Playlisten helfen uns dabei, die unerschöpfliche Musikauswahl im Internet zu sortieren. Doch sie sind noch viel mehr: eine neue Kommunikationsform. Spotify, Grooveshark, Pandora – die Auswahl an Musikplattformen ist groß, die Auswahl an Musik schier unendlich. Playlisten helfen Nutzern dabei, Musik zu filtern und einzuordnen. Doch nicht nur das: Online-Playlisten können auch mit sozialen Netzwerken verbunden werden – und werden somit zum Teil unseres öffentlichen Profils. Dadurch haben Playlisten ihre ganz eigene Kommunikationsform entwickelt. Es gilt: Zeig mir deine Playlisten, und ich sag dir wer du bist!
Vom Mixed Tape zu Spotify
Es gab mal eine Zeit, in der Jugendliche gespannt vor ihren Radiogeräten saßen, Finger auf der Aufnahmetaste, um ihre Lieblingssongs auf Kassette aufzunehmen. Dann kam die MP3, dann Napster und schließlich Spotify. Mittlerweile bieten die Digitalisierung von Musik und das Internet Nutzern zahllose Möglichkeiten, um schnell, einfach und günstig an Musik zu kommen.
Die Auswahl ist sogar so überwältigend, dass wir Hilfe brauchen, um unsere Musiksammlung zu sortieren: Playlisten. Playlisten helfen uns dabei, die scheinbar endlose Musikauswahl, die uns zur Verfügung steht, zu sortieren. Nach Künstlern, Musikrichtung oder Stimmung. Playlisten sind so etwas wie Mixed Tapes 2.0.
Playlisten als Teil unseres öffentlichen Profils
Doch Playlisten sind mehr als nur eine Sortierhilfe für Lieder, sie sind eine soziale Kommunikationsform geworden. Mit unseren Playlisten machen wir Aussagen über unsere Persönlichkeit, und über Playlisten kommunizieren wir auch mit anderen. „Playlisten sind ein Medium geworden. Wer eine Playlist zusammenstellt und die Lieder dafür auswählt, sagt bewusst oder auch unbewusst etwas über sich selbst aus“, erklärt Katie Rochow, Doktorantin an der Victoria Universität in Wellington, im Gespräch mit den Netzpiloten. Die Medienwissenschaftlerin hat in einer Studie Studenten zu ihren Playlisten befragt und dabei Folgendes herausgefunden: „Playlisten sind einerseits eine symbolische Repräsentation unseres ‚Selbst’ und andererseits kommunizieren wir damit auch etwas nach außen.“
Wir definieren uns also über unsere Playlisten. Mit einer Klassik-Playliste sagen wir beispielsweise etwas ganz anderes über unseren Musikgeschmack und über unseren Charakter als mit einer Punk-Playliste. Menschen haben sich schon immer über ihre Musikauswahl definiert, aber mit der Möglichkeit Playlisten mit Social-Media-Accounts zu verlinken, wird unser Musikgeschmack plötzlich öffentlich und für Tausende sichtbar. Ähnlich wie Profilfotos werden so auch Playlisten zu einem Teil unseres öffentlichen Profils. Andere können direkt auf Facebook oder Twitter sehen, welche Playlisten ein Freund gerade auf Spotify hört. Damit bekommt die Playliste eine ganz neue Dimension. Wir können die Playlisten von anderen sehen und sie danach beurteilen.
Rochow nennt diesen Playlisten-Voyeurismus „Playlitismus“. Ganz nach dem Motto: Zeig mir deine Playlisten und ich sag dir wer du bist. Sicher ist die Liederauswahl für die Playlisten oft unterbewusst und klar ist auch, dass dieselbe Person eine komplett unterschiedliche Playliste für den romantischen Abend zu zweit als für das Fitnesstudio zusammenstellt. Dennoch, je mehr Möglichkeiten es gibt Playlisten über soziale Netzwerke mit anderen zu teilen, desto mehr werden Playlisten auch zu einem Teil unseres öffentlichen Profils – und andere können, sollen und werden uns danach beurteilen.
Der analoge Gegentrend
Vielleicht entsteht auch gerade deshalb ein Gegentrend, weg von öffentlichen Playlisten, hin zu mehr Privatsphäre. So bietet Spotify seinen Nutzern beispielsweise die Möglichkeit, ihre Playlisten unter „Privacy-Modus“, also unsichtbar für andere, abzuspielen. Auch Medien aus dem analogen Zeitalter wie Kassetten und Schallplatten sind wieder stark im Kommen. Gegen die Geschwindigkeit und den Öffentlichkeitsdrang des Internets, setzen viele auf Slow Music. Die große Auswahl im Internet wird schnell beliebig und damit bedeutungslos. Auch das Teilen von Playlisten ist nicht besonders persönlich, wenn sie mit Tausenden Fremden geteilt wird. Viele bevorzugen es daher, ihre Playlisten nur noch für einen kleinen Kreis zusammenzustellen und über Medien wie Kassetten oder Schallplatten ihre Musikauswahl bewusst auf das Wichtigste zu reduzieren.
Wenn es um das massenhafte Sammeln und Teilen von Musik geht, ist das Internet nach wie vor unschlagbar. Doch wenn es um Qualität und Privatsphäre geht, wählen viele bewusst analoge Formen. Und wer weiß, vielleicht sitzt auch gerade jetzt ein Jugendlicher an seinem Kassettenrekorder, um ein Mixed Tape aufzunehmen.
Image „Music“ by kaboompics (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: kommunikation, Kuration, Musik, Playlisten, Selbstdarstellung, Social Media, spotify