Kaleun, Freckles und Lubov waren unter lauten Sirenen und dem Geräusch berstenden Metalls aus ihrem Kryoschlaf erwacht. So gerade schafften sie es in ihre Rettungskapseln, als das Raumschiff auch schon auseinanderbricht. Sie landen auf einer Ihnen unbekannten Welt am Rande der Galaxie. Die Umgebung scheint reich an Flora und Fauna. Weitab der Heimat und unwissend, wie gefährlich der Planet ist, müssen die drei Schiffbrüchigen sich einen sicheren Ort erbauen. Das ist die Ausgangssituation des Indie-Spiels RimWorld. Doch lohnt sich RimWorld mit seinen mittlerweile 4 DLCs noch immer?
RimWorld erschien bereits 2018 nach mehrjähriger Early Access-Phase. Seitdem ist das Survival-Aufbauspiel auf Steam ständig unter den Spielen mit der höchsten Bewertung zu finden. Ähnlich wie bei Stardew Valley scheinen die stabilen Nutzerzahlen sogar mit jedem großen Update, bzw. jedem DLC zu steigen. Zuletzt trägt auch noch die große Modding-Community dazu bei, dass die Spielerzahlen auch zwischen den großen Veröffentlichungen nicht einbrechen.
Doch bereits vor Release vertrat Entwickler Tynan Sylvester die Meinung, dass ein Spiel das wert ist, was es an Spielspaß bringt und RimWorld nicht so schnell als Schnäppchen im Sale verramscht werden würde. Bis heute hielt er daran fest und der bislang größte Rabatt betrug gerade einmal 20% vom noch immer stehenden Release-Preis. Dazu kommen mittlerweile 4 DLCs, die das Grundspiel um weitere Aspekte bereichern und eine weitere Preishürde für die Erstanschaffung darstellen.
Ich habe RimWorld bereits im Early Access gespielt und immer mal mit den DLCs hervorgeholt. In der ersten Fassung dieses Tests nach Release lobte ich das Spiel in höchsten Tönen – jetzt muss das Spiel aber beweisen, dass es noch immer seinen für Indie-Spiele recht hohen Preis wert ist.
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Ein zusammengewürfelter Haufen
Bereits vor Beginn des eigentlichen Spiels legen wir ein Szenario fest. Das Standardszenario sind die besagten drei unglücklichen Seelen, die sich mittels einer Rettungskapsel gerade noch auf den Planeten retten können. Ebenso kann man aber auch als Stamm starten, der anfangs nur mit primitiven Mitteln überleben muss. Auch ein reicher Abenteurer ist möglich, der zwar alleine, dafür technisch deutlich besser ausgestattet ist. Sagen einem die angebotenen Szenarien nicht zu, kann man aber auch selbst die Rahmenbedingungen festlegen, unter denen man ums Überleben kämpfen darf.
Unsere Kolonisten oder Stammesmitglieder werden vom Spiel dann zufällig generiert. Jeder Kolonist hat Werte auf verschiedene Fähigkeiten. Diese werden beeinflusst durch eine Vielzahl an Eigenschaften und Lebensgeschichten. Wir können allerdings jeden Kolonisten beliebig oft erneut durch den Zufallsgenerator jagen, bis wir zufrieden sind.
Für den ersten Kolonisten achte ich auf überwiegend positive Eigenschaften. Lubov ist zum Beispiel eine Kurzschläferin und regeneriert damit schneller ihre Energie. Außerdem ist sie ein Vielfraß. Sie wird zwar mehr essen als andere, ist dafür aber auch eine umso bessere Köchin. Ihre stark neurotische Art könnte später aber einigen Ärger verursachen.
Eine KI, die uns ärgert
Die drei Kolonisten bauen sich also eine neue Existenz auf. Während Freckles erst einmal etwas Holz hackt, kümmert sich Lobov darum, erste Kartoffeln anzupflanzen. Der gemeinsame Schlafsaal wird bald von den ersten eigenen Zimmern mit richtigen Betten ersetzt. Während ein Lager für Nahrung und eine Küche geplant wird, baut Kaleun schon erste Verteidigungsanlagen aus Holzwänden und Sandsäcken. Auch Schlagfallen werden aufgestellt.
