Wie man mit Spieletechnologie Tatorte hacken kann

Sherlock Holmes konnte einen Tatort mithilfe seiner ausgezeichneten Kombinationsgabe (und manchmal auch einer Lupe) untersuchen. Doch die heutigen Ermittler haben sehr viel komplexere Technologien zur Hand, um wichtige Arbeiten wie das Dokumentieren und Analysieren eines Tatorts festzuhalten. Zum Beispiel können die Ermittler mithilfe von 3D-Laserscans schnell ein detailliertes und sehr akkurates Modell des Tatorts erstellen.

Das Problem hierbei ist, dass diese Gerätschaften sehr teuer sind, oft im Bereich von mehreren tausend US-Dollar, was sie für kleinere Polizeiwachen praktisch unerreichbar macht. Handscanner sind billiger zu kriegen, aber sie sind eher für kleinere Objekte oder einen Menschen gemacht, statt dass man damit einen gesamten Tatort erfassen könnte. Allerdings könnten diese dreidimensionale Scans einfacher gemacht werden. Die Lösung kommt von eher ungewöhnlicher Seite – von der Spieleindustrie.

Die Xbox Kinect von Microsoft ist ein Gerät mit Bewegungssensor, bei dem die Spieler bestimmte Gesten und Körperbewegungen einsetzen, um zu spielen. Die ursprüngliche 360er-Konsole wurde in den ersten beiden Jahren nach ihrer Veröffentlichung im Jahr 2010 über 24 Millionen Mal verkauft. Microsoft veröffentlichte danach noch ein Addon-Paket, mit dem sich Programmierer in die Bewegungssensorik der Kinect einhacken und diese mit ihrer eigenen Software kontrollieren konnten. Mit dem Addon eröffneten sich viele neue Möglichkeiten.

Entwickler nutzen es, um die Routinefunktionen eines Computers zu kontrollieren. Sie nutzen es auch, um spezielle Gerätschaften wie Operationsrobotor zu bewegen, statt mit Systemen zu arbeiten, die sonst um die 50.000 US-Dollar kosten würden. Allerdings ist die vielleicht beste Kinect-Funktion die, mit der man Landschaften und Objekte in 3D einfangen kann, inklusive akkurater Farbgebung und Textur.
Im letzten Jahr haben Forscher der Universität Vigo in Spanien vorgeschlagen, dass man die alte 360er Kinect-Konsole nutzen könnte, um Tatorte in 3D zu modellieren. Ihre Ergebnisse zeigten, dass die 360 Kinect zu laut ist, um akkurate Messungen zu produzieren, da eine visuelle Verfälschung durch zu geringes Licht verursacht wird. Eine Messung gelang nur dann, wenn man sie sehr nah an das zu scannende Objekt hielt. In einer Entfernung von nur drei Metern produzierte die Kinect Messfehler zwischen zwei bis zu zehn Prozent. Das scheint nicht viel zu sein, doch bei der Aufnahme von Tatorten muss alles akkurat ablaufen.

Die aktualisierte Xbox-One-Version der Kinect kommt mit einer Kamera mit einer Pixeltiefe von 512×424 Pixeln, während die Originalversion noch 320×240 Pixel aufwies. Das bedeutet, dass sie Bilder mit einem besseren Fokus aufnehmen kann, sogar bei einer geringen Lichtstärke. Die Software-, und Hardwareverbesserung führt dazu, dass nun zwei Gigabits an Daten pro Sekunde übermittelt werden können. Wenn man den Sensor schwenkt und kippt, um Räume in 3D aufzunehmen, kann dies nun bei einer schnelleren Aufnahmezeit geschehen. Zudem werden weniger weniger Geräusche und Ungenauigkeiten produziert.

Die Verbesserungen bei der Kinect waren so bedeutend, dass das Jet Propulsion Labor der NASA sich beim Entwicklerprogramm im November 2013 eingeschrieben hat. Die NASA-Techniker benutzten die neue Kinect in Verbindung mit dem Oculus Rift-VR-Headset, um ein System zu entwickeln, das es Astronauten ermöglicht, einen Roboterarm mithilfe des eigenen Armes zu bewegen. Sie nannten es „die umfassendste Schnittstelle“, die sie jemals gebaut haben.

Den eigenen 3D Scanner bauen

Um einen gesamten Tatort abscannen zu können, könnte der Sensor der Xbox One Kinect (Kosten: etwa um die 89 britische Pfund) mit einem günstigen Computer (Kosten: etwa 30 Pfund) wie dem Arduino Leonardo, einem Raspberry Pi, einem Rotationsbausatz (etwa 60 Pfund) und Neigungsbausatz (etwa 25 Pfund) kombiniert werden. Dies würde es Ermittlern ermöglichen, einen gesamten Schauplatz automatisch in 360-Grad-Sicht einzufangen. Ein Laptop mit ordentlicher Rechenleistung (für etwa 1000 Pfund) und einem Windows-Adapter (etwa 40 Pfund) bräuchte man ebenso, um das System laufen zu lassen. Die gesamten Kosten für die notwendige Ausstattung läge somit unter 1500 Pfund. Damit wäre man etwa 43Mal günstiger als die bereits bestehenden, kommerziellen Systeme, die es auf dem Markt gibt.

Der Aufbau und de Benutzung wäre vergleichsweise einfach und die meisten Komponenten arbeiten sofort, ohne dass man erst umständlich an ihnen herumschrauben muss. Open-Source Software ist zudem frei erhältlich, es gibt auch einige kommerzielle Angebote für unter als 150 Pfund. Andere spezialisierte Softwaresysteme kann man nur zusammen mit Hardware zu einem Preis von etwa 150.000 britische Pfun bekommen.

Obwohl mehr Tatortsoftware auf den Markt gekommen ist, ist der Preis nicht merklich gesunken. Die Technologie ist daher für viele Polizeiwachen noch immer nicht erschwinglich. Die Möglichkeiten der Kinect könnten dazu führen, dass Polizeikräfte einen Schritt zur Verbesserung der eigenen Technologien mit einem Hack herbeiführen können. Ein Kinect-basiertes System wäre eine einfache, kosteneffektive Methode, die bei Ermittlungen helfen und Gerechtigkeit herbeiführen könnte.

Dieser Artikel erschien zuerst auf „The Conversation“ unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.


Image „Konsole“ by quakeboy (CCO Public Domain)


ist Pädagoge an der Universität von Durham, Forscher in der Gerichtsmedizin und den strafrechtlichen Untersuchungen sowie Rechtsanwalt. In seinem PhD für Gerichtsmedizin und strafrechtlichen Untersuchungen liegt der Fokus auf Tatortuntersuchung.


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