Sodom und Gomorra: Deutsche Umwelthilfe kritisiert massive Verstöße bei Rücknahme von Altgeräten

Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal Bilder von Agbogbloshie gesehen habt. Früher waren es unsere Fernseher und Röhrenmonitore, heute sind es unsere Smartphones und Tablets, die auf der riesigen Elektroschrotthalde in Ghana landen, um von den dort lebenden Menschen unter gefährlichsten Umständen auf verwertbare Rohstoffe wie Eisen, Aluminium und Kupfer hin ausgeschlachtet zu werden. Agbogbloshie – auch Sodom und Gomorra oder Toxic City genannt – ist einer der am schlimmsten verseuchten Orte der Welt an dem Menschen leben. Aber wie kann es sein, dass unser Müll dort landet? Schließlich gibt es in Deutschland spätestens seit 2016 eindeutige gesetzliche Regelungen zur Rücknahme von Elektrogeräten.

In Deutschland bringen Elektronikhändler mittlerweile knapp zwei Millionen Tonnen Elektrogeräte pro Jahr in Verkehr. Die Zahlen der Stiftung Elektro-Altgeräte Register zeigen aber, dass die Händler in 2016 nur rund 70.000 Tonnen Elektroschrott zurückgenommen haben. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vermutete darauf hin, dass die Händler das seit 2016 geltende Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) zur Rücknahmepflicht von alten Elektrogeräten nicht korrekt umsetzen. In der Konsequenz würde der Handel damit den illegalen Export von Elektroschrott nach Afrika und die dortigen kathastrophalen Zustände fördern.

Testbesuche zeigen systematische Verstöße gegen ElektroG

So führte die Deutsche Umwelthilfe im ersten Halbjahr 2018 Testbesuche bei 52 stationären Händlern durch und entdeckte tatsächlich bei mehr als der Hälfte der untersuchten Geschäfte systematische Gesetzesverstöße bei der Umsetzung der Rücknahmepflicht. Möglich ist das, weil offenbar niemand kontrolliert, ob die Händler ihren Pflichten nachkommen. Die DUH fordert deshalb von den Bundesländern, Bußgelder gegen die betreffenden Händler zu verhängen. Ein Verstoß kann dann bis zu 100.000 Euro kosten.

Der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagt dazu: „Das Missachten gesetzlicher Pflichten wird durch das völlige Fehlen behördlicher Kontrollen salonfähig gemacht. Die für den Vollzug verantwortlichen Bundesländer und unteren Behörden müssen Umweltgesetze endlich ernst nehmen und Verstöße bestrafen, sonst nimmt sie keiner mehr ernst.“

Wie weit das Ausmaß der Verstöße geht, zeigen die detaillierten Ergebnisse der Testbesuche. So konnte die DUH bei rund einem Drittel der stationären Händler die Elektrokleingeräte gar nicht oder nur nach mehrmaligem Nachfragen abgeben. Filialen namhafter Unternehmen wie Apple, Hellweg, Sconto, Poco, Hagebau und Hornbach schnitten besonders schlecht ab. Aber auch Unternehmen, die korrekt gesetzliche Mindeststandards umsetzen, erschweren laut DUH die Rückgabe durch umständliche Anfragen beim Kundendienst oder versteckte Informationen.

Keine Aufklärung über Rücknahme von Elektrogeräten

Außerdem versäumen es die Händler systematisch, ihre Kunden aktiv und verständlich darüber aufzuklären, wie sie ihre alten Elektrogeräte zurückgeben können. Laut DUH halte sich fast die Hälfte der Händler nicht an die gesetzlichen Informationspflichten. Ungeschulte Mitarbeiter würden die Rückgabe alter Elektrogeräte zusätzlich erschweren, anstatt Verbraucher dabei zu unterstützen. „Dieser Zustand ist völlig inakzeptabel. Der Boykott des Handels zur Rücknahme von Elektrogeräten ist mitverantwortlich für die Nichterreichung gesetzlicher Sammelquoten“, so Resch.