Der erste Angriff lässt nicht lange auf sich warten. Ein wildgewordenes Eichhörnchen greift die Kolonisten an, wird aber von Freckles mit einem gezielten Schuss niedergestreckt. Kurze Zeit später tritt Lobov in eine der ungünstig aufgestellten Schlagfallen und verletzt sich. Als einzige ausgebildete Medizinerin muss sie sich so gut es geht selbst zusammenflicken.
Bereits vor Spielstart haben wir uns für einen Schwierigkeitsgrad und eine Geschichtenerzähler-KI entschieden. Diese bieten verschiedensten Ereignisse, die uns immer wieder aus der Routine rausreißen. Cassandra Classik versorgt den Spieler sehr ausgeglichen mit Ereignissen, die in ihrer Schwierigkeit dafür stetig ansteigen. Phoebe Chillax ist ähnlich wie Cassandra, lässt aber zwischen den Ereignissen mehr Zeit zum Durchschnaufen.
Zu diesen Ereignissen gehören Angriffe durch Stämme, Piraten oder mechanoide Wesen. Auch wilde Tiere wie das Eichhörnchen können den Spieler angreifen. Klingt lustig? Dann hast du wohl noch nicht erlebt, wie eine Horde brutaler Chinchillas deine ganze Kolonie auslöscht. Wer jetzt übrigens denkt, Phoebe Chillax klingt am einfachsten, der irrt. Da ihre Angriffe genau so heftig ausfallen wie Cassandras, kann es dich gewaltig überrumpeln – der letzte Test der Verteidigungsanlagen ist schließlich schon etwas länger her. Außerdem liefern uns die häufigeren Angriffe unter Cassandra mehr Waffen, die man erst später selbst herstellt.
Meine liebste Erzähl-KI ist allerdings Randy Random. Er ist zwar tendenziell etwas zahmer, aber dafür auch unberechenbarer und kann nach langer Friedenszeit auch gleich mehrere Ereignisse hintereinander lostreten oder einen gleich zu Beginn in einen nuklearen Winter schicken.
Unvorhersehbare Ereignisse
Gerade dieser Zufall sorgt aber für die absurdesten Geschichten in RimWorld.
Mein denkwürdigstes Ereignis war ein Angriff durch gnadenlos überlegene Mechanoide. Meine Kolonisten habe ich in den hintersten Raum meiner Basis gebracht, weil der offene Kampf sinnlos war. Gedanklich war ich wegen der Übermacht schon beim Neustart, als ein Rudel menschenfressender Warge ebenfalls angriff. Womit mich die Zufalls-KI eigentlich hat ärgern wollen, entpuppte sich plötzlich als wahrer Glücksfall, als es zum Kampf zwischen beiden Angreifern kam. Was überlebte konnten selbst meine schwach bewaffneten Kolonisten alleine bewältigen.
Es gibt allerdings auch positivere Ereignisse. Wanderer, die unserer Kolonie beitreten wollen, Kapseln mit Fracht oder Handelskarawanen. Auch Naturkatastrophen, Hitzewellen oder Sonneneruptionen können auftauchen. Bei letzterem spielen die technischen Geräte verrückt – Vor allem für die Kühlung der Lebensmittel oder automatisierte Verteidigungsanlagen keine schöne Angelegenheit.
Auch die DLCs fügen jeweils neue, thematisch passende Ereignisse hinzu und sorgen für etwas mehr Abwechslung. Natürlich wiederholen sich irgendwann die Ereignisse, doch auch Änderungen in der KI von Angreifern durch Updates haben hier und da mal ein Umdenken erfordert, weil die Gegner nicht mehr ganz so bereitwillig in die offensichtliche Falle laufen.
Schwieriger Einstieg
Für Einsteiger kann RimWorld anfangs überwältigend wirken. Es gibt vieles, auf das man achten muss und das Spiel kann einem nicht alle Feinheiten erklären. Die Komplexität ist hoch, wenn auch weit von seinem geistigen Vorfahren Dwarf Fortress entfernt. Der Entwickler Tynan Sylvester hat von vorn herein klargestellt, das Spiel zugänglich halten zu wollen. RimWorld trifft daher eine sehr gute Balance zwischen Komplexität und Zugänglichkeit, die das Spiel auch für Genre-Neulinge attraktiv macht.
