Opendatacity veröffentlicht Grafiken zum Verfall von Printmedien und zeigt, dass es bei vielen noch Hoffnung gibt. Dem Mythos vom Zeitungssterben zum Trotz. Das bedruckte Papier, ein sterbendes Medium? Nicht unbedingt, zeigen die Verfallsprognosen von opendatacity.de. Einige Blätter erreichen sogar ein wachsendes Millionenpublikum – das sind vor allem Wochen- und Sonntagszeitungen. Ein düsteres Pauschalurteil über die Printbranche lässt sich also noch nicht fällen.
Wichtig ist es, zu differenzieren: nicht jedes Printprodukt ist gleichermaßen gefährdet
Die Bravo hat noch acht Jahre, die BILD-„Zeitung“ 16 Jahre, die Süddeutschen Zeitung 75 Jahre, der Donaukurier dagegen mehr als 800 Jahre, die ADAC Motorwelt sogar 1.967 Jahre. Die Datenjournalisten von Opendatacity haben auf Basis der Auflagenentwicklung der vergangenen Jahren projiziert, wie lange es dauert, bis deutsche Zeitungen und Zeitschriften die Hälfte ihrer Auflage verlieren. Und das Ergebnis überrascht gleich zweifach: zum einen dauert es bei vielen Medien noch ziemlich lange, zum anderen gibt es auch viele Printprodukte, die wachsen – also gar keine Halbwertzeit haben, etwa die Wochenzeitung Die Zeit.
Seit vielen Jahren wird das Ende der gedruckten Information vorausgesagt. Und dafür gibt es gute Gründe. „Information ist immer auch Ware„, sagt Patrick Rössler, Professor für Kommunikationswissenschaft der Universität Erfurt. „Die Herstellung erzeugt Aufwand, die Distribution erzeugt Aufwand. Da entstehen Kosten, die erst einmal gerechtfertigt werden müssen.„
Die logische Frage, die in dieser Abwägung aufkommt: Warum soll ich Papier bedrucken lassen und ausliefern, wenn ich meine Zielgruppe auch anders, viel einfacher, erreichen kann?
Online ist billiger und schneller. Für aktuelle Nachrichten also besser. „Im Internet gibt es Nachrichten zum schnellen Verbrauch. Weshalb ein Angebot nicht digital sein soll, ist oft schwer zu erklären„, sagt Rössler.
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Mit der App kann eine Progonose für die SZ erstellt werden, aber auch für andere Medien.
Das ist vor allem für die Tageszeitungen ein Problem. „Tageszeitungen sind eher eine verderbliche Ware„, sagt Rössler. Die aktuelle Berichterstattung der Tageszeitungen wandert ab ins Internet. In der Prognose von Opendatacity stehen sie sehr unterschiedlich da – es gibt welche, deren Auflagen halbwegs stabil sind, andere haben massive Einbrüche verzeichnet.
Noch schlechter schneiden Programm- und Jugendzeitschriften in der Verfallsprognose ab.
Wochen- und Sonntagszeitungen halten sich dagegen gut. „Wochenzeitungen sind auf die Freizeitgewohnheiten von Menschen ausgerichtet, die nicht immer vor dem Bildschirm sitzen wollen – vor allem, wenn sie das schon den ganzen Tag über auf der Arbeit tun„, sagt Rössler, „dafür ist ein Medienangebot nötig.“ Ein Medienangebot, das in Ruhe gelesen wird: Der Spiegel, der am Kiosk gekauft werden kann, werde anders gelesen als die App, sagt Rössler. Wochen- und Sonntagszeitungen sind Medien für die Freizeit, für Menschen, die sich in Ruhe und ausführlich informieren wollen. Die SPON-App ist schnell überflogen, aber das Dossier der ZEIT liest der Verbraucher lieber gemütlich beim Sonntagsfrühstück.
Zeitungen sind nach wie vor fester Bestandteil des Alltags
Auch die ästhetische Komponente sei nicht zu vernachlässigen, sagt Rössler, „für Menschen, die mit Zeitungen aufgewachsen sind, ist Print attraktiver. Das kann sich allerdings durch Sozialisation ändern – was ein langwieriger Prozess ist.“ Wie wichtig Ästhetik und Design ist, zeigt sich für ihn etwa der Design-Zeitschrift Novum. „Sie selbst ist das, was sie kommuniziert: Design, was man sehen muss, fühlen. Doppelseiten aufklappen„, sagt Rössler. Trotzdem gibt es Novum auch online, als Ergänzung sozusagen. Die Wirkung ist aber eine ganz andere. „Diese Art von Zeitschriften wird es immer in gedruckter Form geben.“
Insgesamt ist die Debatte um Papier oder Online ohnehin wenig produktiv. Am Ende geht es um guten Journalismus. Deswegen rät Rössler, sollten auch Berufseinsteiger nicht vor Zeitungen zurückschrecken: „Für den Einstieg sind Tageszeitungen kein Nachteil. Es ist und bleibt Journalismus, das Medium ist dabei sekundär.“ Schließlich seien Journalisten keine Drucker, sondern für den Content verantwortlich – und das ist bei Online wie bei Print so.
Image (adapted) „Swiss newspaper NZZ frontpage printed in binary code, human readable text on iPad“ by visualpun.ch (CC BY-SA 2.0)
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Schlagwörter: Daten, journalismus, Medienwandel, OpenDataCity, visualisierung, Zeitung
2 comments
moin moin,
danke für die erwähnung – kleiner hinweis: wollt ihr unter der grafik ggf. nochmal erwähnen,dass man da, wo jetzt süddeutsche steht, auch andere namen eingeben kann? und ihr habt nirgendwo einen link auf apps.opendatacity.de/zeitungssterben – evtl. noch einbauen?
gruß,
marco