Open Data: Die Scheu der Kommunen

Offene Daten haben in deutschen Kommunen immer noch Seltenheitswert. Eine ungewisse Finanzierung und unklarer Nutzen hält die Verwaltungen zurück. Vorreiter in Sachen offene Daten in Deutschland sitzen nicht nur in Berlin, sondern auch in einem Rathaus am Niederrhein. Die Stadt Moers ist eine von zwölf Städten, deren Open-Data-Ambitionen bisher in dem sogenannten City Census der Open Knowledge Foundation bewertet werden. Von den über 11.000 deutschen Kommunen beschäftigt sich erst ein verschwindend geringer Teil mit offenen Daten: Die Forderung aus der Netzcommunity nach frei zugänglichen Datensätzen ist in den kommunalen Verwaltungen noch nicht angekommen.

Im Februar letzten Jahres musste es dann plötzlich ganz schnell gehen in Moers. Das Bundesinnenministerium als Betreiber des Datenportals GovData hat mitbekommen, dass die Stadt daran arbeitet, kommunale Verwaltungsdaten online zu stellen. „GovData hat händeringend nach Daten gesucht. Das hat unser Portal extrem beschleunigt: In zwei Wochen haben wir die Webseite erstellt. Das ist für Verwaltungsverhältnisse schon extrem„, erzählt Claus Arndt, der das Projekt angestoßen hat. Der 50-Jährige arbeitet in Moers als Referent des Bürgermeisters für E-Governance und Social Media und leitet den Fachdienst Zentrale Dienste.

Meistens kommen die Forderungen nach offenen Daten allerdings nicht aus den Kommunen, sondern von Aktivisten, oftmals unterstützt von der Open Knowledge Foundation. Am Open Data Day vergangene Woche haben sie den Open Data City Census für Deutschland gestartet. Damit soll der Status verschiedener Open Data Bemühungen in deutschen Kommunen auf einen Blick sichtbar werden. „Wir wollen Vergleichbarkeit auf städtischer Ebene„, sagt Walter Palmetshofer, einer der Mitarbeiter der Open Knowledge Foundation.

Aktivisten wollen weltweiten Vergleich

Der City Census baut darauf, dass Freiwillige eintragen, welche Datensätze zu welchen Konditionen verwendet werden können. Insgesamt gibt es 15 verschiedene Themengebiete: Von Echtzeitverkehrsdaten über Wahlergebnisse bis zum Handelsregister. Diese Daten – sofern sie denn überhaupt vorhanden sind – bekommen Bewertungen nach bestimmten Kriterien: Sind die Daten öffentlich zugänglich? Sind sie kostenlos, maschinenlesbar oder aktuell? Dadurch ergibt sich für jede Stadt eine Punktzahl – und damit die Vergleichbarkeit untereinander. An erster Stelle steht Berlin mit 845 Punkten, Moers hat dazu im Vergleich 300. „Das Ranking ist aber keine hohe Wissenschaft. Man muss Kompromisse eingehen„, meint Palmetshofer. Kleinere Städte hätten in bestimmten Bereichen einfach keine Daten, wie zum Beispiel bei den Echtzeitsverkehrsdaten.

Die im Moment zwölf Kommunen im City Census sind mit unter einem Prozent ein verschwindend kleiner Bruchteil der deutschen Gemeinden. Der Weg zu mehr offenen Daten ist noch lang – doch eines braucht es dabei immer, meint der Moerser Arndt: „Entweder erahnen Bürgermeister die Chance von Open Data oder die Verwaltung erkennt einen vertretbaren Aufwand. Der springende Punkt ist, dass von oben oder unten Unterstützung kommt.“ Daran, dass sich offene Daten als politische Forderung in Gemeinde- oder Stadträten umsetzen lassen, glaubt Arndt hingegen nicht: „Das ist der schlechteste Weg.“ Wenn Anträge gestellt werden, würden die meist von kleineren Parteien in der Opposition kommen: „Dadurch wird das Thema schnell politisch tot geredet.“

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„Es gibt eine Scheu vor den Nerds“

Offene Daten bleiben eine freiwillige Angelegenheit: „Viele Kommunen scheuen zurück, weil die Folgekosten ungewiss sind.“ Dazu kommen ungeklärte Fragen bezüglich der Lizenzen, unter denen die Datensätze stehen soll. Mehraufwand sieht auch Palmetshofer als das größte Problem. Doch nicht nur finanzielle und rechtliche Hürden gäbe es. Arndt glaubt auch, dass sich Verwaltungen dem Druck aus der Open-Data-Community nicht beugen wollen: „Es gibt eine Scheu vor den Nerds.“ Deshalb müsse der Nutzen von offenen Daten klarer werden, um ein Rechtfertigungsproblem zu vermeiden: „Ein dringender Appell von mir ist: Sagt, was ihr damit macht„, findet Arndt. „Allein der Hinweis auf die Minimalposition, die Daten seien doch durch Steuergelder finanziert und man habe daher einen Anspruch auf die Veröffentlichung, lockt keinen Zweifler hinter dem Ofen hervor„, schreibt er auf dem Government 2.0 Blog.

Doch wie kann man Nutzen von offenen Daten messen? „Der Nutzen ist nicht unmittelbar messbar„, stellt Palmetshofer klar. Die Technologie Stiftung Berlin hat sich dennoch daran gewagt und eine Nutzenrechnung für Berlin aufgestellt. In drei betrachteten Szenarien liegt der monetäre Nutzen aus offenen Daten für die Stadt Berlin zwischen knapp 22 und 54 Millionen Euro pro Jahr.

Zeitgleich mit dem City Census ist ein weiteres Projekt der Open Knowledge Foundation an den Start gegangen: Bei Code for Germany sollen gezielt Entwickler und Designer angesprochen werden, die Apps oder Visualisierungen aus offenen Daten erstellen wollen. Ganz konkret werden auch auch Menschen aus Stadtverwaltungen und Politiker angesprochen. Vielleicht können sie die Menschen sein, die Claus Arndt, der städtische Open-Data-Pionier vom Niederrhein, „Datenvermittler“ nennt: „Die braucht es, denn Bürger können in aller Regel nichts mit der csv-Datei anfangen.“


Image (adapted) „open data (scrabble)“ by justgrimes (CC BY-SA 2.0)


studiert Volkswirtschaftslehre in Regensburg und will Journalistin werden. Sie beschäftigt sich digitalem Journalismus, insbesondere der technischen Umsetzung. Ihr Blog heißt Schafott. Auf Twitter ist sie mit @cutterkom unter einem weniger martialischen Namen unterwegs. | Kontakt


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