landes 2016 erneut ein Cybersecurity-Gesetz, das die Registierungs- und Klarnamen-Pflichten verschärfte. Die weltweiten Zahlen zur Internetfreiheit stagnierten im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt lebt 2017 nur jeder vierte Nutzer weltweit in einem Land mit freiem Internet, ein Drittel hat aufgrund von staatlichen Beschränkungen keinen freien Zugang ins Netz.


Image (adapted) „Internet“ by Avi Richards (CC0 Public Domain)


ist Schüler an der Deutschen Journalistenschule in München, zuvor studierte er Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität. Neben seiner Leidenschaft für Medien aller Art interessiert er sich vor allem für die großen politischen Zusammenhänge und ihre Auswirkungen im Kleinen.


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