Grafikpuristen könnten sich allerdings von der recht simplen Darstellung abschrecken lassen. Wer jedoch offen genug ist und sich ohnehin bei Indie-Spielen wohlfühlt, wird schnell dem Charme der Grafik erliegen. Wem das Design der Figuren vertraut vorkommt: RimWorld hat sich beim Art Style vom ebenfalls sehr erfolgreichen Prison Architect inspirieren lassen. Zusammen mit dem an die Serie Firefly erinnernden Soundtrack mit Western-Einflüssen, strahlt das Spiel somit trotz aller Brutalitäten etwas sehr Entspanntes aus.
Der Schwierigkeitsgrad ist außerdem nur so schwer, wie man ihn haben möchte. Wer einfach friedlich vor sich hinbauen möchte, kann das tun. Es gibt aber 5 weitere zunehmend härtere Schwierigkeitsgrade, die die Größe von Angriffen, aber auch den Ertrag bestimmter Ressourcen verringert. Wer mag, darf sich allerdings auch einen eigenen Schwierigkeitsgrad zurechtbasteln.
Die größte Herausforderung dabei: Die Erzähl-KI nimmt den Wohlstand eurer Kolonie als Basis für die Bedrohungen, die sie euch entgegenschleudert. Dazu zählen sämtliche Gegenstände, aber euch eure Bauwerke, Tiere und Kolonisten. Der eigene Fortschritt kann also auch mal nach hinten losgehen, wenn man nicht zugleich dafür gesorgt hat, den verbesserten Wohlstand auch besser verteidigen zu können.
Scheitern gehört dazu
Hat man die Grafik lieben gelernt und das Spielprinzip erst einmal verstanden, entwickelt sich die ungeheure Sogwirkung. Die Verteidigungsanlagen werden immer weiter optimiert, Ressourcen müssen mit der Zeit aus der Tiefe gebohrt und die Nahrungsversorgung möglichst ausfallsicher am Leben gehalten werden. Hinzu kommen Expeditionen um Aufträge auf der Weltkarte zu erfüllen. Dazu gehören unter anderem Angriffe auf Banditenlager, die nicht gerade wehrlos sind. Bis dahin ist aber schon die eine oder andere Kolonie zugrunde gegangen. Eine gewisse Frustrationsresistenz ist bei RimWorld nicht verkehrt. Dafür sind die Umstände, unter denen eine Kolonie untergeht, oftmals die denkwürdigsten Ereignisse.
Einmal ging mir eine Kolonie wieder fast verloren, als mein pyromanischer Kolonist auf die glorreiche Idee kam, ausgerechnet im Lager nahe der Treibstoffvorräte herumzuzündeln. Diese explodierten natürlich und ließen das gesamte Gebäude in Flammen aufgehen. Um das Gebäude kontrolliert zu löschen, musste ich erst einige Wände einreißen, damit die Hitze entweichen kann. Erst dann konnte der Löschtrupp rein, um den Flammen im Inneren Herr zu werden. Mein bewusstloser Feuerteufel konnte genau so wenig gerettet werden wie die Waffen und wertvollen Baumaterialien. Meine Lektion habe ich natürlich gelernt: Explosive Waren lager ich nun meist getrennt.
Oft ist es aber eine Verkettung von Ereignissen, die unsere Kolonie zunehmend schutzloser werden lässt, weil wichtige Kolonisten durch Krankheiten, Kämpfe oder einfach durch einen psychischen Zusammenbruch außer Gefecht gesetzt sind. Mehr als einmal habe ich als Rettung die alte Kolonie mit begrenzten Ressourcen verlassen, um eine neue aufzubauen. Da sich die Bedrohungen vor allem am Wohlstand der Kolonie orientiert, kann man so erst einmal zurück in ruhigere Fahrwasser kommen.
Ein vages Ziel
Das große Ziel des Spiels ist es aber eigentlich, seine Kolonisten mit einem Raumschiff wieder zurück in die Heimat zu bringen. Das können wir wahlweise in mühevoller Arbeit selbst bauen, oder dem Signal zu einem Raumschiff folgen. Eine lange und womöglich verlustreiche Reise zum Raumschiff stünde bevor. Während die Startsequenz eingeleitet wird, müssen wir uns sogar noch einer Welle von Angriffen entgegenstellen, ehe wir endlich in heimatliche Gefilde zurückkehren können.
