Willkommen in den Abgründen wirtschaftlicher Interessen. Heute widmen wir uns dem Stick Drift bei Gamepads. Stick Drift beschreibt das Phänomen, dass ein Controller ohne eigenes Zutun eine Bewegung des Analogsticks wahrnimmt, bzw. ausführt. Besitzern aktueller Konsolen wie der Xbox Series, PlayStation 5 oder auch die mittlerweile vergleichsweise betagte Nintendo Switch dürften dieses Problem eventuell schon leidlich bekannt sein.
Mich selbst erwischte es bei einem Xbox Series-Controller, den ich mir für die Nutzung am PC gekauft hatte. Bemüht man Google, betritt man einen verdammt tiefen Sumpf, in dem man bei weitem nicht der einzige ist. Wo tritt der Stick Drift auf und was ist die Ursache?
Was verursacht den Stick Drift?
Die Funktionsweise der meisten Analogsticks ist in der Theorie relativ simpel. Zwei Potentiometer messen die Position des Sticks auf der Achse Links/Rechts und Oben/Unten. Die Position wird bestimmt, weil die Position des Sticks die Wiederstände der Potentiometer verändert.
Nutzt das Material ab oder gelangt Dreck in die Mechanik, kann es dazu kommen, dass die Messung ungenauer wird. Auch beim Stillstand wird nun ein Wiederstand erkannt, der als leichte Bewegung des Sticks interpretiert wird. Der Controller führt eine Bewegung aus, obwohl ihr den Stick nicht einmal anfasst.
Die Behebung eines Stick Drifts ist daher nicht zwingend schwierig. Eine Reinigung kann manchmal schon wahre Wunder bewirken. Das Problem ist dabei eher, das Gamepad dafür zu öffnen. Das kann in den falschen Händen auch mal daneben gehen und man riskiert auch die Garantie des Controllers.
Liegt der Fehler am Material selbst, lassen sich für viele bekannte Hersteller neue Potentiometer für relativ kleines Geld kaufen. Doch mehr noch als bei der Reinigung, ist dieser Vorgang für den Laien ein großes Unterfangen und etwas, dass eigentlich für das teure Geld, dass man bezahlt hat, nicht passieren sollte.
Stick Drift – Ein Phänomen aktueller Controller
Das perfide am Stick Drift ist, dass es eine ziemlich neue „Modeerscheinung“ ist – zumindest in diesem Ausmaß. Zwar gibt es den Stick Drift ungefähr so lange wie es Analogsticks gibt, aber da war es in der Regel durch sehr schlechte Controller-Pflege bedingt. Ich selbst war nie jemand, der all zu pfleglich mit seinen Gamepads umging. Gerade zu Zeiten der festen Verkabelung habe ich oft versehentlich Controller runtergerissen. Und ich zocke auch mal gediegen mit Chips oder Schokolade als Snack. Kaputte Controller kann ich in meiner langen Zocker-Laufbahn trotzdem noch problemlos an einer Hand abzählen.
PS2, PS3, PS4 – keine Stickprobleme gehabt. Auch mein alter Xbox 360-Controller wurde nicht ersetzt, weil er in irgendeiner Form verzieht. Er ist lediglich langsam doch etwas schwammiger vom Steuerungsgefühl geworden. Nutzt man ein Gamepad über so viele Jahre, ist das aber völlig okay. Umso mehr freute ich mich dann auf ein kabelloses und viel taktileres Spielgefühl mit dem neuen Handschmeichler.
Das Spielgefühl war auch ein deutliches Upgrade für mich. Bis nach nicht einmal einem Monat der Stick Drift kam. In Forza Horizon 5 ging es noch in Ordnung. Beim Fahren hat man ständige Führung des Sticks und es wirkt sich nicht großartig aus. In anderen Spielen nervte es dann aber doch, wenn sich die Figur ungefragt in Bewegung setzt oder sich die Kamera dreht.
Aber egal, ich bin ja beruflich gewohnt zu recherchieren. Ich fand YouTube-Videos die Hilfe gegen Stick Drift versprachen. Doch zumindest die etwas oberflächlicheren Methoden sorgten allenfalls für eine kurzzeitige Linderung, behoben das Problem aber nicht. Aufschrauben wollte ich das Gerät nicht. Das Zusammenschrauben am Ende zählt nicht zu meinen Stärken und den Garantieanspruch kann man dann ebenfalls vergessen.
