Viele Menschen riefen kürzlich in Schweden an, auch viele Journalisten – einfach so. Mitschnitte sind im Netz zu finden und machen gute Laune. Auch jetzt noch. Sie sind, was von dem Projekt „The Swedish Number“ zum Nachhören übrig bleibt. „The Swedish Number“ – das war eine einheitliche Rufnummer, die in Schweden eingerichtet wurde und unter der Anrufer aus der ganzen Welt mit einem per Zufall ausgewählten Schweden sprechen konnten, übers Wetter, Reiseziele oder gute Musik. Wer diese Nummer jedoch für künftige Vielleicht-Reisen in den Norden vorsorglich bereits eingespeichert hat, dem sei gesagt, dass er sie wieder löschen kann. Denn das Projekt ging schnell vorbei, war von vornherein auf einen Zeitraum von zwei Monaten begrenzt – als eine Aktion des schwedischen Tourismusverbandes. Jetzt läuft nur noch eine automatische Ansage: „Thank you for calling Sweden. The Swedish number is now closed.“
Dafür war die Idee für andere inspirierend und lebt nun fort, ebenfalls oben im Norden, um die 1.000 Kilometer weiter östlich, in Russland. Die 30-jährige Viktoria Jewdokimowa war von der schwedischen Aktion so begeistert, schreibt sie per Email, dass sie sich direkt rangesetzt und ein Projekt für ihre Heimatstadt entwickelt hat, und zwar für St. Petersburg oder „Piter“, wie die Russen liebevoll sagen. Die Stadt an der Newa hat rund fünf Millionen Einwohner und ist ein absoluter Touristenliebling. Nach zwei Monaten Arbeit und einer kurzen Testphase sei das Projekt vor wenigen Tagen offiziell gestartet, heißt es von Jewdokimowa.
Dieses sieht dem schwedischen Vorbild tatsächlich sehr ähnlich: Auf der Webseite, die auf Englisch den Titel „Call St Petersburg“ trägt, prangt die Nummer ganz groß, darunter gibt es alle Infos. Sie sind auf Russisch und Englisch verfügbar, zum Beispiel der nicht unwichtige Hinweis, dass die Tarife des jeweiligen Telefonanbieters gelten. Die dazugehörige App nennt sich „Callrussians“ und funktioniert auf die gleiche Weise. Beim Testanruf per Telefonfunktion von Skype lande ich bei Kirill, 32 Jahre. Ich erwische ihn, kurz bevor er zum Sport los will. Er hat Boxtraining. Warum er mitmacht? „Die Idee hat mir gefallen und ich dachte, das könnte interessant werden.“ Wir plaudern entspannt über das Wetter („Gerade regnet es, aber vor kurzem waren die weißen Nächte, sie sind immer sehr schön“), über Sprachen („Ich hoffe, durch das Projekt ein wenig Englisch zu sprechen“) und Berlin („Bestimmt eine tolle Stadt, da müsste man mal hin“). Kirill ist einer von mehr als 20.000 Petersburgern, die sich bisher registriert haben, um Fragen rund um ihre Stadt und Russland zu beantworten oder um einfach miteinander ins Gespräch zu kommen. Ich bin sein erster Anrufer.
Viktoria Jewdokimowa fand mit der Tourismusbehörde von Petersburg und dem russischen Telefonkonzern Megafon ihre Partner. Bislang sind in den knapp drei Testwochen laut Webseite mehr als 2.000 Anrufe aus 24 Ländern eingegangen, mehr als 15.000 Anrufe gab es innerhalb Russlands nach Petersburg. „Das Projekt zielt auch auf die russische Bevölkerung“, erklärt Jewdokimowa. Tatsächlich gibt es unzählige Menschen im größten Flächenland der Erde, die noch nie in St. Petersburg waren – auch wenn Russland ihre Heimat ist. Die erstreckt sich immerhin über elf Zeitzonen. Tourist im eigenen Land zu sein, heißt da oft, tausende Kilometer zu reisen. Zudem ist das sehr teuer.
Image „Phone booths Carl Marx Square Bryansk, Russia“ by Wesha (CC BY SA 3.0)
Screenshots via callrussians.ru
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: Call St Petersburg, Megafon, Russland, Schweden, The Petersburg Number, The Swedish Number, Tourismus, Viktoria Jewdokimowa