Im Großen und Ganzen bleibt das Spiel aber eine Sandbox, in der wir tun und lassen können, was wir wollen. Der größte Spaß steckt ohnehin darin, seine Kolonie aufzubauen und zu sehen, ob sie den Gefahren gewachsen ist oder nicht. Ich habe bislang nur einen Spielstand wirklich zum eigentlichen Ende gebracht. Aber selbst wenn mir langsam der Spaß eines Spielstands verloren geht, möchte ich mir zumindest die Möglichkeit offenhalten, ihn weiterzuführen.
Menschliche Abgründe
Anki ist untröstlich. Ihr Ehemann ist jüngst bei einem Angriff ums Leben gekommen und sie tut sich schwer diesen Umstand zu akzeptieren. Die Trauer übermannt sie und führt zu einem mentalen Zusammenbruch. Zielstrebig geht sie zum Grab ihres Geliebten und buddelt seine nicht mehr ganz frischen Überreste aus. Sie schleppt ihn in die Kantine und setzt ihn neben sich auf einen Stuhl. Erst nach einer Weile realisiert sie, was sie da eigentlich getan hat. Ein befreundeter Kolonist bringt den Toten wieder unter die Erde, während Anki sich vom Schock erholt.
Immer wieder kommt es im Spiel zu kuriosen Momenten, bedingt durch die Stimmung oder die nicht immer ganz einfachen Charakterzüge der Kolonisten. Politisch korrekt ist RimWorld dabei selten. Charaktere können männerfeindlich, drogenabhängig, gewalttätig oder einfach nur hässlich sein – was das Zusammenleben mit den anderen Kolonisten furchtbar erschwert. Auch hat jeder Kolonist einen Hintergrund aus Kindheit und Erwachsenenalter, der maßgeblich dazu beiträgt, was ein Kolonist gut kann und welchen Arbeiten er sich sogar verweigert.
Konnten wir bei der Charaktererstellung den Zufallsgenerator so oft bemühen, bis wir zufrieden waren, müssen wir bei zugereisten Kolonisten mit den vorhandenen Eigenschaften zurechtkommen. Alternativ können wir einen unerwünschten Bewohner aus unserer Kolonie verbannen. Im Zweifelsfall kann ein Kolonist aber immerhin noch zum Transport von Waren abgestellt werden. Effektiver ist es aber, wenn man irgendwann Tiere zähmt die klug und stark genug sind, um Gegenstände von A nach B zu bringen.
Nicht ohne Makel
So groß die Sogwirkung des Spiels auch ist, ein paar Makel bringt das Spiel aus der Early Access-Phase noch mit. Die Übersetzung des Spiels ist noch immer nicht in allen Bereichen perfekt. Vor allem die automatisch generierten Beschreibungen der Kunstwerke, die die Erlebnisse der Kolonisten schildern, bringen sehr kuriose Stilblüten hervor. Auch wäre es schön gewesen, wenn man für den Anbau von Pflanzen entsprechendes Saatgut benötigt, anstatt sie aus dem Nichts heraus aussäen kann.
Die Weltkarte wurde zwar über die Early Access-Phase stets weiter ausgebaut, doch ein paar mehr Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Siedlungen hätten dem Spiel gut getan. Die Karte in Form einer Weltkugel weiß aber zu gefallen. Vor allem die Benennungen der Landstriche, Meere und Gebirge sind immer wieder für ein Schmunzeln gut.
4 DLCs mit jeweils eigenem Fokus
Die RimWorld-DLCs laufen weitgehend unter dem Motto „Kann, muss aber nicht“. Das ist aber keinesfalls negativ gemeint. Sie alle fügen dem Spiel einen neuen Twist hinzu, den man aber vielleicht auch nicht in jedem Durchlauf nutzt.
Für mich ist es vor allem beeindruckend, wie der Entwickler für seine DLCs tatsächlich viele eigenständige Ideen gefunden hat, die zumindest auf diese Art zuvor noch nicht durch die aktive Modding Community bereits umgesetzt wurden. Man hat nicht das Gefühl, dass man vergleichbar durch eine Mod bekäme. Ich stelle euch die Erweiterungen chronologisch mit ihren neuen Features vor.
