Ich kenne viele Nomaden, die nicht den geringsten Anstand machen auch nur ein paar Worte in der Sprache des Landes zu lernen, in dem sie momentan zu Gast sind. „Da werde ich ja bescheuert, das kann sich kein Mensch alles merken“ oder „…mit Englisch kommt man doch super durch hier“ sind Aussagen, die weit verbreitet sind und sachlich auch oft zutreffen.
Auf ein sicheres Pferd setzen
Für die reine Verständigung wird es mit Englisch tatsächlich immer einfacher. Wer zusätzliche Sprachen kann, dem fällt die Fortbewegung ohnehin leichter. Spanisch hilft natürlich in vielen Ländern, das ist kein Geheimnis, aber auch Französisch oder Portugiesisch helfen einem an Orten, an denen zumindest ich es nicht vermutet hätte. Auf den Kapverdischen Inseln, Angola oder Macau kommt man mit Portugiesisch weiter, in Neukaledonien oder auch in Portugal mit Französisch, genau wie auf den Philippinen oder in Marokko. Auch Russisch hilft öfter weiter als ich dachte. Und dass man in einer kleinen Ecke Papua-Neuguineas noch Deutsch spricht…
Digitale Überlebenshelfer
Aber auch multilinguale Sprachgenies kommen an ihre Grenzen. Mit meinen knapp 1,75 Fremdsprachen zähle ich übrigens nicht dazu. Um zu überleben kann man sich einiger Apps oder auch Sprachcomputern bedienen. Hier kann man Sätze einsprechen und auch ausgeben lassen, was vor allem in Ländern mit einer hohem Analphebtenquote hilft. Man vergisst gerne: Fast jeder zehnte Mensch auf diesem Planeten kann weder Lesen noch schreiben.
Auch bei Sprachen, deren Zeichen für einen nicht so einfach zu lesen sind, helfen die Apps weiter. Via Bilderkennung werden Speisekarten oder Handytarife schnell einigermaßen verständlich. Ich selbst nutze meist den Google Übersetzer oder die Konkurrenz von Microsoft. iTranslate Voice soll ebenfalls ein gute Alternative sein. Ein kleiner Tipp: Nach meiner Erfahrung sind Apps genauer, wenn man nicht Deutsch als Ausgangssprache wählt, sondern Englisch.
Für alle, die mehr wollen
Doch das alles dient meiner Ansicht nach eben nur dem Überleben, dem technischen Vorankommen.
Ich werde nie vergessen wie ich in der thailändisch Blechhütte, bei der alten Dame, wo wir sehr häufig zum Mittagessen waren, zum ersten Mal versucht habe, das Essen auf Thai zu bestellen, den Geschmack zu loben und einen schönen Tag zu wünschen. Die anfangs etwas grummelige Dame taute immer mehr auf. Sie lachte, begrüßte uns, machte sogar Sonderpreise (nicht, dass die nötig gewesen wären) und spendierte das eine oder andere Getränk.
Nie werde ich vergessen, wie ich auf einer russischen Hochzeit Freunde fürs Leben machte mit dem einfachen Satz „Shto russkomu horosho, to nemzu smertt“ (Was für den Russen gut ist, ist für den Deutschen der Tod). Ohnehin sollte man zumindest einen russischen Trinkspruch können, wenn man das Trinken ernst nimmt. Vodka ist überall und die Russen auch. Sa náschu drúschbu!
You f****** b**** b*** s*****!
Dabei sind wir dann auch bei dem nächsten Fachbereich, den ich für unbedingt angeraten halte, in der jeweiligen Landessprache zu beherrschen: Bei uns eher unsittlich, in manch anderen Ländern noch weniger Tagessordnung – doch in den meisten Ländern umso mehr – ist das Fluchen. Das hat einen einfachen Grund, denn selten sind wir so sehr Mensch, wie wenn wir schimpfen. Genau wie ein gut ausgewählter Slang-Ausdruck, den man garantiert in keinem Langenscheidts-Kompaktwörterbuch findet, sind Flüche genau die Art von Kommunikation, die die Seelen der Einheimischen öffnen, die zeigen, dass ich mich mit dem Land, mit den Menschen auseinandersetzte, und dass ich gerne lache. Man sollte natürlich wissen, wo und wie man Flüche und Beschimpfungen einsetzt, sonst geht der Trick nach hinten los. Pai pen rai? (Thai: „Alles cool?“)
Sprache nichts für Instagram?
Sprache ist Ausdruck einer Gesellschaft, eines Lebensgefühles und Wertgefüges, genau wie das Essen, die Architektur und die Kunst in einem Land. Sie kann der Weg zu Erlebnissen sein, die in keinem Reiseführer oder Insta-Post zu entdecken sind. Klar, Sprache braucht ein bisschen Zeit. Für mich ist gerade das Schöne am digitalen Nomadentum, längere Zeit in einem Land verbringen zu können und mir genau diese zu nehmen. Darüber hinaus: Auf Social Media haben wir die Welt sowieso schon zehnmal bereist. Zeit für etwas Neues.
So klappt es mit den Nachbarn
Wo und wie findet man Ausdrücke und Phrasen, die einem die Herzen öffnen? Die kleinen Übersetzungs-Büchlein vom Flughafenkiosk helfen bei den Freundlichkeiten und Basics wie Zahlen, Übersetzungs-Apps geben weitere Anhaltspunkte und googeln hilft bekanntlich bei allem (z.B. „Phrasen+vietnamesisch+Freunde“). Man muss es nur eben auch machen.
Die wertvollsten Sätze – mit der richtigen Aussprache – erfahre ich aber fast ausschließlich, wenn ich versuche mit den Menschen zu sprechen, wenn ich nachfrage, wenn man echtes Interesse zeige. Ein bisschen herauskommen musste ich dazu, raus aus der Blase der internationalen, komfortabel Englisch sprechenden Sicherheitszone. Aber genau darin liegt eben die Magie. Es lohnt sich!
Images by Katsche Platz
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Schlagwörter: Digital Nomad, Katsche, Kultur, Reisen, Sprachapps