Digitales Nomandentum: ein Leben aus dem Rucksack, frei und ungebunden. Was braucht man da vor allem? Natürlich einen Rucksack. Also ging es vor dem Start unseres Nomadentums ab zu Globetrotter. Ich kaufte einen leichten, flexiblen Rucksack für um die 200 EUR, füllte ihn und flog sehr stolz los in Richtung Kuala Lumpur. Ich freute mich auch über das Understatement und die Bekenntnis, die das Reisen mit Rucksack mit sich bringt. Backpacker schauten einem in die Augen, auf Geschäftsmännern durfte ich ab jetzt siegessicher hinablächeln – aus dem Elfenbeinturm des freien, wilden Lebensstils. Doch wer lacht zuletzt?
Der erste Stopp mit Rucksack: Malysia.
„Oh, very heavy, haha“, lacht der Taxifahrer am Flughafen. Und wir dachten, wir sind total leicht unterwegs. Tragen kann man die Rucksäcke in der Nähe eines Flughafens nicht mehr, weil sie dann immer in einer Art Stoff-Kondom stecken, das wir ebenfalls auf anraten gekauft hatten. Zum Akklimatisieren geht es erst mal in die Wohnung meines Bekannten, der in Kuala Lumpur lebt. „Man lacht hier ja alles weg“, sagt er – auch lächerlich schwere Rucksack-Pakete.
Der Nächste Stop: Flug nach Langkawi
Die kleine Insel Langkawi im Norden von Malysia verspricht viel und hält es auch. Wieder nehmen wir in Kuala Lumpur ein Grab-Auto zum Flughafen (Grab ist das Uber Südostasiens). Noch vor der Flughafentür verpacken wir die Rucksäcke erneut in die umständlichen Kondome und hieven alles auf einen Wagen. Dann: Abgabe am Schalter und durchatmen.
Auf der Insel gelandet, folgt das gleiche Prozedere: Pakete auf Wagen hieven, ins Grab-Auto, damit zum AirBnB, alles rein ins Zimmer und wieder raus aus den Hüllen fummeln.
Zwischenruf: Schutz ist irre wichtig.
Diese kondomartigen Rucksack-Schutzhüllen würde ich dennoch allen empfehlen, die sich dafür entscheiden mit dem Rucksack Flugreisen zu machen. Sie schützen die ganzen Bänder, Clips und Gummizüge davor, vom Bodenpersonal als Griff missbraucht und dadurch abgerissen zu werden. Bei vielen Fluggesellschaften kann man den Rucksack so verpackt als normales Gepäckstück einchecken und muss nicht zum Sondergepäck-Schalter. Und: Die Dinger machen es anderen schwieriger (nicht unmöglich), Sachen aus dem Rucksäcken zu entnehmen oder – meist noch schlimmer – Sachen reinzustecken. Denn meist wollen die das Päckchen Rauschwaren am Ende auch wieder haben. Im besten Fall. Jeder andere Fall landet vor Gericht oder direkt im Knast.
Die erste Busreise über Land
Es stellte sich auch bei anderen Verkehrsmittel kein wesentlich anderes Schauspiel dar. Mit einem motorisierten Gefährt geht es zum Busbahnhof – in unserem ersten Fall war das ein Moped mit kleiner Ladefläche und der Busbahnhof von Penang. Von hier aus sollten wir auf unmöglichen Straßen in die Cameron Highlands gelangen. In diesem Teeanbaugebiet angekommen trugen wir zum ersten Mal die Rucksäcke ganze 13 Minuten. Rollen wäre einfacher gewesen auf den asphaltierten Straßen. Wieder hören wir im AirBnB angekommen: „Oh very heavy, haha.” „Haha!“, ja wir finden es auch witzig. Noch.
Hilft abspecken auch beim Rucksack?
Nach etwa zwei Monaten waren wir wieder in Kuala Lumpur und hatten ein klares Ziel: Abnehmen. Diese Rucksäcke mussten leichter werden. Auf die Kommentare hatten wir keine Lust mehr. Und auf das Gewicht auf unseren Schulter auch nicht. “Wir werden ja angeschaut, als wären wir panische Urlaubsanfänger”. Außerdem: Auf Inlandsflügen – und auch auf vielen Flüge innerhalb Asiens – sind 14 Kilo das maximale Aufgabegepäck. Ab dann heißt es draufzahlen.
Ein neues Leben
11,5 Kilo flogen nach Deutschland zurück. Die Rucksäcke blieben. Wir schleppten sie durch diverse andere Städte und teilweise entlegene Dörfer. Doch immer gab es irgendeine Art von Transfer vom Boot zum Bus zum Flughafen, ins Hotel, AirBnB oder zum Mietwagenverleih.
Ich kann mich an nur einen weiteren Moment erinnern, an dem wir wirklich mal mehr als ein paar Meter die Rücksäcke auf dem Rücken hatten und dachten: “Rollkoffer wäre jetzt ein bisschen doof”. Und nur eine Stunde später versank ich mitsamt meines einzigen Paares fester Schuhe in dem schlammigen Fußabdruck eines Elefanten. Aber andere Geschichte.
Mehr ist manchmal weniger
Wir fragten uns nach einigen Monaten: Brauchen wir die Dinger wirklich? Die Antwort war eindeutig. Das liegt allerdings auch an der Art wie wir reisen: Zum einen sind wir nicht mehr Mitte 20, zum anderen suchen wir uns meist Orte, an denen wir eher einige Wochen bis Monate bleiben, statt konstant rumzureisen. Das ist schon jobbedingt so, hat aber auch noch zig andere Gründe.
Inzwischen habe ich deshalb auf einen “normalen“ Rollkoffer umgesattelt. Ein sehr leichtes Modell mittlerer Größe in unaufgeregtem Design. Mit Gewalt bekomme ich 32 Kilogramm da rein, bei 12 Kilo fliegt aber auch nichts im Inneren umher. Von außen schätzt man meine Reisezeit wahrscheinlich auf „etwas mehr als ein Wochenende“ und das ist mir immer noch Understatement genug. Dafür ist der Koffer übersichtlicher, der Zugriff auf einzelne Abteilungen ist schneller, als wenn man alles nur von oben reinstopft und vor allem: ich muss ihn nicht tragen. Und er muss nicht ständig rein in den Schutzsack und wieder raus. Und man weiß, dass der Koffer am normalen Gepäckband landet und nicht doch beim Sondergepäck (Chance 30:70).
Ich kann angehende Nomaden nur raten, sich vor der Abreise ehrlich zu fragen: Wie reise ich? Und brauche ich dazu wirklich einen Rucksack. Das gute Gefühl der Freiheit kann man auch mit Rollkoffer bekommen. Versprochen!
Image by Katsche Platz
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Schlagwörter: Digital Nomad, Nomadentum, Reisen, rucksack