Royalty
Der Royalty-DLC ist gar königlich und fügt dem Spiel unter anderem Adelstitel hinzu. Damit lohnt sich RimWorld: Royalty vor allem für jene, denen soziale Stände im Hauptspiel gefehlt haben.
Leider entstehen die Titel hier nicht aus der neuen Gesellschaft selbst heraus. Stattdessen treffen wir auf eine fortgeschrittene Fraktion, das „Imperium“, das zunächst einem unserer Kolonisten einen geringen Titel verleiht. Ich hätte zwar lieber eine Art sozialen Forschungsbaum, über den wir uns selbst als Gesellschaft weiterentwickeln und nach und nach einflussreichere Strukturen aufbauen, aber die neue Fraktion fügt dafür einige ziemlich spannende Mechaniken hinzu.
Der Rang lässt sich nämlich steigern, indem wir Ehre sammeln. Das kann über Handel mit dem Imperium geschehen, die uns wahlweise nicht nur Ehre, sondern eventuell auch Ruf oder einige fortschrittlichere Gegenstände bescheren können. Wir müssen also auch abwägen was wir gerade mehr benötigen. Mit steigendem Rang gewährt uns das Imperium zunehmend Unterstützung. Durch diese können wir Hilfe für die Arbeit oder im Kampf rufen, aber auch wichtige Warenlieferungen wie fortschrittliche Medizin, Nahrung oder Stahl erhalten.
Mit den Titeln bekommen wir aber auch Zugang zum Psylink, der uns eine ganze reihe quasi-magischer Fähigkeiten erlernen lässt. Die Kräfte lassen uns Personen über kurze Distanz teleportieren und Personen negativ oder positiv beeinflussen. Seit Patch 1.2 gibt es sogar einen „Zauber“, der mentale Zusammenbrüche beendet. Vor allem bei manch heftigeren Varianten wiegt das 6-stündige Koma durch den Zauber die möglichen Konsequenzen des Zusammenbruchs eindeutig auf.
Natürlich sorgen die Titel auch für höhere Anforderungen ihrer Träger. Außerdem sind sie sich mit höheren Titeln irgendwann zu fein für die niederen Tätigkeiten des gemeinen Pöbels. Mit dem DLC gibt es auch einiges an neuen Gegenständen und neue Strukturen. Außerdem dürft ihr euch über eine neue, mechanoide Bedrohung freuen oder den Planeten über den royalen Aufstieg verlassen.
Ideology
Hatte ich bei Royalty bemängelt, dass die Titel nicht aus der eigenen Gesellschaft heraus entstehen? Passenderweise gibt es mit Ideology die Möglichkeit, die eigene Kolonie durch eine Ideologie stärker auszuformen. Ihr Ursprung liegt meist in religiösen Traditionen, doch spiegelt sie vor allem die Werte der Kolonie wieder.
Am wichtigsten sind dafür die sogenannten „Glaubensgrundlagen“, die wir unserer Ideologie nach und nach hinzufügen. Diese können kleineren oder größeren Einfluss haben. Ob wir eher ein Kollektiv sind oder Individualisten hat etwa weniger Einfluss, als die Entscheidung ob wir Kannibalisten werden oder durch Erblindung die Wahrheit erblicken wollen. Wir können sogar eine Nudistenkolonie erschaffen, die den Tag am liebsten ganz entspannt unter Drogeneinfluss verbringt. Mein Favorit ist der Transhumanismus, der uns neue Hightech-Erfindungen beschert. Dafür werden die Kolonisten aber unglücklich, wenn sie diese nicht regelmäßig nutzen.
Wir dürfen übrigens auch sehr kleinteilig einstellen, wie unsere Ideologie zu bestimmten Dingen steht. Diese Gebote reichen von Kleidungvorschriften über gesellschaftlichen Stand und Heiratsrecht bis hin zu Organhandel oder Sklaverei. Einige dieser Gebote werden durch die Glaubensgrundlagen bereits eingeschränkt, trotzdem kann es zunächst eine etwas kleinteilige Einstellung sein, dessen spielerische Auswirkung etwas besser deutlich gemacht werden könnte. Aus Storytelling-Sicht hätte ich mir gewünscht, dass die Kolonisten aus Situationen heraus Fragen stellen, wie man künftig mit bestimmten Dingen umgehen soll.
