Die SmartTV-Revolution blieb aus, weil die Oberflächen der Hersteller zu schlecht waren. Android, Apple, Mozilla & Co. konnten den TV-Markt bisher nicht erobern. Klappt der Siegeszug vielleicht mit dummen Displays ganz ohne Oberfläche? Als die ersten SmartTV-Geräte auf den Markt kamen, war die Freude groß. Endlich Apps auf dem Fernseher, am besten auch ein Webbrowser, ein Kaminfeuer und das Yoga-Programm. Wer sich tagtäglich mit den zähen Oberflächen von Samsung & Co. durchschlägt, weiß, dass das ungefähr so viel Spaß macht wie die Symbian-Strukturen späterer Nokia-Modelle. Was vom Hype um SmartTV übrig blieb, ist ein umständlicher Weg, um an die Netflix-App zu kommen. Zwar sind die Oberflächen mittlerweile reifer geworden, und auch 4K-Modelle mit Mozilla- oder Tizen-Benutzeroberfläche können sich sehen lassen, dennoch scheint der Enthusiasmus bei den Käufern zu schwinden. Woran liegt das?
Alles nicht so smart?
Zum einen gilt auch bei TV-Geräten die Regel: hat man den Käufer erst einmal vergrault, ist der Schaden permanent angerichtet. Das Produkt „SmartTV“ hat beim Durchschnittskunden einen schlechten Ruf. Man assoziiert es mit hakeligen Menüs, langer Ladezeit, umständlicher Texteingabe per veralteter Fernbedienung und um Monate veraltete Apps (kein Wunder, bei dem Dschungel an Modellvarianten). Ein Großteil der Bevölkerung schaut nach wie vor lineares Fernsehen, der Käuferdruck zu mehr Innovation ist demnach gering. Nur jeder fünfte nutzt angeblich erst die Smart Funktionen dieser Geräte, vielleicht ist das am Ende im analogen Deutschland eh alles nicht so relevant? Ein Blick in den nächsten Saturn-Prospekt sagt anderes. Zum anderen hat es die Industrie nicht geschafft, Ordnung ins Wohnzimmer zu bringen, wodurch die Gerätelandschaft sich stark fragmentiert hat. Das Anzeigegerät (der SmartTV selbst) hat ein Betriebssystem nebst „smarter“ Oberfläche, aber der daran angeschlossene BluRay-Player genauso, wie die möglichen Android- oder Apple-betriebenen Boxen, die zusätzlich noch existieren, von einer PlayStation oder XBox ganz zu schweigen. Das ist, als würde man diverse Telefone mit sich herum schleppen, weil keines davon wirklich das macht was man möchte, und auf jedem Gerät eine andere App besser funktioniert.
Lieber dümmer
Die Lösung des Problems ist vielleicht eine Entwicklung, die Technik-Nerds schon immer präferiert hätten: sogenannte „dumb displays“, also dumme Bildschirme, die nichts weiter machen als das Signal anzuzeigen, das man ihnen zuspielt. Das würde die „Last“ der Benutzeroberfläche an die signalspendenden Geräte oder Anwendungen verschieben. Nutzer hätte so auch mehr Kontrolle und das Gerät wird zum einen flexibler, zum anderen langlebiger genutzt. Das Problem mit den veralteten SmartTV-Oberflächen ist ja auch, dass sie ansonsten technisch völlig einwandfreie Geräte innerhalb weniger Jahre unbenutzbar machen (eine Form der geplanten Obsoleszenz). Dumb Displays kommen meist mit dazugehöriger App oder eigenem Android-Gerät zur Bedienung und versprechen einfache Benutzung, wie man es heute gewohnt ist. Aktuell ist das leider noch nicht so ganz “frei” und flexibel wie technisch eigentlich machbar (Projekte wie Kodi zeigen was die Community sich selbst eigentlich bauen möchte), aber ein Hoffnungsschimmer am Horizont ist es durchaus.
Der Status Quo
Aktuelle Geräte mit Firefox-, Tizen- oder gar Ubuntu-Oberfläche versprechen bessere Benutzbarkeit bei steigender Kompatibilität. „Less is more“ gilt bei den neueren Generationen an Interfaces genauso wie neue Ansätze für Fernbedienungen. Einige Hersteller bieten dafür Apps fürs Smartphone oder Tablet, andere wiederum Fernbedienungen, die ähnlich dem Wii-Controller funktionieren (bei denen man also Elemente am Bildschirm durch Zeigen auswählt). Wie steht es aktuell um die Nachfolger der alten Eigenentwicklungen? Ubuntu TV scheint zwar noch aktiv in der Entwicklung, Beispielgeräte sind dafür aber noch nicht zu finden (im Gegensatz zu Telefonen und neuerdings auch Tablets). Schicke Panasonic Geräte mit Firefox OS kann man im Elektroladen durchaus ausprobieren. Mehr Bewegung scheint es bei Android-betriebenen Geräten zu geben, andere setzen auf die Tizen Weiterentwicklung von WebOS. Von Problemen mit Datenschutz – nicht nur was Benutzerdaten, sondern vor allem auch die Kamerafunktion betrifft – kann auch Microsoft mit Kinect ein Lied singen. Benutzbarkeit, DRM und App-Vorauswahl werden weiterhin Innovationen und Nutzungsgrad auf dem Markt zurückhalten. Der Konsument nutzt die Geräte dann am Betriebssystem des Herstellers vorbei, beispielsweise via Chrome Connect oder mittels vorgeschalteter Nexus TV- oder Apple TV-Boxen. Dies sind Entwicklungen, die auf den Fernseher als Computer-Monitor hindeuten – daher der Begriff des dummen Display.
