Im Rahmen eines Launch-Events in Frankfurt konnten Journalisten das Samsung Galaxy S9 und Galaxy S9+ genauer unter die Lupe nehmen. Da die Kameras bei der neunten Generation der S-Klasse im Fokus steht, gab es viele Gelegenheiten, die Foto-Qualitäten des Samsung Galaxy S9+ und S9 auszuprobieren und zu vergleichen. Wie gut die Innovationen von Samsung funktionieren, habe ich deshalb ausführlich getestet.
Samsung Galaxy S9+: Immer gute Fotos
Keine Frage, das Samsung Galaxy S9+ besitzt zwei sehr gute Kameras. Das bestätigt auch der Kamera-Benchmark DXOMark Mobile: Dieser Test setzt sich umfangreich mit dem Sensor und den Linsen auseinander und testet Faktoren wie Schärfe, Verzerrungen, Vignettierung, Tiefenunschärfe und vieles mehr. Insgesamt erreicht die Kamera dort 99 Punkte. Damit liegt sie vor denen des iPhone X und des Google Pixel 2. Das ist vor allem ihrer guten Schärfe, der bemerkenswerten Low-Light-Performance und einem hohen Dynamikumfang geschuldet.
Auch in den zwei Stunden, die ich zum Testen hatte, überzeugte die Kamera in allerlei Szenarien. Denn sowohl im Innen- als auch Außenbereich gelangen meist sehr gute Fotos. Der Automatik-Modus beleuchtet in den allermeisten Fällen gut, der Weißabgleich stimmt genau und auch der Autofokus trifft das zu fokussierende Objekt auf fast allen Bildern.
Samsung Galaxy S9+: Die Technik der Kamera
- Hauptkamera: Weitwinkel, zwölf Megapixel, 1/2,55 Zoll-Sensor, Blende: f/1.5 und f/2.4
- Zweite Hauptkamera: Zweifach-Zoom, zwölf Megapixel, 1/3,6 Zoll-Sensor, Blende: f/2.4
- Optische Bildstabilisierung für beide Kameras
- PDAF-Autofokus (Intervallfokussierung von beiden Kameras gleichzeitig)
- LED-Blitz mit variabler Wärme
- 4K-Video mit 60 Bildern pro Sekunde
- Slow-Motion mit 960 Bildern pro Sekunde (720p)
Samsung Galaxy S9+ bietet viel kreative Freiheit
Im Automatik-Modus entstehen zumeist kontrastreiche und klare Fotos. Das Samsung Galaxy S9+ ist somit eindeutig für Schnappschüsse geeignet. Es passt sich schnell an verschiedenste Lichtbedingungen an und schafft es problemlos, die besten Einstellungen zu treffen. Die Kamera bietet eine große Dynamik. Das heißt: dunkle Elemente besitzen selbst dann noch einiges an Detail, wenn die Kamera eigentlich helle Bereiche des Bildes belichtet. Solltet ihr also zum Beispiel aus dem Fenster fotografieren, ist aus diesem Grund ein Baum in der Landschaft ebenso gut sichtbar wie ein Foto, das im weniger gut beleuchteten Zimmer neben dem Fenster hängt.
Für Fotografie-Enthusiasten bietet sich der manuelle Modus an. Denn hier könnt ihr theoretisch den ISO-Wert, die Verschlusszeit und Bildprofile ändern. Beim Samsung Galaxy S9+ könnt ihr dank der verbauten Dual-Kamera aus zwei Brennweiten wählen. Neben dem Weitwinkel-Objektiv steht eine Zoom-Kamera zur Verfügung, die Objekte näher erscheinen lässt.
Absolutes Novum: Das Samsung Galaxy S9+ ist das erste Smartphone, bei dem die Blende variabel ist. Damit könnt über einen Knopfdruck die Blendenzahl zwischen 1,5 und 2,4 variieren. Bei der kleineren Blendenzahl trifft mehr Licht auf den Sensor. Die größere Zahl bedeutet, dass weniger Licht pro Zeiteinheit durchfällt. Für die gleiche Belichtung müsst ihr dann die Verschlusszeit verlängern oder den ISO-Wert.
Variable Blende: Ein Marketing-Witz?
Die neue variable Blende bestimmt, wie viel Licht auf den Sensor trifft. Außerdem hat sie Einfluss auf die sogenannte Tiefenunschärfe, die man häufig auch als Bokeh bezeichnet. Samsung verbaut die variable Blende, weil bei Tageslicht Fotos in der Tiefe schärfer werden. Allerdings ist diese neue Funktion eigentlich unnötig, denn die Tiefenschärfe ist stark abhängig von der Größe des Bildsensors.
In Smartphones sind meist sehr kleine Chips verbaut. Im Falle des Samsung Galaxy S9+ liegt die Diagonale bei sieben Millimetern. Tiefenunschärfe ist aber eher von Kameras mit viel größeren Sensoren bekannt. So haben Vollformat-Kameras einen Sensor mit 35 Millimetern Diagonale. Dadurch kommt hier die Tiefenunschärfe viel mehr zum Vorschein. Aus physikalischen Gründen können Handy-Sensoren also nur sehr begrenzt Bokeh erzeugen.