Auch Rollen gibt es innerhalb der Ideologien. Zum einen gibt es natürlich den Anführer, aber auch eine geistige Führungsperson und je nach Ideologie einige Spezialisten. Die Rollen geben starke Boni, auf bestimmte Tätigkeiten und kommen zudem mit Spezialfähigkeiten die einen größeren Cooldown besitzen. Das 25% schnellere Immunisieren durch das Predigen von Gesundheit kann aber beispielsweise darüber entscheiden, ob jemand eine schwere Infektion übersteht oder nicht.
Biotech
Biotech klingt doch eigentlich nach technischen Spielereien im Endgame, oder? Tatsächlich lohnt sich Rimworld: Biotech aber vor allem auch für ein weniger technologisches Feature, dass sich zuvor immer wieder von Spielern gewünscht wurde: Kinder. Ja, unsere Kolonisten können jetzt Kinder bekommen und es gibt auch einige Events, durch die Kinder der Kolonie beitreten.
Der Clou bei der Sache: Kinder altern im Spiel erst einmal schneller. Standardmäßig altern sie 400% so schnell bis sie 11 sind, danach gleicht sich die Geschwindigkeit langsam dem normalen Altern an bis sie 20 sind. Die Geschwindigkeit lässt sich einstellen, aber die 400% sind schon ein guter Weg, damit die Kinder irgendwann auch ein funktionaler Teil der Kolonie sind.
Auch bei der Kindererziehung ist wichtig. In einem Schulraum kann man die Kinder bewusst schulen, ansonsten lernen sie aber auch viel indem sie draußen Spielen oder auch mal am Funkgerät den „Onkel“ am anderen Ende ansprechen. Je nach Lernerfolg und wie gut wir sie von Gewalt fernhalten, werden aus ihnen am Ende passable Bürger – oder eben nicht.
Ohne Tech kommt der Biotech-DLC aber natürlich nicht aus. Die Kindheit können wir abkürzen, indem man das Wachstum in einer Kapsel beschleunigt. Im späteren Verlauf könnt ihr allerdings auch Gene manipulieren und trefft auf bereits veränderte Xeno-Menschen. RimWorld-typisch sind euch bei euren Gen-Experimenten natürlich wenig Grenzen gesetzt und ihr dürft auch an Gefangenen rumprobieren.
Spannend ist auch der neue „Mechanitor“. Über einen im Kopf eingepflanzten Mechlink kann diese neue Fähigkeit Mech-Wesen kontrollieren. Diese werden so zu schlagkräftiger Unterstützung im Kampf aber auch zu Arbeitskräften für die Kolonie. Aber schonmal eine Warnung: Diese Macht kommt auch nicht ganz ohne Preis.
Anomaly
Wie schlimm kann es schon sein, auf einem uns fremden Planeten abzustürzen? Der Planet ist schließlich bewohnt und die Flora und Fauna doch sehr erd-ähnlich. Doch die Galaxie ist voller Schrecken und im Anomaly-DLC dürft ihr euch all diesen Furchtbarkeiten stellen.
Anomaly führt einiges an Space Horror-Szenarien ein, die das Spiel grundlegend verändern können. Dadurch, dass diese mit einem Monolithen auf der Karte zusammenhängen, kann man den Start weitgehend selbst bestimmen. Wenn es dann aber los geht, hat man quasi die Büchse der Pandora geöffnet und kann den neuen Szenarien kaum entgehen. Darum lohnt sich RimWorld: Anomaly nicht für jeden und auch nicht für jeden Durchgang.
Die neuen Bedrohungen an sich machen aber schon großen Spaß, weil sie einfach deutlich epischer sind. Da hat man etwa eine große Fleischlebensform, die zunehmend die ganze Karte einnimmt und aus dessen Innern monströse Kreaturen kommen. Da Feuer bekanntermaßen ein gutes Mittel gegen große Bedrohungen ist, kommen Feuerwaffen nun mit neuen Effekten viel brachialer vor. Viele Bedrohungen müssen allerdings erst tiefer erforscht werden, ehe man sie lösen kann.
