Wie ein drogenabhängiger Ex-Soldat Coca-Cola erfand

Im Jahr 1866 experimentierte John Stith Pemberton in Atlanta sich einmal quer durch die Schränke seiner Apotheke. Er hatte sich seit Längerem schon in den Kopf gesetzt, ein Mittel zu entwickeln, das gegen Kopfschmerzen, Müdigkeit und sogar Depressionen helfen sollte. Aber vor allem sollte es einen Ersatz für das allseits etwas zu beliebte Morphium darstellen, dem auch Pemberton selbst verfallen war.

Er war nämlich vor seiner Apothekerkarriere Oberstleutnant im US-amerikanischen Bürgerkrieg gewesen und wurde dort schwer verletzt. Wie es damals üblich war, gab man ihm Morphium, um die Schmerzen zu lindern. Als Apotheker kam er auch nach seinem Kriegsdienst relativ einfach an den Stoff heran. Allerdings hatte das Zeug den kleinen Schönheitsfehler, dass es hochgradig abhängig machte.

Eine Alternative musste her

Daher wollte Pemberton etwas anderes ausprobieren, um seine Schmerzen und die Sucht zu lindern. Und wieso auch nicht, schließlich war er Apotheker! Außerdem war ihm die Darreichungsform von Morphium per Spritze viel zu kompliziert. Er wollte etwas erfinden, das schnell wirkte und leicht zu handhaben war – am besten etwas, das man einfach so zu sich nehmen konnte.

Schließlich entwickelte er nach einigen Versuchen einen dunklen, dickflüssigen Sirup, den er “Pemberton’s French Wine Coca” nannte. Man kann durchaus behaupten, dass das Mittel ganz ordentlich wirkte: Es sorgte für eine spontane Stimmungsaufhellung und man spürte eine Energie in sich, von deren Existenz man nicht einmal geahnt hatte.

Schaut man sich seine Zusammensetzung an, wird auch bald klar, woran das lag: Das neue Getränk beinhaltete sowohl Wein und Kolanuss als Koffeinspender, weiterhin einen Stoff namens Damiana, einem natürlichen Aphrodisiakum und Extrakte der Blätter der Kokapflanze – und damit reines Kokain. (Zu dieser Zeit galt auch das Kokain noch nicht als Droge, es wurde beispielsweise auch als schmerzlinderndes Mittel bei Operationen genutzt.)

Wein und Kokain – eine beliebte Mischung

Ganz neu war Pembertons Erfindung allerdings nicht, denn ein ganz ähnliches Getränk gab es bereits. Es nannte sich Mariani-Wein, benannt nach seinem Erfinder Angelo Mariani, welches ebenfalls hautpsächlich aus Rotwein und Kokain bestand. Der Trunk erfreute sich besonders bei Kreativen und Nachtschwärmern wie Arthur Conan Doyle – der ja ohnehin keiner Droge abgeneigt war – Jules Verne und sogar dem damaligen Papst Leo XIII großer Beliebtheit. Eine Quelle besagt sogar, dass der Papst das Getränk so sehr mochte, dass er immer etwas davon in einem kleinen Flachmann bei sich getragen haben soll.

Heute kann man sich das kaum noch vorstellen – da wurde ein ordentlich starker Drogencocktail kommerzialisiert, der den Leuten einfach gut schmeckte und legal überall erhältlich war. Kein Wunder, dass der Erfolg nicht lange auf sich warten ließ. In der Bevölkerung wurde das Getränk zunächst offiziell als Nerventonikum für “hysterische Frauen” als auch für Kriegsversehrte vermarktet, außerdem sollte es den Sexualtrieb anregen. Was wohl heute der Vatikan dazu sagen würde?

Doch die Geschichte um Pembertons Erfindung geht noch weiter. Wegen des massiven Alkoholmissbrauchs und damit zusammenhängender sozialer Probleme in der Bevölkerung, wurde im Juli 1886 in Atlanta versuchsweise die Prohibition eingeführt. Das Alkoholverbot machte Pemberton einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Er konnte seine Erfindung nicht mehr an den Mann bringen – es sei denn, er veränderte wieder etwas am Rezept. Kurzerhand, aber sicher nicht ohne Bedauern, strich er den Alkohol aus der Mixtur.

Coca-Cola, das allseits beliebte Getränk wird geschaffen

Nach einigem Herumexperimentieren stellte er fest, dass die neue Variante seines Getränks mit frischem Sodawasser am besten schmeckte. Was nun noch fehlte, war ein schmissiger Name. Zusammen mit seinem Geschäftspartner und Buchhalter Frank Mason Robinson erfand er den Markennamen Coca-Cola, der bis zum heutigen Tage auf die ursprünglichen Bestandteile hinweist: Kokain und die Kolanuss.

Außerdem – und das war damals vielleicht noch wichtiger – waren Alliterationen bei Markennamen absolut angesagt: Sie waren leicht zu merken und machten sich besonders gut auf Werbeschildern. Mit dem charakteristischen Schriftzug wurde das Getränk unverwechselbar und verkaufte sich mittlerweile in den ganzen USA. Im Juni 1887 meldete er schließlich auf sein – jetzt alkoholfreies – Rezept ein Patent an.

Besonders lange konnte Pemberton seinen Erfolg allerdings nicht genießen, denn seine Morphiumsucht wurde stärker als er. Um sich mehr Nachschub leisten zu können, verkaufte er bereits zwei Tage nachdem er es angemeldet hatte, das Patent an einen Kollegen namens Asa Griggs Candler, ebenfalls Apotheker und Geschäftsmann. Dieser bewies einen guten Spürsinn und machte Pembertons Mixtur dann erst richtig groß. Im Jahr 1892 gründete er die Coca-Cola Company und belieferte wenige Jahre später nicht nur die gesamte USA, sondern auch Europa mit der belebenden Brause.

Pemberton selbst war zu diesem Zeitpunkt schon länger klar, dass er unheilbar krank war. Nur ein Jahr nachdem er seine Erfindung vollends perfektioniert hatte, starb er an Magenkrebs. Aber Pemberton hatte den Erfolg schon vorher geahnt. Er hatte ein Drittel der Geschäftsanteile für seinen Sohn zurückbehalten. Der Umstand, dass dieser aber nur wenige Jahre später ausgerechnet an einer Überdosis Drogen, diesmal allerdings Opium, sterben sollte, macht die Idee von Pembertons Weltfirma zu einem weiteren Treppenwitz der Geschichte.

P.S.: Die Legende, dass man ein Stück Fleisch über Nacht in Cola auflösen könne, hätte nicht nur den magenkranken Pemberton empört. Es ist schlichtweg Unsinn. Cola kann man zwar für alles mögliche benutzen, nicht zuletzt zum Rostentfernen aber es ist immernoch nur ein Zuckerwasser mit Koffein – jedenfalls heutzutage.

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Image (adapted) “he invented the real thing” by debaird (CC BY-SA 2.0)


 

ist freischaffende Autorin und Redakteurin bei den Netzpiloten. Sie ist Historikerin, Anglistin, Kinonerd, Podcasterin und Hörspielsprecherin. Seit das erste Modem ins Elternhaus einzog, treibt sie sich in allen möglichen Ecken des Internets herum. Sie twittert als @keksmadam und bloggt bei Die Gretchenfrage. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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