Der neue Internet Sender dbate.de von Dokumentarfilmer Stephan Lamby bietet alternative Erzählformen, die Videoblogger aus aller Welt mit einbeziehen. // von Anna-Maria Landgraf
Die Seite dbate.de ist diese Woche gestartet und bietet eine neue Form des Geschichtenerzählens. Bilder von zerstörten Häusern in Doneszk oder deutsche Fans bei der Fußball-WM in Brasilien: mit Hilfe von Youtube, Facebook und Co lassen sich Reportagen produzieren, die emotional ganz dicht dran sind.
Wieso ist das wichtig? Dbate.de bieten dem Publikum Filme, die durch ihre Machart direkt am Geschehen sind. Hier werden journalistisch hochwertige Beiträge mit Hilfe von sozialen Medien erstellt und verbreitet – die Zukunft der Berichterstattung? In jedem Fall eine Ergänzung.
- Die Arbeitsweise von dbate hat Vorteile, die konventionelle Dokumentationen missen. Wie zum Beispiel die schnelle Umsetzbarkeit.
- Die Idee für dbate.de entstand durch das Reaktorunglück in Japan. Durch Skype-Interviews und Amateuraufnahmen konnte zeitnah ein Film zusammen gestellt werden.
- Auch Fernsehsender sind an dem Projekt interessiert. Vor allem ZDFinfo und WDR wollen in Zukunft mit dbate zusammen arbeiten.
Emotionale Nähe durch subjektive Perspektive
Feiernde Fußballfans in Brasilien, eine krebskranke Frau nach ihrer Diagnose, zerstörte Häuser in Donesk – dbate zeigt in der Kernrubrik sogenannte Videotagebücher, die unmittelbar am Geschehen und am Subjekt sind. „Wir bieten dem Zuschauer einmalige Aufnahmen von Orten, die für Journalisten oft nicht so einfach zugänglich sind. Das beste Beispiel ist Fukushima. Die Katastrophe war nicht vorhersehbar und kein Kamerateam konnte sich da aufbauen. Wir haben auf Videomaterial von Amateuren zurück gegriffen, die auf den Dächern standen und die Flutwellen filmten„, meint Hendrik Holdmann, Mitarbeiter bei dbate. Die Hamburger Firma ECO Media von Stephan Lamby steckt hinter der Videoplattform. Ziel ist es, eine neue Erzählform zu etablieren, die soziale Medien zu ihrem Instrument und ihrer Verbreitungsform macht. Damit sei dbate sowohl Content-Manager als auch Content-Ersteller, so Holdmann. „Die Machart bezieht die Protagonisten mit ein und weist ihnen eine aktive Rolle zu„. So kommen die Menschen vor Ort zu Wort – zum Beispiel Videoblogger, die die Unruhen auf dem Maidan mit dem Smartphone filmen oder im Himalaya mit einer Helmkamera unterwegs sind.
Das Vorgehen ist simpel und genau deshalb so effizient. Amateuraufnahmen von Regionen oder Situationen, die für Journalisten oft unzugänglich sind, dienen als Bildmaterial. Um das im Film zu kommentieren, werden die Augenzeugen via Skype interviewt. Und all das journalistisch abgesichert. „Wir holen uns grundsätzlich immer die Genehmigung vom Rechteinhaber, so Holdmann.
Videotagebücher sind das Kernstück auf dbate. Daneben können die Nutzer auch sogenannte Skype-Talks anschauen – wie momentan das Gespräch zwischen Martin Lohmann und Dieter Graefe über das aktuelle Thema Sterbehilfe. Oder Splitter von Interviews, die ursprünglich für Fernsehen produziert wurden, wie beispielsweise das Gespräch mit Henry Kissinger über den Vietnamkrieg.
Augenzeugen kommen zu Wort
Die Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 war Auslöser für die Idee zu dbate. Das Gebiet rund um das Kernkraftwerk war damals für Journalisten gesperrt, Berichterstattung vor Ort war nicht möglich – also bediente sich Lamby anderer Mittel: Amateuraufnahmen von nahenden Wassermassen und Skype-Interview mit Augenzeugen zeigten den Zuschauer zeitnah, wie sich die Situation auf die Menschen dort auswirkte. Der Film „My Tsunami – die Katastrophe via Skype“ entstand. Es folgte „My Revolution – Videotagebuch von Kiev“. Darin filmen Videoblogger die Maidan-Unruhen. Wie im Fukushima-Film kommentieren Augenzeugen und ukrainische Journalisten das Geschehen.
Das positive Feedback motivierte ECO Media, weiter zu machen: dbate.de entstand, mit zahlreichen Videos über aktuelle Themen. Dabei orientiert sich dbate an aktuellen Krisenherden wie damals der Aufstand gegen Erdogan in der Türkei – aber auch leichtere Themen wie Extremsport sind auf der Plattform zu sehen. „Natürlich greifen wir hauptsächlich Themen auf, die auch im Internet abgebildet sind„, meint Holdmann. So sind zum Beispiel zwei Frauen zu sehen, die durch ihre Stadt Donesk gehen und zerbombte Häuser und Straßen filmen. Sie erzählen von Luftschutzbunkern und Fliegerbombern, von Stromausfällen und Wasserknappheit – Zivilisten in einem Kriegsgebiet, subjektiv und realitätsnah.
Das Format ist auch fürs Fernsehen interessant
Die Reportagen auf dbate sind zumindest teilweise auch für öffentlich-rechtliche Fernsehsender interessant. ZDFinfo und WDR wollen in Zukunft verstärkt mit dbate zusammen arbeiten. Die sind an dem neuen Format interessiert, beliebte Themengebiete variieren ganz stark. „Die Fernsehsender sind auch an sozialen und nicht-aktuellen Themen interessiert. Es müssen nicht immer harte Themen wie Krieg sein“, so Holdmann. Dbate hat die Kapazitäten, beides zu zeigen: ein breites Themenspektrum durch weitgehende finanzielle Unabhängigkeit. Finanziert wird der Onlinesender vorrangig durch Werbeeinnahmen auf der Plattform, teilweise aber auch durch Einnahmen von Rechteübertragungen auf Fernsehsender.
*die Autorin war an dem Projekt beteiligt
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Schlagwörter: blog, dbate, journalismus, Medienwandel, Stephan Lamby, Video
1 comment
Ein wirklich spannendes Projekt und rein von der Idee her auch ein wirklich wichtiges.
Immer wichtiger wird es, auf massenmedien-unabhängige Berichterstattung zurückgreifen zu können um sich so dem propagandistischem Gehalt der Nachrichten zu entledigen und der Wahrheit nahe zu kommen.
Während Liveleak zu einer Plattform voller Kriegsvideos gemischt mit unpassenden Funvideos verkommt, wurde es Zeit mehrere Quellen mit unabhängigen Berichterstattern ins Leben zu rufen.
Ich hoffe sehr, dass die Plattform auf das Offenlegen der Wahrheit abzielt und nicht auf emotionalisierende Skript-Dokumentationen.
Überzeugt habe ich mich noch nicht.