Es war einmal eine japanische Astronomin, die in einer klaren Nacht im Jahr 2001 in den Sternenhimmel blickte. Gefühlt Tausende von Sternschnuppen erhellten das Dunkle um sie herum und versprühten jene Magie, aus denen Träume gemacht sind. Doch Träume sind dazu da, um Wirklichkeit zu werden, dachte sich Lena Okajima – und gründete etwa zehn Jahre später das Unternehmen Global Star ALE: Ein Startup, nach ihrer liebsten Biersorte benannt, das künstliche Sternschnuppen erzeugen möchte.
Verrückte Idee oder wahrgewordenes Märchen?
Astronomen, Physiker und Ingenieure arbeiten seitdem an dieser verrückten Idee und 2018 soll nach Angaben des Startups der weltweit erste künstliche Meteoritenschauer auf die Erde niederprasseln. Doch ist die Idee wirklich verrückt oder einfach nur ein Märchen, das für und durch Lena Okajima wahr wird? „Als jemand, der einen Doktortitel in Astronomie hat, war Okajima klar, dass es technisch möglich ist, künstliche Meteoritenschauer herzustellen. Es ging also nur darum, diese Idee, die sie schon lange im Kopf hatte, auch umzusetzen,“ sagt Unternehmenssprecherin Rie Yamamoto gegenüber den Netzpiloten. Sie glaubt fest daran, dass die Welt „außerirdische Unterhaltung“ braucht.
Angeblich haben schon viele Organisationen Interesse an der Technologie gezeigt. Auch wenn das Unternehmen verneint, dass die Technologie im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 2020 in Tokio entwickelt wurde, ist es dennoch denkbar, dass künstliche Sternschnuppen genau zu solchen Großereignissen eingesetzt werden könnten. Otto Normalverbraucher wird sich dagegen ein solches Schauspiel wohl erstmal nicht leisten können: Allein die Kosten, um eine Rakete mit Meteoren in den Weltall zu schießen, kostet mehrere Zehntausende Euro.
Ein Meteoritenschauer zum Selbermachen
Doch was braucht es eigentlich, um einen künstlichen Meteoritenschauer zu erzeugen? Man nehme kleinste Partikel, packe sie in einen Sternschnuppenschussgerät und setze das Ganze unter Gas-Druck, stecke dann alles in eine Rakete und schieße diese anschließend mit einer Geschwindigkeit von etwa 28.000 Kilometern pro Stunde 500 Kilometer über die Erdoberfläche. Sobald die Rakete sich dann in der voraus exakt berechneten Umlaufbahn befindet, sorgt ein vorprogrammierter Automatismus dafür, dass sich der Druck auf die Partikelkapsel löst und die Meteoriten gen Erde fallen, wobei sie völlig verbrennen. Wir sehen dann künstliche Sternschnuppen am Himmel.
Dabei werden sich diese Sternschnuppen von Global Star ALE deutlich vom natürlichen Himmelsspektakel unterscheiden. Erstens verbrennen die künstlichen Meteoriten langsamer und zweitens sind die Partikel chemisch so präpariert, dass sie nicht nur heller leuchten als natürliche Sternschnuppen, sondern sogar in verschiedenen Farben. So können die Sternschnuppen durch chemische Stoffe wie Kupfer oder Cäsium strahlend grün oder blau leuchten – und das ist dann in einem Umfang von 200 Kilometern zu sehen. Ein solcher Schauer könnte also locker von einer gesamten Großstadt wie Tokio mit 30 Millionen Einwohnern gesehen werden. Zugegeben, das klingt beeindruckender als ein popeliges Silvesterfeuerwerk.
Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Astronomen
Global Star ALE will aber nicht nur ein bombastisches Himmelsschauspiel inszenieren, das Startup behauptet auch, dass ihre Technologie der Forschung helfen kann. So sollen die künstlichen Meteoriten beispielsweise dazu dienen, die Mechanismen der echten Himmelskörper besser zu verstehen – etwas, was aufgrund ihrer Geschwindigkeit und Unsichtbarkeit im Weltall für Astronomen bisher keine leichte Aufgabe ist.
Wissenschaftler haben jedoch Zweifel an dem künstlichen Meteoriten-Experiment. Zwar glaubt keiner, dass die künstlichen Meteoriten direkten Schaden auf der Erde anrichten können, aber viele, wie etwa Moribah Jah, Direktor des Programms für Himmelskörperbeobachtung an der Universität von Arizona, befürchten, dass es durch die Global Star ALE Meteoriten zu Weltraumkollisionen kommen kann. Obwohl das Unternehmen versichert, die Umlaufbahnen anderer Weltraumobjekte durch den Space-Track-Algorithmus der NASA genau zu berechnen, sagt Jah gegenüber dem National Geographic, dass eine solche Berechnung nicht präzise genug sei: „Space Track gibt zwar Daten über die generelle Laufbahn eines Objektes an, aber nicht den präzisen Standort, was die Genauigkeit von ALE verringern könnte.“
ALE-Sprecherin Yamamoto erklärte jedoch gegenüber den Netzpiloten, dass das Unternehmen neben der Umlaufbahn-Berechnung einen zusätzlichen Sicherheitspuffer von bis zu 50 Kilometern von jedem anderen Objekt im Weltall einkalkuliert, um so jegliches Kollisionsrisiko auszuschließen: „Darüber hinaus werden wir auch die Zahl der Satelliten, die wir in den Weltraum befördern, sehr gering halten. In den ersten Jahren werden wir nicht mehr als einen oder maximal zwei Satelliten pro Jahr einsetzen.“ Star ALE versichert ebenfalls, dass sie den internationalen Weltraumregelungen folgen werden, nach denen ein Satellit nach spätestens 25 Jahren wieder zur Erde zurück geholt wird, um so nicht selbst zu einem gefährlichen Flugobjekt zu werden.
Dennoch ist nicht auszuschließen, dass mit steigender Nachfrage (und sinkendem Preis), die Zahl dieser Satelliten stetig wächst und somit nicht nur das Kollisionsrisiko steigt, sondern ebenfalls zusätzlicher Weltraummüll entsteht. „Wir Menschen sind schon sehr gut darin, die Erde zu verschmutzen. Ich glaube nicht, dass wir jetzt noch anfangen müssen, den Weltraum zuzumüllen,“ sagt Guido Thimm, Astronom und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg, im Netzpiloten-Gespräch. Er hat darüber hinaus auch Bedenken zum Verbrennungsprozess. Star ALE möchte zwar nicht verraten, aus welchen Materialien die künstlichen Meteoriten hergestellt sind, doch Thimm befürchtet, dass durch die Verbrennung der Partikel mit den farbgebenden Chemikalien gefährliche Rückstände in die Erdatmosphäre gelangen könnten. Er ist daher der Meinung, dass die Menschheit auch sehr gut ohne künstliche Sternschnuppen zurechtkommen kann: „Wenn ich Sternschnuppen sehen will, schnappe ich mir einfach eine Decke, gehe nachts zu einem dunklen Ort und beobachte von dort zig Sternschnuppen – und das ganz umsonst.“
Image (adapted) „Stars are falling from the sky“ by Michael Pollak (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Astronomie, Erde, Forschung, Japan, Meteoriten, startup, Sternschnuppen, Weltall, Wissenschaft