Der Unterschied zwischen der Blende f/1,5 und f/2,4 ist für das ungeübte Auge eigentlich fast nicht zu erkennen. Bei Bildern von nahen Objekten fällt der Effekt zwar noch auf. Aber in Landschaftsaufnahmen lässt sich die Blende im Blindtest quasi nicht erkennen.
Live-Fokus: Mehr Hintergrundunschärfe durch Prozessor-Power
Samsung bietet mit dem Galaxy S9 Plus aber auch eine Funktion für künstliches Bokeh. Hierfür rechnet die Software aus den Bildern beider Kameras ein gemeinsames 3D-Bild heraus. Dadurch lässt sich die Tiefe bestimmter Objekte im Raum feststellen. Mit diesen Informationen kann der Prozessor des Samsung Galaxy S9+ den hier fotografierten Blumenstrauß klar vom Hintergrund trennen. So wird der Hintergrund verschwommen, die Front bleibt jedoch gleich scharf. Schon ist der simulierte Bokeh-Effekt fertig. Die entsprechende Funktion in der Kamera-App heißt beim Samsung Galaxy S9+ Live-Fokus, während sie beim S9 Selektiver Fokus heißt.
Allerdings gibt es hier technische Schwierigkeiten: Betrachtet beim entsprechenden Foto mal das Blatt auf der rechten Seite genauer. Es wird vom Algorithmus weg gerechnet und der Hintergrund scheint durch. Richtig fertig und optimiert ist das künstliche Bokeh also noch lange nicht. Auch bei der Hand sind an den Kanten der Finger Fehler erkennbar. Die Kante scheint sehr hart zu sein und an den Spitzen hat die Kamera Probleme bei der Entscheidung, ob es sich nun um Vor- oder Hintergrund handelt.
Mit den gleichen Problemen hat übrigens auch das iPhone X, das iPhone 8 Plus und das iPhone 7 Plus zu kämpfen: Die Smartphones von Apple rechnen ebenfalls die Tiefeninformationen heraus, um Objekte im Vordergrund besser darzustellen. Subjektiv betrachtet funktioniert der Effekt bei der Konkurrenz aus Cupertino aber besser. Verschwommene Ränder sind für beide Techniken aber problematisch.
Low-Light: meist gute Performance
Einen klaren Pluspunkt gibt es für die variable Blende des Samsung Galaxy S9+ aber: Mit einer Offenblende von f/1.5 ist die Optik des Smartphones das lichtstärkste Handy-Objektiv auf dem Markt. Es übertrifft damit die bisherigen Spitzenreiter LG V30 und Huawei Mate 10 Pro (jeweils f/1.6). Das beweist sich vor allem in dunklen Bereichen. Durch das viele Licht, welches eingefangen werden kann, bleibt die Verschlusszeit vergleichsweise klein. Das resultiert in weniger verwackelten Hintergründen.
Auch Personen, die sich bewegen, verschwimmen weniger. Für eine Smartphone-Kamera sind die Ergebnisse im Automatik-Modus recht gut. Kontrast und Schärfe bleiben trotz höherer ISO-Werte bestehen. Es lässt sich bei Dämmerungsbedingungen sogar fast kein Bildrauschen feststellen. Der Autofokus benötigt jedoch deutlich länger, um Elemente zu fokussieren. Andere Hersteller sind hier schneller, unter anderem durch Laser-Technik. LG setzt diese Technik seit einiger Zeit ein.
Zeitlupe: 960 Bilder pro Sekunde
Samsung hat die Kamera des Galxy S9+ nicht nur auf Fotos optimiert. Die beiden Sensoren können 4K-Videos bei 60 Bildern pro Sekunde aufnehmen. Diese hohe Zahl an Einzelbildern ist eine Premiere bei 4K-fähigen Smartphones. Aber die Videos können nicht nur groß, sondern auch schnell: Bis zu 960 Bilder nimmt die Kamera des S9+ pro Sekunde auf. Dann allerdings nicht in 4K, sondern nur in der geringeren Auflösung des HD-Ready-Standards (720p). Beeindruckend ist das trotzdem. Damit lässt sich die Echtzeit um den Faktor 40 verlangsamen. Nur wenige Smartphones können so eine extreme Super-Zeitlupe.
Die Ergebnisse sprechen für sich. Selbst viele gute Spiegelreflexkameras sind nicht in der Lage, dermaßen viele Einzelbilder festzuhalten. Für Aufnahmen im Freibad – etwa ein Sprung vom 5-Meter-Brett – bietet sich das Slo-Mo-Feature besonders an. Bedingung ist aber eine recht helle Umgebung. Bei so vielen Einzelbildern muss die Verschlusszeit sehr schnell gewählt werden, damit weniger Licht auf den Sensor fällt. Deswegen sind Außenaufnahmen oder gut beleuchtete Umgebungen ein Muss.