Auch Nintendo und Sony versagen beim Stick
Das Problem der Xbox-Controller ist bekannt. Viele Nutzer auf Reddit nennen rund 4-6 Monate, bis der Stick Drift einsetzt. Das betrifft die normale Variante genau so wie die Edelheimer für deutlich über 100 Euro. Für zwei der Series Elite 2-Controller zahlt ihr bereits so viel, wie für die teuerste Variante der Series S. Und das Teil an dem es scheitert ist ein simpler Analogstick, bzw. das Potentiometer, wie sie bereits seit Ewigkeiten ohne Probleme in Controllern genutzt werden.
Durch meinen Bruder habe ich erfahren, dass auch die Nintendo Switch von ähnliches Problemen bei den Sticks der Joy-Cons geplagt ist. Der Joy-Con-Drift hat sogar einen eigenen Namen, ist aber im Prinzip auch ein Stick-Drift. Es scheint trotzdem nicht ganz so häufig aufzutauchen wie bei den neuen xBox-Controllern und man hat in der Regel nur einen „halben“ Controller zu ersetzen. Aber auch ein einzelner Joy-Con kostet mal eben 39,99€ im offiziellen Shop. Ein Schelm wer bei solchen Qualitätsmängeln etwas böses denkt, nicht wahr?
Aber es kann ja auch alles Zufall sein. Wenn Xbox plötzlich Müll produziert, sollte ich vielleicht mal schauen, ob Sony nicht die bessere Wahl für meinen nächsten PC-Controller ist? Überraschung: Auch bei Sony scheint mittlerweile häufiger Probleme damit zu haben, als noch etwa zu PlayStation 2-Zeiten. Ähnliches gilt auch für das Steam Deck – wobei hier tatsächlich eine häufige Ursache über ein Firmware-Update gefixt wurde.
Stick Drift ein Verbraucher-Betrug mit System?
Bei dieser Anhäufung von „Zufällen“ könnte man schon fast vermuten, dass der Stick Drift eigentlich nicht ganz so zufällig ist. Dass den Konsolenherstellern das Problem nicht bekannt ist, kann ich mir jedenfalls beim besten Willen nicht vorstellen. Zum einen dürften etliche Controller zur Reparatur aufschlagen, die fast alle das selbe auffällige Problem haben. Zum anderen dürften die dafür schuldigen Bauteile nicht einmal viel kosten.
Mir kann zumindest niemand weismachen, dass eine kleine Qualitätsverbesserung beim Stick und dem verbundenen Sensor die Produktionskosten von Controllern mit einem Preisschild von teils über 100 Euro großartig explodieren lässt. Ja, Controller haben sich weiter entwickelt, aber gerade der Analogstick hat über viele Konsolengenerationen weitgehend gut gehalten – und Kinder aus Nintendo 64-Zeiten wissen noch gut, was für Analogstick-Killer – damals noch ohne Potentiometer – manche Spiele sein konnten. (Ja, ich rede mit dir, Mario Party. Schon die Erinnerung an die Analogstick-Drehorgien lässt meine Handinnenfläche wieder blau anschwellen.)
Es gibt viele technische Geräte, die darauf ausgelegt sind bei normalem Gebrauch kurz nach Ablauf der Garantie große Probleme zu bekommen. Hersteller wollen oft gar nicht, dass wir Verbraucher lange glücklich mit dem Produkt sind. Sie wollen, dass wir bald wieder kaufen und das rechnet sich auch gegen vermehrte Reparaturfälle. Schließlich sind die meisten Nutzer keine Poweruser, deren Geräte eher nach Ende der Garantie Ausfallerscheinungen bekommen.
Und auch ich spiele dieses dämliche Spiel leider mit und habe mir kürzlich einen neuen Controller im Xbox Design Lab selbst designt. Überraschenderweise wurde das Paket des „Edelcontrollers“ sogar direkt aus China versendet. Und so geht es wieder los, das beten, vom Stick Drift verschont zu bleiben. Die Controller sind nämlich schon geil – nur die Qualitäts“-Sicherung“ ist an der Grenze zur Kriminalität.
Image via DALL-E
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