Eine smartere Heimkinozukunft
Viel besser wäre also der Ansatz, das Display zu dem zu machen, was es im PC-Bereich ist und schon immer war: das bloße Anzeigegerät. Man möchte also nicht einmal eine App mitgeliefert bekommen. Es reicht ein moderner 4K-Display mit allen gängigen Schnittstellen und vielleicht einem rudimentären Menü zur Einstellung von verschiedenen Parametern wie beispielsweise der Helligkeit. Sich PC-Monitore in Heimkinogröße zu kaufen, ist aber weder preislich vernünftig noch sind diese Geräte für die Anforderungen von Home-Entertainment ausgelegt, was Reaktionszeiten und Kontrastwerte angeht. Die ersten Hersteller liefern nun teilweise schon Dumb Displays aus, wie Vizio in den USA, die Mittelklasse-Panels mit beiliegenden Tablets ausliefern, um die Geräte über Google Cast anzusteuern. Nicht super innovativ und (noch) teurer als sich mit einem billigeren SmartTV diesen Workaround nachzubauen, aber es könnte als Modell Schule machen. Die Kombination aus Gerät plus App gibt es immerhin schon vermehrt (beispielsweise bei Samsung). Da langfristig kaum mehr lineares Fernsehen konsumiert wird, könnte bald auch der DVB-s/t/c Tuner wegfallen (aktuell wird erst mal DVB-T2 HD ausgerollt – als ob die Konsumenten den ständigen Neukauf von Decodern nicht ohnehin schon satt hätten) und es bedarf damit auch keiner entsprechenden Fernbedienung mehr zum „zappen“. Künftig verbindet man dieses Display mit dem Content-Lieferant (Smartphone, Laptop, Homeserver, Spielkonsole, usw..) und genießt fortan selektiver, via App, oder mittels entsprechenden Home-Entertainment Paketen (etwa T-Entertain, oder einfach aus dem NAS der FritzBox). Eine App kann ja dann eine Art lineare Unterhaltungsversorgung von Pro7, ARD und Konsorten sein.
Ein Ausblick auf die TV-Zukunft
Das Ergebnis wäre die ultimative Unabhängigkeit vom TV Hersteller und echter Innovationsraum im Wohnzimmer. Die Geräte würden dadurch langlebiger (wenn die Hersteller mitspielen), da es keine softwareseitig geplante Obsoleszenz mehr gibt. Das bleibende Problem ist die Wertschöpfung, da für Samsung und Co der App-Store auf dem Gerät eine Einnahmequelle ist, und auch die Benutzeroberfläche (nebst Webcam) ein direkter Draht zum Verbraucher. Man wollte ja zur Plattform werden, Apple und Google Paroli bieten, und nicht nur Gerätelieferant sein. Ein Wegfall der eigenen Betriebssysteme würde aber den Wettbewerb auf dem Heimkino-OS Markt weiter in Bewegung bringen, ob Kodi, Ubuntu Touch, Apple TV, Tizen oder andere. Vorausgesetzt diese Systeme reifen schnell genug, werden von Herstellern auch in Partnerschaften angeboten, und Google oder Apple sind nicht schneller, um in die Bresche zu springen (und bislang sieht es nicht danach aus, die Nexus-Konsole für Android TV ist kürzlich wieder aus dem Handel verschwunden). Doch auch aus ganz anderen Ecken kommt Druck, so haben O2 und Burda angekündigt, mobiles TV Streaming per App zu launchen. Für den richtigen Genuss braucht es nur ein großes Display. Wenn man als Vergleich die Debatte um die Plattformdominanz bei Smartphones oder sozialen Netzwerken hinzuzieht, wäre aktuell im Markt der TV-Geräte noch eine Chance, mehr Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit zu erreichen. Zu Fördern wäre der Rückgang an Geräteverschleiß durch softwarebedingte Obsoleszenzen, und zu verhindern wäre eine Re-Monopolisierung durch die Hintertür von seitens Apple oder Google, denen es nur Recht sein könnte, wenn deren Smartphones oder Tablets künftig im Wohnzimmer den Ton angeben, und nicht mehr die hakeligen Oberflächen der alten Elektronik-Riesen. Es gibt eine Menge denkbarer Szenarien, wie sich der Markt auf Basis dummer Displays entwickeln könnte, und gerade deutsche Hersteller wie AVM (Router mit NAS-Funktionen zum Streaming im Eigenheim) oder Protonet (sichere Heimserver und Cloudlösungen) hätten hier sehr gute Karten. Gleichzeitig würde das Anzeigegerät dann in künftigen SmartHome-Szenarien noch beliebter als neutrale Schaltzentrale. Ob Philips, RWE oder sonst jemand, der Nutzer sucht visuelle Schnittstellen zu komplexen smarten Technologien, und nicht für alles bietet sich ein kleiner Smartphone-Screen an.
Image (adapted) “Samsung Curved UHD TV” by K?rlis Dambr?ns (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: apps, AVM, Bedienung, display, dumb display, Entertainment, Nachhaltigkeit, obsoleszens, Samsung, Smart-TV, ubuntu