Sechs Tipps für Slow-Motion-Videos
Damit die Zeitlupenaufnahmen trotz der geringen Auflösung von 1.280 x 720 Pixeln noch scharf erscheinen, solltet ihr am besten auf ein paar Sachen achten. Falls ihr eure Videos später gerne anschauen wollt, ist einiges an Vorbereitung nötig.
- Genügend Licht: Wenn die Umgebung zu dunkel ist, rauscht das Bild zu stark und wird matschig.
- Bei Kunstlicht aufpassen: Leuchtstoffröhren und günstige LEDs flackern gerne, wodurch die Aufnahmen komisch aussehen können.
- Nicht zu viel Slow-Motion nutzen: Irgendwann geht der Effekt verloren. Deswegen lieber etwas weniger nutzen, es dafür aber bei guten Szenen auskosten.
- Vorher üben: Selten klappt es gleich beim ersten Anlauf. Weil das Samsung Galaxy S9+ nicht dauerhaft mit 960 Bildern pro Sekunde aufnehmen kann, macht eine „Generalprobe“.
- Interne LED aktivieren: Das bringt zwar nur ein wenig Licht, doch in dunklen Szenarien genügt schon eine kleine Menge.
- Kamera ruhig halten: Auch wenn Wackler in Slow-Motion nicht so stören wie bei Videos mit normaler Wiedergabegeschwindigkeit, nerven sie. Also Handy abstellen, die Hand stabilisieren oder sogar ein Stativ nutzen.
AR-Emojis: Eher Spielerei als sinnvoll
Und dann sind da noch die sogenannten AR-Emojis. Als groß angelegte Attacke gegen Apples Animojis möchte Samsung die AR-Emojis als ernstzunehmende Konkurrenz platzieren. Dafür müsst ihr die Kamera-App einmal euer Gesicht einscannen lassen. Daraus rechnet das Handy dann ein 3D-Avatar, das eurem Aussehen mehr oder weniger entspricht. Optisch erinnert das vor allem an Sims-Avatare.
Viele sind vom AR-Emoji-Rendering begeistert. Allerdings gehöre ich eher zur anderen Kategorie. Zwar erkenne ich mich wieder, aber die Performance im Live-Modus ist grausig. Immerhin könnt ihr in der Kamera AR-Emojis live auf euer Gesicht rechnen lassen. Ich habe in dieser Vorschau allerdings extreme Schlitzaugen. Außerdem erinnerte ein spaßeshalber gemachtes Duckface hauptsächlich an ein schmerzverzerrtes Gesicht. Wirklich akkurat war Samsung hier nicht. Zumal ich von einem Konzern wie Samsung bei diesem Aspekt etwas mehr erwartet hätte.
Auch die anschließend erstellten animierten GIFs überzeugen gegenüber anderen Herstellern nicht besonders. Sie gehören vielmehr in die Kategorie peinlich. Ich kann mir jedenfalls beim besten Willen niemanden vorstellen, der sie im Alltag benutzen würde. Apples animierte Emojis sind bei der Betrachtung wenigstens witzig und teils ausgefallen. Samsung kann hier nicht punkten. Hier dennoch ein paar Eindrücke von mir als Comic:
Neben dem eigenen Gesicht könnt ihr auch andere Avatare wählen. Von Teufelsfratzen über Katzen und Hasen bis hin zu Franchise-Figuren ist vieles dabei. Ganz neu: Mickey Maus und Mini Maus sind im Rahmen einer Kooperation mit Disney verfügbar.
Fazit: Für eine Smartphone-Kamera sehr gut
Kurzum ist Samsung mit dem Galaxy S9+ ein sehr gutes Kamera-Smartphone gelungen, das schöne Fotos macht. Mit der Zoom-Linse der Dual-Kamera lassen sich darüber hinaus interessante Fotos erstellen und auch die Video-Funktion schneidet sehr gut ab. Dank der gelungenen Grundfunktionen, kann man Fehler bei Spielereien wie den AR-Emojis außerdem leicht verzeihen. Die Resultate sind insgesamt schön und „Instagram-Worthy“. Samsung sollte in Zukunft aber besser noch etwas am simulierten Bokeh-Effekt arbeiten. Zwar sind die Fotos kontrastreich und bunt, haben aber ihre Problemchen mit den Kanten des Gegenstands im Vordergrund, völlig egal, ob es sich um eine Pflanze, einen Menschen oder beispielsweise Milchkaffee handelt.
Wer in seiner Freizeit Fotos macht und nur ungerne eine dedizierte Knipse mitnehmen möchte, ist mit dem Samsung Galaxy S9+ folglich gut bedient. Bessere Fotos gibt es mit keinem anderen Smartphone, dennoch können das Google Pixel 2 und das iPhone X der Kamera des Galaxy S9+ das Wasser reichen. Wenn euch die Foto-Funktionen nicht so viel bedeuten, genügt aber unter dem Strich vielleicht auch das Galaxy S9 (zum Hands-On von Jonas). Denn sein Bildschirm ist etwas kleiner und die zweite Kamera auf der Rückseite fehlt. Ansonsten ähneln sich die Geräte aber sehr und ihr spart mehr als 100 Euro.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf Netzpiloten Android.
Images by Mika Baumeister
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