Der DLC gibt einen also Bedrohungen die durch komplexere Wege gelöst werden müssen, als nur durch eine große Schlacht. Daraus entstehen dann auch einige neue Technologien, die wir nutzen können. Der DLC verursacht aber auch eine gewisse Paranoia. Als mir eine Person mit übernatürlichen Kräften beitreten wollte, die laut Beschreibung aber irgendwas zu verbergen schien, war ich doch am überlegen – vor allem weil es gleich mein erster potentieller Zuwanderer war. Natürlich habe ich trotzdem angenommen. Was soll schon passieren?
Ein Paradies für Modder
Auch wenn es im Test eher um den Ist-Zustand des Spiels gehen sollte, darf man bei Spielen wie RimWorld die Community nicht außer Acht lassen. Was viele Spieler selbst nach hunderten Stunden begeistert weiterspielen lässt, sind tausende Modifikationen, mit denen man jeden Aspekt des Spiels verändern kann. Ein tieferes Psychologiesystem, erweiterte Waffensysteme, H.P. Lovecraft als Geschichtenerzähler-KI, neue Möbel oder ein System, mit dem man Gäste aus anderen Siedlungen gut bewirten muss, sorgen für immer frischen Spielspaß.
Möchtet ihr das Maximum für euer Spielerlebnis rausholen, solltet ihr unbedingt einen Blick in den Steam-Workshop oder in das Forum des Entwicklers werfen. Ich empfehle vorher jedoch einen Durchgang ohne Mods. Das Spiel ist sehr umfangreich und ihr solltet es erst kennenlernen, um dann zu wissen, wo ihr unbedingt noch mehr Tiefgang oder etwas mehr Bequemlichkeit in der Bedienung braucht. Ich habe kürzlich bemerkt, dass meine Speisen quasi nur aus Mais bestehen und die Kolonisten damit zu glücklich sind. Eine Mod lässt sie jetzt mehr Vielfalt fordern. Landwirtschaft und Kochen habe ich dabei auch mit Mods nochmal deutlich komplexer gemacht.
Meine Modliste umfasst ansonsten UI-Visualisierungen für Inventar, Stimmung und Raum-Bewertung, aber auch besagte Mod Gästebewirtung im Spiel. Ein paar mehr Möbel zur Dekoration sind aber auch hinzukommen. Zwei für mich essentielle Mods sind aber an sich sehr winzig: Die RimFridge-Mod, die mich Kühlschränke bauen lässt und die Interaction Bubble-Mod, die Gespräche der Kolonisten in Chatblasen visualisiert. Manchmal sind es die kleinen Anpassungen, die das Spiel aufwerten.
Lohnt sich RimWorld mit allen DLCs?
Wer auch nur halbwegs etwas mit dem Simulations-Genre anfangen kann, sollte sich das Spiel nicht entgehen lassen. Der Erfolg von RimWorld kommt nicht von ungefähr. Bereits vor Release ging die Kolonie-Simulation bei Steam mehr als eine Million Mal über die digitale Theke. Auch ich begleitete das Spiel bereits mehr als zwei Jahren durch den Early Access und sah das Spiel auch danach nach und nach weiter wachsen. Langweilig ist mir auch nach weit über 100 Stunden nicht geworden. Auch in den Steam-Bewertungen gibt es enorm viele Spieler mit drei- oder sogar vierstelligen Stunden Spielzeit.
RimWorld ist nicht das komplexeste Spiel seiner Art, findet aber eine ausgesprochen gute Balance zwischen Anspruch und Zugänglichkeit. Auch RimWorld hat erst einmal eine zu Beginn steilere Lernkurve, aber nicht die Wand eines Dwarf Fortress. Zwar geht auch dessen Simulation weniger ins Detail, doch die Erzähl-KI sorgt trotzdem immer wieder für großartige kleine und große Geschichten.
Auch Jahre nach Release ist das Spiel seinen bislang nicht wirklich gesenkten Preis wert, lohnt sich sonst aber auch als immer wieder geupdatetes Grundspiel. Die DLCs fügen dennoch sinnvolle Erweiterungen hinzu, auch wenn man sie nicht zwingend alle in jedem Durchlauf haben mag.
Habt ihr euch erst einmal gut in RimWorld eingelebt, gibt es eine sehr aktive und freundliche Community, die im Steam Workshops bereits über 20.000 Mods veröffentlicht hat. Hier wartet noch eine ganze Menge Spielspaß und wer weiß, welche Ideen der Entwickler selbst noch für weitere DLCs im Kopf hat.
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