Laut Gesetz muss die Rückgabe aber einfach und verbraucherfreundlich gestaltet sein. Denn das Ziel ist es, bis 2019 mindestens 65 Prozent der alten Elektrogeräte für eine umweltfreundliche Weiterverarbeitung zu sammeln. Die Zahlen der Stiftung Elektro-Altgeräte Register zeigen aber, dass wir voraussichtlich nicht einmal die gesetzliche Sammelquote von 45 Prozent für das Jahr 2016 erreicht haben. „Stattdessen landen wert- und schadstoffhaltige Elektrogeräte im Restmüll, in der Umwelt oder sie werden im schlimmsten Fall ins Ausland exportiert“, kritisiert Resch.
 


Nicht nur schwarze Schafe, aber viel zu viele

Dass es sich nicht um Einzelfälle handelt und man hier fast vom Komplettversagen der Branche sprechen möchte, zeigen die Ergebnisse doch recht deutlich. Aber es gibt auch einen kleinen Hoffnungsschimmer, verbreitet von Toom und Obi.

Negative Resultate

  • In Filialen von Hagebau; Kaufland; Möbel Höffner; Poco; Sconto; Toys „R“ Us und bei vielen weiteren Händlern konnten die Tester keine schriftlichen Informationen zur Rücknahmepraxis finden.
  • In den Filialen von Roller Möbel und Saturn hielten die Mitarbeiter Energiesparlampen nicht für Elektroaltgeräte oder meinten, man könne diese im Hausmüll entsorgen.
  • Bei 16 stationären Händlern konnten die Tester Kleingeräte nicht oder nur nach mehrmaliger Nachfrage abgegeben. So hieß es bei Roller Möbel, Holz Possling und SB Möbel Boss unrechtmäßig, dass eine Rückgabe nur möglich sei, wenn man ein Neugerät kauft.
  • Die Annahme von Großgeräten wurde in acht Fällen rechtswidrig verweigert.
  • Karstadt, SB Möbel Boss, Sconto und Euronics XXL verlangten bei Lieferung eines neuen Geräts unzulässigerweise Transport- oder Entsorgungskosten für die Mitnahme des Altgeräts.
  • Bei rund einem Drittel der besuchten Filialen wurde die Abgabe von Energiesparlampen und LEDs unrechtmäßig verweigert, obwohl bei diesen eine Sammlung aufgrund enthaltener Schadstoffe besonders wichtig ist. Darunter waren Filialen von Apple, Cyberport, Roller Möbel, Spiele Max, Toys „R“ Us und Sconto.

Positive Resultate

  • Sehr gute Testergebnisse erzielten einige Filialen von Toom und Obi.
  • Sie zeichneten sich durch eine reibungslose Rücknahme, geschulte Mitarbeiter und die Bereitstellung aller wesentlichen Informationen aus.
  • Bauhaus; Ikea; Möbel Höffner; Conrad; Globus; Real; Medimax; Toom und Hornbach weisen separat auf die Abgabe von alten Energiesparlampen und LED-Lampen hin. Das ist wichtig, da viele Verbraucher nicht wissen, dass es sich dabei ebenfalls um Elektroaltgeräte handelt.

Fazit: beschämende Zustände schnellstens beenden

Dass Elektronikhändler der Rücknahmepflicht von Elektrogeräten nicht nachkommen oder gar die Rücknahme verweigern und damit gegen geltendes Recht verstoßen, ist beschämend für eine ganze Branche. Aber auch Verbraucher müssen sich fragen, ob sie sich über die Kehrseite ihres Konsums wirklich bewusst sind und auf korrekte Entsorgung ihrer Altgeräte achten. Zuletzt trifft auch die Hersteller eine große Verantwortung. Viel Schrott ließe sich von vornherein vermeiden, indem Geräte reperabel und besser recyclebar entworfen und hergestellt würden.

Welche katastrophalen Folgen die illegale Entsorgung von Elektroschrott im Ausland hat, zeigt auch der Dokumentarfilm „Welcome to Sodom – dein Smartphone ist schon hier“. Der Film kommt am 2. August 2018 in die deutschen Kinos. 

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ist Fachjournalistin für Interactive Design, Technologie, eCommerce, digitale Wirtschaft und Bildung. Lebt seit 2003 in Hamburg und arbeitete dort unter anderem als Redakteurin für einen Kulturverein, verschiedene Fachverlage, Agenturen und Start-Ups. Jetzt bei PAGE.


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